Wildfell Hall. Anne Bronte

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Wildfell Hall - Anne Bronte

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Ueberbleibsel von einem noch wilderen Zustande des Bodens, und in vielen Einfriedigungen hatten Sandbinsen und Quecken die Oberherrschaft über den spärlichen Graswuchs usurpiert — aber es war nicht mein Eigenthum.

      Fast auf der Spitze des Hügels und etwa eine Stunde von Linden-Car entfernt, stand Wilder Hall, ein aus dunkeln, grauen Steinen errichtetes invalides Gebäude aus der elisabethischen Zeit — ehrwürdig und malerisch zu betrachten, ohne Zweifel aber kalt und düster genug zu bewohnen, mit seinen dicken, steinernen Fensterstöcken und kleinen, runden Fensterscheiben, seinen vom Zahne der Zeit genagten Luftlöchern und seiner zu einsamen und zu ungeschützten Lage — vor dem Kampfe des Windes und Wetters nur durch eine Kieferngruppe beschirmt, die selbst von den Stürmen halb abgestorben war und eben so düster und finster aussah, wie die Halle selbst.

      Hinter dem Hause lagen einige nackte Felder und dann kam der braune, mit Haidekraut bekleidete Gipfel des Hügels. Vor ihm — von steinernen Mauern umgeben und durch ein eisernes Gitterthor, dessen Seitenmauern mit großen, grauen Granitkugeln versehen waren, wie sie das Dach und die Giebel zierten, zugänglich — war ein Garten, einst mir kräftigen Pflanzen und Blumen, wie sie dem Boden und Klima am besten entsprachen, und Bäumen, wie sie die Scheeren des Gärtners am besten aushalten und am leichtesten die Formen, welche er ihnen zu geben beliebte, annehmen konnte, besetzt — der aber, nach dem er so viele Jahre ungegraben und unbeschnitten dem Unkraut und Grase, Frost und Wind, dem Regen und der Dürre überlassen geblieben war, ein wahrhaft eigenthümliches Aussehen besaß.

      Die dichten, grünen, spanischen Holländerwände, welche den Hauptgang begrenzt hatten, waren zu zwei Dritteln verdorrt und das Uebrige über alle vernünftigen Grenzen bin ausgewuchert. Der alte Buchsbaumschwan, welcher neben dem Abtrete-Eisen saß, hatte den Hals und die Hälfte seines Körpers verloren, die Lorbeerthürme in der Mitte des Gartens, der gigantische Krieger, welcher auf der einen Seite des Eingangs stand und der die andere bewachende Löwe waren in so phantastische Gestalten ausgesproßt, daß sie keinem Dinge im Himmel und auf Erden, noch in den Gewässern und unter der Erde glichen, boten aber meiner jungen Phantasie alle ein koboldisches Aussehen, das vor trefflich mit den gespenstischen Legionen und dunkeln Sagen harmonierte, welche uns unsre alte Amme über die Spukhalle und ihre geschiedenen Bewohner erzählt hatte.

      Es war mir gelungen, einen Falken und zwei Krähen zu erlegen, als ich das Gebäude erblickte, worauf ich meinen weiteren Beutezug aufgab und darauf zuschlenderte, um das alte Haus zu betrachten, und zu sehen, welche Veränderungen die neue Bewohnerin darin hervorgebracht habe.

      Ich wollte nicht gerade nach der Vorderseite gehen und zur Thür,hereingaffen, sondern verweilte an der Gartenmauer und betrachtete mir es, sah aber keine Veränderung — mit Ausnahme des einen Flügels, wo die zerbrochenen Fenster und das verfallene Dach offenbar ausgebessert worden waren und eine dünne Rauchsäule aus dem Kamine in die Höhe kräuselte.

      Während ich so, auf meine Flinte gelehnt und nach den dunkeln Giebeln aufblickend, in müßige Träumereien versunken dastand, und einen Schleier von capritiösen Phantasien wehte, in denen alte Erinnerungen und die schöne, junge Einsiedlerin, welche sich jetzt innerhalb dieser Mauern befand, fast gleichen Antheil hatten, hörte ich ein leichtes Knacken und Knistern im Garten und erblickte, als ich nach der Gegend, aus welcher der Laut herkam, sah, eine kleine sich über der Mauer erhebende Hand; sie hielt sich an dem obersten Stein fest und dann erhob sich eine zweite kleine Hand, um sich fester anzuhalten und dann erschien eine kleine weiße Stirn von hellbraunen Locken umgeben, ein paar dunkelblaue Augen darunter und der obere Theil einer winzig-kleinem elfenbeinweißen Nase.

      Die Augen bemerkten mich nicht, sondern funkelten hocherfreut, als sie Sancho, meinen schönen schwarz und weißen Hühnerhund,.erblickte, der mit der Nase auf dem Boden im Felde herumsprang. Das kleine Geschöpf erhob sein Gesicht und rief dem Hunde laut zu. Das gutmüthige Thier blieb stehen, schaute auf und wedelte mit dem Schwanze, kam aber nicht näher. Das Kind — ein kleiner, etwa fünfjähriger Knabe — kletterte auf die Höhe der Mauer und rief wieder und wieder, schien sich aber, da er fand, daß es nichts nutzte, zu entschließen, wie Mahomed zum Berge zu gehen, da der Berg nicht zu ihm kommen wollte und versuchte herüberzuklettern; aber ein knorriger, alter Kirschbaum, der dicht daneben wuchs, hielt sein Kleidchen in einem der krummverschlungenen Aeste, die sich . über die Mauern hinstreckten, fest.

      Er versuchte, sich loszumachen, sein Fuß glitt ab — aber nicht bis zur Erde — der Baum hielt ihn in der Luft fest. Es fand ein stiller Kampf statt und darauf ertönte ein durchdringender Schrei — augenblicklich aber hatte ich meine Flinte in das Gras geworfen und den kleinen Burschen in meinen Armen aufgefangen

      Ich wischte seine Augen mit seinem Kleidchen, sagte ihm, daß er ganz wohlbehalten sei und rief Sancho, um ihn zu beruhigen. Er legte eben seine kleine Hand auf den Hals des Hundes und begann durch seine Thränen zu lächeln, als ich hinter mir das Knarren des eisernen Thores und ein Rauschen von weiblichen Gewändern hörte, und siehe da, Mrs. Graham mit unbedecktem Halse und im Winde wehenden schwarzen Locken schoß auf mich zu.

      »Geben Sie n«r das Kind.«

      Sie sagte dies mit einer Stimme, die kaum lauter, als ein Flüstern war, aber mit furchtbarer Heftigkeit, ergriff den Knaben, riß ihn von mir fort, als ob meine Berührung verpestend wäre, und stand dann, mit der einen Hand fest die seinige fassend, die andere auf seine Schulter gelegt, und ihre großen, lichtvollen Augen auf mich heftend, bleich, athemlos und vor Aufregung bebend da.

      »Ich habe dem Kinde nichts zu Leide gethan,« sagte ich, kaum wissend, ob ich mehr erstaunt, oder unwillig sein sollte. »Er stürzte dort von der Mauer herab und ich war so glücklich, ihn aufzufangen, während er köpflings von jenem Baume herabhing, und wer weiß, welche Katastrophe zu verhindern.«

      »Ich bitte um Verzeihung, Sir,« stammelte sie, sich plötzlich beruhigend — das Licht der Vernunft schien in ihren bewölkten Geist zu brechen und ein leichtes Erröthen bedeckte ihre Wangen. Ich kannte Sie nicht, und ich dachte —«

      Sie hielt inne, um das Kind zu küssen, und schlang zärtlich ihren Arm um dessen Hals.

      »Sie dachten wahrscheinlich, daß ich im Sinne habe, Ihren Sohn zu stehlen.«

      Sie streichelte seinen Kopf mit halbverlegenem Lachen und antwortete:

      »Ich wußte nicht, daß er die Mauern zu erklettern versucht hatte. — Ich glaube das Vergnügen zu haben, mit Mr. Markham zu sprechen,« fügte sie etwas abrupt hinzu.

      Ich verbeugte mich, erlaubte mir aber, zu fragen, woher sie mich kenne.

      »Ihre Schwester hat mich vor einigen Tagen mit Mrs. Markham besucht.«

      »Ist die Aehnlichkeit denn so auffallend,« fragte ich etwas erstaunt und von der Idee nicht so schmeichelhaft berührt, wie ich wohl hätte sein sollen.

      »Ich glaube, einige Aehnlichkeit um die Augen und in der Gesichtsfarbe zu finden,« antwortete sie, indem sie mein Gesicht etwas zweifelhaft überschaute — »«und ich glaube sie am Sonntags in der Kirche gesehen zu haben.«

      Ich lächelte. — In diesem Lächeln oder in den Erinnerungen, welche es erweckte, mußte etwas für sie ganz besonders Unangenehmes liegen, denn sie nahm plötzlich wieder das stolze, eisige Gesicht an, welches meine verderbte Natur in der Kirche so unaussprechlich aufgeregt hatte.

      Ein Aussehen zurückstoßender Verachtung, das so leicht und ohne die mindeste Entstellung eines einzigen Zuges angenommen wurde, daß es, so lange es sich dort befand., der natürliche Ausdruck des Gesichtes zu sein schien, und mir um so ärgerlicher war, als ich es nicht für affektiert halten konnte.

      »Guten Morgen, Mr. Markham,« sagte sie und zog sich, ohne weiter ein Wort oder einen

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