Michael Endes Philosophie. Alexander Oberleitner

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Michael Endes Philosophie - Alexander Oberleitner Blaue Reihe

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in ihrer Gesamtheit dazu an, gleichsam einen Blick hinter die Kulissen zu werfen; ja, sie verleiten den Leser geradezu, poetische Bilder nicht etwa für sich stehen zu lassen, sondern nach zugrundeliegenden Ideen und Konzeptionen zu fragen. Die Art und Weise dieses Fragens kann, je nach dem Interesse des Lesers, ganz verschieden sein – so mag der Psychologe oder Sozialwissenschaftler einen völlig anderen Zugang zum Denken Endes finden als der Philosoph. Daß aber der Grundcharakter des Endeschen Werkes, den Leser zum Mit- und Nachdenken anzuregen, nicht etwa bloß im Auge des Betrachters, sondern in der Intention des Autors liegt, erläutert Ende selbst z. B. in Die Archäologie der Dunkelheit, wo es heißt:

      Im Großen und Ganzen verharrt der jetzige Leser in einer konsumtiven Haltung. Während es mir gerade darum zu tun ist, Bildergeschichten zu finden, […] die den Leser eintreten lassen, um ihn zum Mitwirkenden zu machen. (AD 52 f.)

      Können wir nicht dieselbe aktive Rolle, die Ende hier dem Leser seiner Werke zuweist, für uns in Anspruch nehmen, wenn wir auf wissenschaftliche Weise nach seinem Denken forschen? Zu diesem Zweck wollen wir zuallererst die bisher vorliegende Literatur zu unserem Thema in den Blick nehmen.

       2.Auswahl bisher vorliegender Veröffentlichungen zum Forschungsbereich

      Die Michael-Ende-Forschung, schon zu Lebzeiten des Autors ein weites Feld, hat nach seinem Tod 1995 noch an Bedeutung zugenommen und ist mittlerweile kaum mehr zu überblicken. Indes geht die überwiegende Mehrzahl jener Untersuchungen, die ein Mindestmaß an Seriosität aufweisen,16 von primär literaturwissenschaftlichen Fragestellungen aus, welche für die vorliegende Arbeit unter Umständen hilfreich, aber letztlich nur von marginalem Interesse sein können. Hierzu sei exemplarisch Claudia Ludwigs Dissertation »›Was du ererbt von deinen Vätern hast …‹ Michael Endes Phantásien-Symbolik und literarische Quellen« (Frankfurt 1997) genannt. Obwohl darin den Einflüssen v. a. fernöstlicher Philosophie auf Endes Werk großer Platz eingeräumt wird, ist es doch nicht die Intention der Autorin, die Verarbeitung dieser Einflüsse durch Ende kritisch zu durchleuchten oder gar nach einer »Philosophie« Endes zu fragen.

      Des weiteren gibt es eine Reihe von Arbeiten über Ende, die im Grenzbereich zwischen Literaturwissenschaft und Soziologie anzusiedeln sind, so etwa die Diplomarbeit der Germanistin Eva-Maria Kowatsch, »Zivilisationskritik in Michael Endes Werken ›Die unendliche Geschichte‹ und ›Momo‹« (Wien 1995). Thematisch kommt diese Untersuchung der vorliegenden vielleicht noch am nächsten, ohne aber nach den philosophischen Grundlagen jener »Zivilisationskritik« zu fragen – was freilich auch nicht ihre Aufgabe sein kann. Dennoch nimmt es wunder, wie konsequent Kowatsch die Tatsache ignoriert, daß es sich bei Ende fast ausschließlich um Kapitalismuskritik handelt. Dies bleibt im Rahmen dieses Abschnitts noch zu erörtern.

      Eine andere Art von Sekundärliteratur zu Endes Werk bewegt sich zwischen Literaturwissenschaft und Psychologie, wie z. B. Christian von Wernsdorffs »Bilder gegen das Nichts. Zur Wiederkehr der Romantik bei Michael Ende und Peter Handke« (Neuss 1983). Von Wernsdorff versucht u. a., die Verankerung von Endes Bilderwelt in den Grunderfahrungen der menschlichen Psyche aufzuweisen, ein Ansatz, der sich für die geplante Arbeit als nicht unfruchtbar erweisen mag, der aber einer philosophischen Fragestellung natürlich nicht genügt.

      Sucht man hingegen nach dezidiert philosophischen Herangehensweisen an Endes literarisches Schaffen, so wird man noch am ehesten bei jenen Autoren fündig, die sich mit dem bereits erwähnten Konnex zwischen Endes Romanen und fernöstlichen Philosophien wie dem Buddhismus oder Daoismus beschäftigen. Vor allem Sôiku Shigematsus »Momo erzählt Zen« (Berlin 1991) ist hier zu nennen. Indes bleibt Shigematsus Buch, bei all seiner Kenntnis von Endes Werk, doch in erster Linie eine Einführung in den Zen-Buddhismus, dessen Grundlagen anhand ausgewählter Zitate aus »Momo« erläutert werden – ganz ähnlich jenem anderen Werk Shigematsus,17 welches Saint-Exupérys »Der kleine Prinz« zum selben Zweck heranzieht. Ein tieferes Eindringen in die Gedankenwelten Endes findet also nicht statt und ist vom Autor auch gar nicht intendiert.18

      Diese kurze Zusammenschau mag genügen, um Tilman Schröder zwar nicht grammatikalisch, wohl aber inhaltlich zuzustimmen, wenn er meint: »Eine […] umfassende Würdigung vom Denken Michael Endes steht noch aus.«19 Nicht weniger als eine solche – kritische – Würdigung soll die vorliegende Untersuchung leisten.

       3.Methodik und Zielsetzung

      Wenn wir, wie im Falle Endes, einem Autor gegenüberstehen, dessen philosophische Einflüsse und Quellen wir recht genau kennen (s. o.), so ist die Verlockung nicht gering, sein Denken aus ebendiesen Quellen herzuleiten. Eine Untersuchung wie die vorliegende könnte dann z. B. diesem Rezept folgen: Anthroposophie vermengt mit Zen-Buddhismus, dazu ein kräftiger Schuß Nietzsche und eine Prise Marx – fertig wäre das »Endesche Denken«, welches der findige Interpret, gestützt auf jeweils passende Zitate, wohl ohne größere Schwierigkeiten in seinem Werk aufzuspüren vermöchte. Allein: Was würde dies mehr bedeuten als eine (weitere) literaturwissenschaftliche »Nacherzählung« dieses Werkes inklusive eines Aufweises seiner philosophischen bzw. weltanschaulichen Quellen? Eine Untersuchung, die das eigenständige philosophische Denken Endes zum Thema hat, muß andere Wege einschlagen. Es soll deshalb versucht werden, dieses Denken grundsätzlich und primär aus dem Werk heraus zu erschließen, wobei es die sattsam bekannten philosophischen Quellen Endes methodisch vorläufig auszublenden gilt. Nur so besteht berechtigte Hoffnung, daß sich uns das Denken Michael Endes letztlich als ein Ganzes zeigt, das mehr bzw. anderes ist als die bloße Summe verschiedenster »Einflüsse«.

      Andererseits wäre es natürlich mehr als absurd, würde die vorliegende Arbeit zweieinhalb Jahrtausende Philosophiegeschichte ignorieren – etwa indem wir uns mit Endes Kapitalismuskritik in einer Weise beschäftigen, als habe es weder Marx noch den Marxismus jemals gegeben. Wenn aber im Laufe dieser Untersuchung verschiedene Denker bzw. philosophische Traditionen auf das Endesche Denken bezogen werden, so soll dies in erster Linie dazu dienen, das Eigene in diesem Denken um so deutlicher herauszustellen. Wir wollen also z. B. nicht primär fragen, welche Elemente in Endes Kapitalismuskritik sich letztlich Marx verdanken, sondern im Gegenteil: Was macht Endes Denken in diesem Punkt einzigartig? Wodurch zeichnet es sich hier aus, wenn wir es etwa – naheliegenderweise – mit dem Marxschen vergleichen? Es liegt – wie schon das Beispiel zeigt – in der Natur der Sache, daß wir bei einem solchen vergleichenden Nachschreiten der Gedankenwege Endes mit hoher Wahrscheinlichkeit auf jene Denker treffen werden, mit denen sich der Autor selbst intensiv auseinandergesetzt hat. Hier erst ist also der methodische Ort, um die philosophischen Quellen Endes in den Blick zu nehmen – freilich nicht um ihrer selbst willen, sondern nur in dem Maße, wie dies inhaltlich gerechtfertigt erscheint.

      Was soll mit dieser Vorgehensweise letztlich erreicht werden? Können wir tatsächlich hoffen, jenes »philosophische System Endes«, von dem etwa Friedhelm Mosers Büchlein in scherzhafter Weise spricht,20 freizulegen? Wohl kaum; in einem nachgelassenen Manuskript Endes heißt es deutlich genug:

      Ich habe kein philosophisches System, das mir auf jede Frage eine Antwort bereithält, keine Weltanschauung, die fertig ist – ich bin immer unterwegs. Es gibt zwar einige Konstanten, die sozusagen im Zentrum stehen, aber nach den Rändern hin ist alles offen […]. (NG 304 f.)

      Ob es wirklich, wie Ende hier impliziert, die Aufgabe eines philosophischen Systems sein kann, »auf jede Frage eine Antwort« bereitzuhalten, sei hier offengelassen. Evident ist jedenfalls, daß die vorliegende Arbeit der Versuchung, das Denken Endes in das Korsett eines solchen Systems zu zwängen, tunlichst widerstehen sollte. Genauso unangebracht wäre es natürlich andererseits, dieses Denken durch Analyse des Werkes als unsystematisch

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