Der Nachsommer. Adalbert Stifter
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„Je mehr es mir wichtig erscheint, wie Ihr mit Euren Rosen umgeht“, antwortete ich, „und für je wichtiger Ihr sie selbst betrachtet, desto mehr muß ich doch die Frage tun, warum Ihr denn gerade vorzugsweise an dieser Wand Eures Hauses die Rosen zieht, wo ihr Standort doch nicht so ersprießlich ist und wo man solche Anstalten machen muß, um ihr völliges Gedeihen zu sichern. Es ist zwar sehr schön, wie sie sich hier ausbreiten und darstellen; aber sollte man sie denn im Garten nicht auch in Stellungen und Gruppen bringen können, die ebenso schön oder schöner wären als diese hier und noch den Vorteil hätten, daß ihre Pflege viel leichter wäre.“
„Ich habe die Rosen an die Wand des Hauses gesetzt“, erwiderte er, „weil sich eine Jugenderinnerung an diese Blume knüpft und mir die Art, sie so zu ziehen, lieb macht. Ich glaube, daß mir einzig darum die Rose so schön erscheint, und daß ich darum die große Mühe für diese Art ihrer Pflege verwende.“
„Ihr habt nichts von Ungeziefer gesagt“, entgegnete ich. „Nun weiß ich aber aus Erfahrung, daß kaum eine Pflanzengattung, etwa die Pappel ausgenommen, so gerne von Ungeziefer heimgesucht wird als die Rose, die in verschiedenen Arten und Geschlechtern von demselben bewohnt und entstellt wird. Hier sehe ich von dieser Plage gar nichts, als wäre sie nicht vorhanden oder als würde die Rose von ihr durch irgendein künstliches Mittel befreit. Ihr werdet doch nicht, so wie jedes kranke Blatt, auch jeden Blattwickler, jede Spinne, jede Blattlaus abnehmen lassen. Aber dieses bringt mich sogar noch auf einen weiteren Umstand, über den ich mir eine Frage an Euch zu tun vorgenommen habe, welche ich gewiß noch vor meiner Abreise bei einer schicklichen Gelegenheit getan hätte, welche ich mir aber jetzt erlaube, da Ihr mit solcher Güte und Bereitwilligkeit mir die Einsicht in die Dinge dieses Landsitzes gestattet habt. Bei meiner Wanderung durch das flache Land hatte ich mehrfach Gelegenheit zu bemerken, daß Obstbäume häufig kahle Äste haben, oder daß überhaupt das Laub zerstört oder verunstaltet war, was von Raupenfraß herrührte. Mir fiel die Sache nicht weiter auf, da ich sie von Jugend an zu sehen gewohnt war, und da sie sich nicht in einem ungewöhnlichen Grade zeigte; aber das fiel mir auf, daß so wie an diesen Rosen auch in Eurem ganzen Garten nichts von dem Übel zu sehen ist, kein dürres Reis, kein kahles Zweiglein, kein Stengel eines abgefressenen Blattes, ja nicht einmal ein verletztes Blatt des Kohles, dem doch sonst der Weißling so gerne Schaden tut. Im Angesichte dieses Wohlbefindens kamen mir die Zerstörungen wieder zu Sinne, die ich in dem Lande gesehen hatte, und ich beschloß, in dieser Hinsicht eine Frage an Euch zu tun, ob Ihr denn da eigentümliche Vorkehrungen habt; denn das Ablesen der Raupen und Insekten hat sich ja überall als unzulänglich gezeigt.“
„Wir würden allerdings durch Ablesen des Ungeziefers weder unsere Rosen, noch die Bäume und Gesträuche im Garten vor Verunglimpfung freihalten können“, antwortete er. „Wir haben nun in der Tat andere Einrichtungen dagegen. Ich muß Euch sagen, daß es mich freut, daß Ihr in meinem Garten die Abwesenheit des Raupenfraßes bemerkt habt, und ich werde Euch recht gerne darüber Aufklärung geben, und besonders darum, daß es sich auch ausbreiten könne. Die Beantwortunig Eurer Frage kann aber am besten in dem Garten geschehen, weil ich Euch zur Bekräftigung gleich manche Vorrichtungen zeigen und die Beweise dartun kann. Wenn es Euch genehm ist, so gehen wir in den Garten, in welchem auch eine kleine Ruhe auf irgendeinem Bänkchen nach dem Gange von dem Meierhofe herauf nicht unangenehm sein wird.“
„Einen Augenblick laßt mich noch diese Rosen betrachten“, sagte ich.
„Tut nach Eurem Gefallen“, antwortete er.
Ich trat zuerst näher an das Gitter, um einzelnes zu betrachten. Ich sah nun wirklieh die reinliche Erde, in welcher die Stämmchen standen und die nicht von einem einzigen Gräschen bewachsen war. Ich sah das gutbestrichene Holzgitter, an welchem die Bäumchen angebunden und an welchem ihre Zweige ausgebreitet waren, daß sich keine leere Stelle an der Wand des Hauses zeigte. An jedem Stämmchen hing der Name der Blume auf Papier geschrieben und in einer gläsernen Hülse hernieder. Diese gläsernen Hülsen waren gegen den Regen geschützt, indem sie oben geschlossen, unten umgestülpt und mit einer kleinen Abflußrinne versehen waren. Nach dieser Betrachtung in der Nähe trat ich wieder zurück und besah noch einmal die ganze Wand der Blumen durch mehrere Augenblicke. Nachdem ich dieses getan hatte, sagte ich, daß wir jetzt in den Garten gehen könnten.
Wir näherten uns dem Torgitter, der alte Mann tat einen Druck wie gestern, da er mich eingelassen hatte, das Tor öffnete sich, und wir gingen in den Garten. Dort näherten wir uns einer Bank, die in angenehmem nachmittägigem Schatten stand. Als wir uns auf ihr niedergesetzt hatten, sagte mein Gastfreund: „Unsere Mittel, die Bäume, Gesträuche und kleineren Pflanzen vor Kahlheit zu bewahren, sind so einfach und in der Natur gegründet, daß es eine Schande wäre sie aufzuzählen, wenn es andererseits nicht auch wahr wäre, daß sie nicht überall angewendet werden, besonders das letzte. Was nun das Kahlwerden, von Bäumen und Ästen anlangt, so entsteht es nicht immer durch Raupen, sondern oft auch auf andern Wegen nach und nach. Gegen ein endliches Sterben und also Entlaubtwerden des ganzen Baumes gibt es so wenig ein Mittel als gegen den Tod des Menschen; aber so weit darf man es bei einem Baume im Garten nicht kommen lassen, daß er tot in demselben dasteht; sondern wenn man ihm durch Zurückschneiden seiner Äste öfter Verjüngungskräfte gegeben hat, wenn aber nach und nach dieses Mittel anfängt, seine Wirkung nicht mehr zu bewähren, so tut man dem Baume und dem Garten eine Wohltat, wenn man beide trennt. Ein solcher Baum steht also in einem nur einigermaßen gut besorgten Garten oder auf anderem Grunde gar nicht. Damit aber auch nicht Teile eines Baumes kahl dastehen, haben mir mehrere Mittel. Sie bestehen aber darin, dem Baume zu geben, was ihm not tut, und zu nehmen, was ihm schadet. Darum gilt als Oberstes, daß man nie einen Baum an eine Stelle setze, auf der er nicht leben kann. Auf Stellen, die Bäumen überhaupt das Leben versagen, setzt wohl kein vernünftiger Mensch einen. Aber es gibt auch Stellen, die nur darum nicht taugen, weil sie nicht bearbeitet sind, oder weil ihnen etwas mangelt, was einem bestimmten Gewächse notwendig ist. Um nun die Stelle gut zu bearbeiten, haben, wir, ehe wir einen Baum setzten, eine so tiefe Grube gegraben und mit gelockerter Erde gefüllt, daß der Baum bedeutend alt werden konnte, ehe er genötigt war,