Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson
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Ob nun mein Onkel den Krach für den Lärm meines Falles hielt oder ob er darin Gottes Stimme vernahm, die den Mord verkündete, das will ich euch zu erraten überlassen. Sicher ist wenigstens, daß er dabei von einer Art panischen Schreckens ergriffen wurde, daß er ins Haus lief und hinter sich die Tür offen ließ. Ich folgte so leise ich nur konnte, kam ungehört in die Küche und stand und sah ihm zu.
Er hatte Zeit gefunden, den Eckschrank zu öffnen, eine Flasche Schnaps herauszunehmen und setzte sich nun, mit dem Rücken zu mir, an den Tisch. Von Zeit zu Zeit schüttelte es ihn wie in heftigen Fieberanfällen und er stöhnte laut, setzte die Flasche an den Mund und trank in langen Zügen.
Ich schritt vor, kam dicht hinter ihn zu stehen, ließ plötzlich meine beiden Hände auf seine Schultern niederfallen und rief: »Ah!«
Mein Onkel stieß einen schwachen, heiseren Schrei aus, wie das Blöcken eines Schafes, warf die Arme in die Luft und fiel wie tot zu Boden. Ich erschrak darüber einigermaßen, aber ich mußte zuerst an mich denken und zögerte nicht, ihn so liegen zu lassen, wie er gefallen war. Die Schlüssel hingen im Wandschrank und ich faßte den Plan, mich mit Waffen zu versehen, ehe mein Onkel wieder zum Bewußtsein käme und Böses auszuhecken im Stande wäre. Im Wandschrank waren einige Flaschen, zum Teil anscheinend Medizinflaschen; eine Menge Rechnungen und andere Papiere, die ich nur gar zu gerne durchstöbert hätte, wäre nicht die Zeit zu kurz gewesen; ferner noch einige Gebrauchsgegenstände, die für mein Vorhaben ohne Belang waren. Dann wendete ich mich den Kasten zu. Der erste war voll mit Eßvorräten, der zweite enthielt Geld und Papiere, fest in Bündel verschnürt, im dritten fand ich, unter vielen anderen Dingen (hauptsächlich waren es Kleider) einen rostigen, übelaussehenden Dolch ohne Scheide. Den nun verwahrte ich unter meinem Rock und wendete mich meinem Onkel zu.
Er lag, so wie er hingefallen war, ein Knie in der Höhe und einen Arm weit von sich gestreckt. Sein Gesicht hatte eine merkwürdig blaue Farbe und er schien nicht mehr zu atmen. Ich bekam Angst, er könnte tot sein. Ich holte Wasser und spritzte es ihm ins Gesicht, und davon schien er ein wenig zu sich zu kommen; seine Lippen bewegten sich und seine Augen zuckten. Endlich blickte er auf, sah mich, und da stieg ein Ausdruck des Schreckens in seinen Augen auf, der nicht von dieser Welt war.
»Komm, komm,« sagte ich, »setze dich auf.«
»Du lebst?« seufzte er. »Mensch, du lebst?«
»Ja,« sagte ich, »dein Verdienst ist es nicht!«
Er hatte mit tiefen Zügen versucht, Atem zu schöpfen. »Die blaue Phiole,« sagte er, »im Kasten dort – die blaue Phiole.« Sein Atem ging noch langsamer.
Ich lief zum Schrank und fand dort natürlich die blaue Phiole mit Medizin – die Dosis stand auf einem Stückchen Papier darauf – und die gab ich ihm ein, so schnell ich nur konnte.
»Es ist mein altes Leiden,« sagte er, sich wieder ein wenig erholend, »ich habe ein Leiden, Davie, es ist das Herz.«
Ich setzte ihn auf einen Stuhl und sah ihn an. Es ist wahr, daß ich ein wenig Mitleid empfand beim Anblick eines so krank aussehenden Menschen, aber nebstbei war ich doch rechtschaffen zornig, und so zählte ich ihm die Punkte auf, über die ich Rechenschaft von ihm forderte: Warum er mich mit jedem Wort belog; warum er Angst hatte, daß ich ihn verlasse; warum er es nicht hören wollte, daß er und mein Vater Zwillinge waren – »ist es darum, weil es wahr ist?« fragte ich; warum er mir Geld gegeben habe, auf das ich – davon wäre ich überzeugt – keinen Anspruch hatte; und schließlich, warum er versucht hatte, mich umzubringen. Er hörte mich stillschweigend bis zu Ende an und bat mich dann, mit zitternder Stimme, ihn zu Bett zu bringen.
»Ich erzähl's dir morgen früh,« sagte er, »totsicher, ich versprech' es dir.«
Er war so schwach, daß mir nichts anderes übrig blieb als einzuwilligen. Immerhin schloß ich ihn in sein Zimmer ein und steckte den Schlüssel zu mir. Dann ging ich in die Küche zurück und fachte ein schönes Feuer an, wie dort wohl gar manch langes Jahr keines gebrannt hatte, wickelte mich in meine Decke, legte mich auf die Bank und schlief fest ein.
Kapitel V
Ich gehe nach Queen's Ferry
Die ganze Nacht hindurch regnete es fort, und am nächsten Morgen wehte ein scharfer, kalter Wind von Nord-West her, daß die Wolken stoben. Trotzdem nahm ich, noch ehe die Sonne heraufgekommen und die letzten Sterne verschwunden waren, meinen Weg zum Bache und tauchte tief in das wirbelnde Wasser. Ganz glühend von meinem Bad, setzte ich mich nochmals ans Feuer, das ich neu anfachte und begann, meine Lage ernstlich zu überdenken.
Es bestand jetzt wohl kein Zweifel mehr über meines Onkels Feindseligkeit; auch bestand kein Zweifel, daß ich mein Leben in der Hand hielt und er jeden Stein umdrehen werde, um mich zu verderben. Aber ich war jung und frisch und hatte, wie die meisten auf dem Lande aufgewachsenen Burschen eine gute Meinung von meiner Schlauheit. Als ich an seine Tür kam, war ich nicht viel mehr als ein Bettler und nicht viel älter als ein Kind. Er war mir mit tückischem Verrat und roher Gewalt begegnet. Es wäre eine feine Vergeltung, die Oberhand zu gewinnen und ihn wie eine Herde Schafe zu treiben und zu lenken.
Ich saß da am Feuer, rieb mir das Knie und lächelte vor mich hin. Ich sah mich schon in Gedanken, ihm ein Geheimnis nach dem anderen herauslocken und dieses Mannes Gebieter und König werden. Der Zauberer von Essendean, hieß es, habe einen Spiegel gemacht, in dem man die Zukunft sehen könnte. Der mußte aus anderem Stoffe gewesen sein als aus brennenden Kohlen; denn in allen Gestalten und Bildern, die ich so vor mich starrend sah, war auch keine Spur von einem Schiff, von einem Mann mit einer Pelzmütze, nichts von einem Knüppel auf meinem dummen Kopf und all dem anderen Elend, das mich so bald befallen sollte.
Endlich ganz aufgeblasen und eingebildet ging ich hinauf und gab meinem Gefangenen die Freiheit. Er wünschte mir höflich einen guten Morgen, ich tat desgleichen und lächelte von der Höhe meiner Selbstgefälligkeit verächtlich auf ihn nieder. Bald saßen wir beim Frühstück, als wäre es tags zuvor gewesen.
»Nun, Herr,« sagte ich in spöttischem Tone, »habt Ihr mir nichts mehr zu sagen?« Und dann, als er keine deutliche Antwort gab: »Es wird Zeit sein, einander klipp und klar zu verstehen«, fuhr ich fort. »Ihr habt mich für einen dummen Bauernbuben gehalten, der nicht viel mehr Mut oder Mutterwitz besitzt als ein Suppenlöffel. Ich hielt Euch für einen guten Mann oder zumindest für nicht schlechter als andere. Es scheint, wir haben uns beide geirrt. Welchen Grund Ihr habt, mich zu fürchten, mich zu betrügen und mir nach dem Leben zu stehen...«
Er murmelte etwas von einem Scherz und daß er gerne ein wenig Spaß treibe und dann, als er mein Lächeln bemerkte, änderte er plötzlich den Ton und versicherte mir, er wolle alles aufklären, sobald wir unser Frühstück beendet hätten. Ich sah ihm am Gesichte an, daß er keine Lüge für mich bereit hatte, obwohl er sich sehr bemühte, eine zu finden; und ich glaube, ich wollte ihm das gerade sagen, als wir durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen wurden.
Ich hieß meinen Onkel auf seinem Platz sitzen bleiben und ging, um aufzumachen. Ich fand vor der Tür einen halbwüchsigen Buben in Seemannstracht. Sobald er mich erblickt hatte, tanzte er einige Schritte zum Klange einer Holzflöte (wie man sie auf Schiffen zu haben pflegt und die ich nie zuvor gesehen oder gar gehört hatte), schnalzte mit den Fingern in der