Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson
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»Wenn ich von dem Mann noch ein bißchen mehr kriege,« pflegte er zu sagen, »dann geh’ ich in die Luft!«
Wir hatten zuweilen schweres Wetter; aber dabei zeigten sich die großartigen Eigenschaften der Hispaniola nur um so besser. Alle Leute an Bord schienen recht zufrieden zu sein, und sie hätten allerdings von Natur sehr unzufriedene Menschen sein müssen, wenn es anders der Fall gewesen wäre; denn ich bin der Meinung: niemals ist eine Schiffsmannschaft so verwöhnt worden, seit Noah in See stach. Doppelter Grog wurde bei jedem nur erdenklichen Anlaß ausgeteilt; mitten in der Woche gab es Pudding, zum Beispiel, wenn der Squire hörte, daß einer von den Leuten Geburtstag hätte; und eine Tonne voll von Äpfeln stand offen auf dem Mitteldeck, so daß jeder nur zuzulangen brauchte, wenn er Lust hatte.
»Habe noch nie gehört, daß so was gut getan hätte!« sagte der Kapitän zu Doktor Livesey. »Verwöhnst du die Matrosen, machst du Teufel aus ihnen! sagt das Sprichwort, und das ist auch meine Meinung.«
Indessen tat die Apfeltonne doch etwas Gutes, wie man hören wird; denn wäre die nicht gewesen, so hätten wir keine Warnung bekommen und wären vielleicht alle meuchlerisch ermordet worden.
Und das kam so:
Wir waren vor den Passatwinden gefahren, um auf die Luvseite der von uns gesuchten Insel zu kommen – deutlicher darf ich mich nicht ausdrücken – und hielten jetzt Tag und Nacht scharfen Ausguck nach unserem Ziel. Nach allen Berechnungen mußten wir am letzten Tage unserer Ausreise sein; wahrscheinlich noch in der Nacht, oder jedenfalls vor dem nächsten Mittag mußten wir die Schatzinsel sichten. Wir steuerten nach Süd-Südwest, hatten eine steife Brise im Stern und eine ruhige See. Die Hispaniola fuhr ihren sicheren Kurs und tauchte ab und zu ihr Bugspriet ein, daß eine Sprühwelle über sie wegging. Alles ging gut vonstatten, und alle Leute waren in bester Stimmung, weil wir jetzt dem Ende des ersten Teiles unseres Abenteuers nahe waren.
Als ich gleich nach Sonnenuntergang mit aller meiner Arbeit fertig war und nach meiner Koje ging, da fiel mir ein, daß ich wohl Lust auf einen Apfel hätte. Ich lief auf Deck. Die Leute von der Wache sahen alle nach vorne, nach der Insel aus. Der Mann am Helm sah nach den Segeln und pfiff leise vor sich hin, und das war der einzige Ton, der zu hören war außer dem Klatschen der Wellen gegen den Bug und die Seiten des Schiffes.
Ich stieg in die Apfeltonne hinein und fand, daß kaum noch ein Apfel übrig war; aber ich hockte mich im Dunkeln hin, und da muß mich das Klatschen des Wassers und die wiegende Bewegung des Schiffes wohl schläfrig gemacht haben; ich war entweder schon eingeschlafen oder war jedenfalls dicht davor, als plötzlich ein Mensch sich schwer gegen das Faß setzte. Die Tonne schwankte, als er seinen Rücken anlehnte, und ich wollte gerade aufspringen, da begann der Mann zu sprechen. Es war Silvers Stimme, und bevor ich ein Dutzend Worte gehört hatte, hätte ich nicht um die ganze Welt mich sehen lassen, sondern ich hockte da in meinem Faß und horchte, vor Angst und Neugierde zitternd; denn dieses Dutzend Worte zeigte mir, daß das Leben aller ehrlichen Menschen an Bord von mir allein abhing.
Elftes Kapitel
Was ich in der Apfeltonne hörte
»I Gott bewahre! Flint war Käpp’n; ich war Schiemann, trotz meinem Holzbein. Von derselben Breitseite, die mir mein Bein wegriß, verlor der alte Pew seine Gucker. Der Doktor, der mich amputierte, war ein großartiger Arzt – auf Hochschulen gewesen und alles, was man haben wollte –, Latein eimerweise, und was nicht alles; aber er wurde gehängt wie ein Hund und an der Sonne getrocknet wie die übrigen, in Corso Castle. Es waren Roberts seine Leute, die da baumelten – und das kam davon, daß sie die Namen von ihren Schiffen änderten – ›Royal Fortune‹ und so weiter. Nee, wie ein Schiff mal getauft ist, so laßt es weiter heißen – das sage ich! So war es mit der Cassandra, die uns alle heil und gesund von Malabar nach Hause brachte, als England den Vizekönig von Indien gefangen hatte; so war es mit dem alten ›Walroß‹, Flints altem Schiff, das sah ich ganz schlipperig vom roten Blut und mit Gold beladen bis zum Sinken!«
»Ah!« rief eine andere Stimme, offenbar voll von Bewunderung; ich erkannte den jüngsten Matrosen, den wir an Bord hatten; »ha! der war doch der großartigste Kerl von allen, der Flint!«
»Na, Davis war auch ein Mann, das will ich meinen!« sagte Silver. »Ich bin allerdings niemals mit ihm gefahren; ich war erst bei England und dann bei Flint, und damit ist meine Geschichte aus; und nun bin ich hier auf meine eigene Rechnung, sozusagen. Neunhundert Pfund legte ich auf die Kante, die verdiente ich unter England; und dann zweitausend, das war mein Anteil, als ich bei Flint war. Das ist gar nicht so schlecht für einen Mann vorm Mast – und sie liegen alle sicher in der Bank. Daß man Geld verdient, tut es noch nicht allein; man muß es auch zu sparen wissen, glaubt mir das! Wo Englands Leute jetzt sind? Das weiß ich nicht. Wo Flints Leute? Na, die meisten von ihm sind hier an Bord, und sind froh, daß sie ihr Futter haben – mancher von ihnen hat vorher betteln müssen. Der alte Pew, der seine Augen verloren hatte, der gab zwölfhundert Pfund in einem Jahr aus wie ein Lord im Parlament. Hätte sich was schämen sollen. Wo er jetzt ist? Nu, tot ist er und unter der Erde; aber die letzten zwei Jahre vor seinem Tode, Gottverdammich, da hat der Mann gehungert! Er bettelte und stahl und schnitt Kehlen ab – und bei alledem hat er gehungert, Gottverdammich!«
»Tscha, viel Gutes kommt schließlich nicht dabei heraus,« sagte der junge Matrose.
»Für Dummköpfe allerdings nicht, darauf kannst du dich verlassen – nicht bloß nicht viel, sondern gar nichts!« rief Silver. »Aber nun hör’ mal: jung bist du ja freilich, aber du, du bist helle wie ein Dreierlicht. Das sah ich, als ich dich zum erstenmal zu sehen kriegte, und darum will ich zu dir reden, wie zu ‘nem Mann!«
Man kann sich vorstellen, was ich dabei fühlte, als ich den fürchterlichen alten Schurken zu einem anderen genau dieselben schmeichelhaften Worte sagen hörte, mit denen er mich angeredet hatte. Ich glaube: wäre ich dazu imstande gewesen, ich hätte ihn auf der Stelle durch die Apfeltonne hindurch getötet. Mittlerweile sprach er weiter, ohne eine Ahnung zu haben, daß ein Mensch ihm zuhörte.
»Mit den Gentlemen des Glücks ist es so: sie haben ein hartes Leben und riskieren den Strick, aber sie essen und trinken wie Kampfhähne, und wenn eine Kreuzfahrt zu Ende ist, na, dann haben sie Hunderte von Pfunden Sterling in ihrer Tasche statt ein paar hundert Pfennigen. Na, das meiste geht für Rum drauf und lustiges Leben, und dann gehen sie wieder zu See und haben bloß das Hemd auf dem Leibe. Aber das ist nicht meine Art! Ich lege alles auf die Kante, ein bißchen hierhin, und ein bißchen dahin, und ja nicht zu viel auf eine Stelle, damit’s keinen Verdacht gibt. Ich habe meine fünfzig Jahr auf dem Buckel, verstehst du? Sobald ich von dieser Fahrt zurück bin, spiele ich den feinen Mann und bleibe einer. Ist auch höchste Zeit, meinst du. Ja ja – aber ich habe die ganze Zeit gut gelebt; habe mir niemals etwas abgehen lassen, was mein Herz begehrte, und habe alle meine Lebtage sanft geschlafen und lecker gegessen, außer wenn ich auf See war. Und wie fing ich an? Vor dem Mast – genau wie du!«
»Nu ja,« sagte der andere; »aber alle die andern haben doch jetzt kein Geld mehr, nicht wahr? Und wo ist dein Geld? Du darfst dich doch in Bristol nachher nicht mehr sehen lassen!«
»Puh! wo glaubst du wohl, wo mein Geld ist?« fragte Silver höhnisch.
»In Bristol, bei Banken und sonstwo,« antwortete sein Kamerad.
»Da war es,« sagte der Koch; »da war es, als wir den Anker lichteten. Aber jetzt hat meine alte Deern das ganze. Und das ›Fernrohr‹ ist verkauft – Wirtschaft und Ausrüstung und Kundschaft; und die alte Deern ist schon unterwegs