Bodies. Im Kampf mit dem Körper. Susie Orbach
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Bodies
Im Kampf mit dem Körper
Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann
Für Luke, Lianna, Lilli, Judah, Lahn, Lila, Max und Myla
Ein verlässlicher Ort
Vorwort von Margarete Stokowski
Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass dieses Buch von allen Menschen gelesen werden sollte, die ab und zu mit Mädchen oder Frauen zu tun haben. Oder selbst welche sind. Also: von allen. Auf den ersten Blick mag es ein Buch sein, das von oberflächlichen Dingen wie Schönheitsnormen und Fotos in sozialen Netzwerken handelt. Tatsächlich aber geht Susie Orbachs Untersuchung viel tiefer. Sie zeigt, wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, den Körper als etwas Formbares zu betrachten, das unsere Persönlichkeit ausdrücken soll. Dabei erklärt sie nicht nur die psychologische Wirkung der Körperbilder, mit denen wir im Alltag konfrontiert sind, sondern auch, welche Rolle der kapitalistische Aufruf zur ständigen Selbstoptimierung spielt und wie tief sich die misogynen Abwertungsmechanismen des Patriarchats in unser Denken eingegraben haben.
Die Idee ist dabei aber nicht zu zeigen: Schaut mal, wie schwach ihr alle seid und wie sehr ihr euch von den Medien und der Schönheitsindustrie manipulieren lasst. Sondern: Wer selbstbestimmt leben und sowohl sich selbst als auch anderen Menschen gegenüber fair sein will, muss wissen, woher unsere Impulse kommen, uns zu vergleichen, zu präsentieren oder zu schämen.
Damit ist Bodies auch ein Buch, das die feministische Idee, »das Private ist politisch«, sehr ernst nimmt: Es reicht nicht, wenn einzelne Frauen stark genug sind, gesellschaftlichen Vorstellungen nicht zu entsprechen. Denn kollektive Probleme lassen sich nicht lösen, indem ein paar Leute sich Mühe geben, sich nicht von den geltenden Regeln beeindrucken zu lassen. Vorbilder können wichtig sein, ersetzen aber keine Ideologiekritik, die zeigt, was am System falsch läuft.
Es ist diese Verknüpfung von persönlicher und gesellschaftlicher Ebene, die Susie Orbachs Arbeit von so riesigem Wert für die feministische Bewegung macht. Einerseits zeigt sie sehr genau und nie auf verurteilende Art, wie Menschen ihre Körper behandeln und bewerten und wie viel Leid dabei entstehen kann. Andererseits bleibt sie aber nicht auf dieser Ebene individuellen Verstehens, sondern sagt auch deutlich, wo Dinge komplett aus dem Ruder laufen. In einem Interview erklärte sie mal, wenn ein Kaiserschnitt im OP-Paket mit einer Bauchstraffung angeboten werde, sei das »einfach nur pervers«.
Es wäre leicht, als Lösung dieser Probleme so etwas wie eine »neue Natürlichkeit« zu fordern, aber diesen Fehler macht Orbach nicht, denn sie weiß: Es gibt keinen natürlichen Körper. Was sollte das für einer sein? Schon Zähneputzen ist eine kulturelle Technik, und niemand hat ein Interesse daran, dass Menschen damit aufhören.
Es kann Menschen glücklich machen, sich zu schminken oder sich die Haare zu färben, und nichts daran ist falsch. Gefährlich ist es erst, wenn die Beschäftigung mit dem Körper so obsessiv wird, dass sie in Körperhass und Gefühle der Minderwertigkeit mündet oder immer neue Operationen hermüssen, weil das eigene Bild nie gut genug scheint.
Zum Thema Operationen kann man anmerken, dass Susie Orbach Teil einer Generation von Feministinnen ist, von denen sich leider viele schwertun, trans Frauen als Frauen anzuerkennen. Ich würde Orbach hier in den Bereich derer zählen, die dazugelernt haben. Sie beschreibt einerseits die Probleme, die sie zu Beginn ihrer Arbeit als Therapeutin hatte, mit Geschlechts-OPs umzugehen, erkennt aber inzwischen an, dass diese für manche trans Frauen die einzige Möglichkeit darstellen, sich in ihrem Körper zuhause zu fühlen, und dass es Menschen gibt, die sich weder als weiblich noch als männlich kategorisieren lassen und als solche respektiert werden sollten.
Die Grundidee von Orbach gilt, auch wenn sie viel über Frauen schreibt, sowieso für Menschen jeden Geschlechts: Da wir unseren Körper nun mal nicht ignorieren können, müssen wir einen Weg finden, ihn »zu einem verlässlichen Ort zu machen, von dem aus wir leben können«.
August 2020
Einleitung
Unser Körper ist Gegenstand eines Krieges. Es ist ein Krieg mit unerwarteten Kontrahent*innen und ungewissem Ausgang. Wie in jedem Krieg fallen Ressourcen mal dieser, mal jener Seite in die Hände. Wie in jedem Krieg hüllen die ins Feld geführten Ideologien die Gegner*innen und den Schauplatz in den Nebel des Ungefähren: Manchmal erkennen wir, dass etwas unseren Blick verstellt, ein andermal ist es Teil unseres Normalzustandes, wie die Schwerkraft, unsichtbar, aber unentrinnbar.
Das Terrain des Körpers verändert sich. Neue Entwicklungen und Erkenntnisse – #MeToo, Künstliche Intelligenz, Epigenetik, die Trans-Bewegung, das Einfrieren von Eizellen, Schönheits-OP-Apps für Sechsjährige, Selfies, Snapchat-Dysmorphie, die Kardashians, das Spiegelneuronensystem, Influencer*innen, Black Lives Matter, Vergewaltigung als Kriegswaffe, Politik aus dem Bauch heraus, Leihmutterschaft, Implantate, Sexpuppen – erfordern neues Denken. Zwei Trends stoßen aufeinander: die Schwierigkeit, in unserem derzeitigen Körper mit seinen vielen Dilemmata zu leben, und die Verheißung einer problemlosen, nahezu körperlosen Existenz in einer Zukunft, die durch Algorithmen, KI-Chemie und synthetische Biologie bestimmt ist.[1] Und dann ist da noch die Dystopie, die die New York Times kürzlich in einem Editorial entworfen hat: die Wahrscheinlichkeit, dass ein konservativer Supreme Court die Rechte des Fötus über die der Mutter stellt. Jetzt, da einige Bundesstaaten mit ihrem Abtreibungsverbot diese Rechte umgewichtet haben, so argumentierte der Artikel, könnten womöglich auch Trinken und Rauchen während der Schwangerschaft strafrechtlich verfolgt werden. Eine Frau, die sich einer Brustkrebsoperation unterziehen musste, erfuhr beispielsweise, dass ihr, wäre sie schwanger, die Krebsbehandlung verweigert würde, da die Rechte des Fötus Vorrang hätten.[2]
Unseren Körper als einen biologischen Organismus mit entsprechenden Beschränkungen zu begreifen, ist nicht mehr hinreichend. Der Spätkapitalismus verändert Arbeitsbedingungen und Wesen der Arbeit, verändert Klima und Umwelt, die Konzepte von Regieren und Governance sowie die Definition derer, die dazugehören dürfen, und derer, die als »andere« gesehen werden und außen vor gehalten werden müssen. Soziale Medien bestimmen neu, was Interaktion heißt und was es bedeutet, gesehen und gehört zu werden. In solchen Zeiten wird auch der Körper zum Austragungsort von Kämpfen. Ihm werden ganz neue Formen der Selbstpräsentation und Identität abgerungen, während man uns gleichzeitig auf eine entmaterialisierte Existenz hin coacht, bei der fast alles, was wir unter Leben verstehen – Essen, Atmen, Bewegung, Fühlen, Beziehungen – im Geist stattfinden wird und nicht im physischen, irdischen Körper.
In Südkorea ist das Abtragen des Unterkieferknochens zur Erschaffung eines zierlichen Kinns eine so häufige Schönheitsoperation, dass bereits Kunstwerke ausgestellt werden, die aus dem entfernten Knochenmaterial bestehen. Noch beliebter sind Kontaktlinsen, die die Pupille so vergrößern, dass die Trägerin wie eine Puppe mit riesigen blauen, grauen, violetten, grünen, braunen, türkisen oder schwarzen Augen wirkt. YouTube-Star Anastasiya Shpagina aus Odessa, deren Make-up-Tutorial, wie sie sich als Miley Cyrus schminkt, 5 Millionen Mal aufgerufen wurde, und Kandee Johnson aus Los Angeles, deren Verwandlung in Barbie es auf 35 Millionen Aufrufe bringt, zeigen minutiös, wie man sich das Aussehen nahezu jeder prominenten Person zulegen kann, indem man Kosmetika, Filler und Hairstyling-Techniken so kompetent und raffiniert einsetzt wie die besten Maskenbildner*innen Hollywoods. Jede*r, so scheint es, kann wie jede*r aussehen. Auch wie Barbie oder Ken. Tatsächlich hat Justin Jedlica, ein Instagrammer, 125 Eingriffe auf sich genommen und 185000 Dollar ausgegeben, um wie Ken auszusehen; er ließ seinen Oberkörper, sein Gesicht, seine Oberarmmuskeln und seinen Haaransatz operieren. Sein Video haben über 16 Millionen Menschen gesehen. In China ist Beauty-Blogging ein Riesengeschäft. Eine spezielle Handy-App von Meitu ermöglicht