MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon Matthew Corbett

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Ihr solltet jemanden zum Mortimer-Haus schicken. Lord Mortimer ist letzte Nacht verstorben, deshalb werdet Ihr dort gebraucht. Aber …« Sein Mund war so trocken, dass er kaum sprechen konnte. »Aber bittet Jesper Oberley herzukommen und sich diese … äußerst tapfere junge Frau anzusehen. Dieses … äußerst edle … Wesen«, sagte er, als könnte Barrington es begreifen. »Er kennt sie vielleicht.«

      »Dann werdet Ihr sie Euch also nicht ansehen?«

      »Nein«, sagte Matthew. »Werde ich nicht. Könntet Ihr sie ein wenig zur Seite schaffen – ganz vorsichtig, bitte –, damit wir vorbeifahren können?«

      »Wie Ihr wünscht«, antwortete der Vikar. »Dann gehabt Euch wohl.«

      »Lebt wohl«, sagte Matthew. Er sank auf seinen Sitz zurück und schloss die Tür. Er saß stocksteif da und starrte die gegenüberliegende Kutschwand an, bis er die Räder rollen fühlte und sie weiterfuhren, und es dauerte lange, bis er sich entspannte, seinen Dreispitz abnahm und sich die Stirn wischte.

      Ihm schien, dass … wenn man denn an Derartiges glaubte, was er nicht tat … der Tod zwei Seelen aus dem Kerker ihrer Qualen erlöst hatte. Dass er in die eine hineingeschlüpft und ihren Anschein angenommen hatte – und wie ließ sich sagen, welcher Teil davon der Tod war und welcher Teil Christina Mortimer?

      Wenn man an Derartiges glaubte. Was er nicht tat.

      Aber ihm schien, dass der Tod an diesem Tag ein wohlmeinender Schatten gewesen war. Es gab Unfälle auf dieser Welt und es gab Krankheiten. Es gab Dinge, die kein Vater ungeschehen machen und die keine Tochter vergessen konnte. Und doch … war ein gewisser Frieden angeboten und angenommen worden, und vielleicht war das alles, was man erwarten konnte. Und für das allein musste man dankbar sein.

      Wenn man an Derartiges glaubte.

      Matthew schob den schwarzen Vorhang auf. Die Sonne war durch die milchweißen Wolken gebrochen. Der Himmel wurde wieder blau. Die Welt taute auf, wie sie es irgendwann nach jedem Eissturm tat.

      Er lehnte sich auf seinem Sitz zurück und beschloss, Hudson Greathouse zu sagen, dass es sich tatsächlich um eine unwichtige Angelegenheit gehandelt hatte. Besser das, als den großen Mann denken zu lassen, dass er an solche Dinge wie den Tod glaubte, der einem reichen Mann in Menschengestalt erschien.

      »Nein«, sagte er zu sich selbst. Aber er wusste, dass im Trot Then Gallop ein Tisch und ein Humpen Bier nach ihm riefen, auf dass er mit den Geistern der Stille und dem Reich des Unbekannten, dem er unbedarft wie ein Kind gegenüberstand, lange Einkehr halten konnte. Die Kutsche ratterte weiter, zermalmte nasses Eis unter ihren Rädern. Manchmal so verwirrt und verunsichert wie jeder andere Mensch auf diesem Karussell namens Erde, aber oft doch der beste Mann für die Aufgabe, befand sich der Problemlöser auf dem Weg nach Hause.

      Kapitel 1

      Der Krebs, der in der flüssigen Dunkelheit zwischen Steinen umherhuschte, kannte die Welt außerhalb seines Panzers nicht. Woher kam er? Auf welche Zukunft kämpfte er sich zu? Er wusste es nicht. Er kostete von den kalten Strömungen und schmeckte in ihnen die Essenz zu fressenden Fleisches. Und so änderte er seinen Kurs auf diese Verlockung hin ab und kämpfte sich langsam durch den Schlick auf seine Beute zu.

      Über noch mehr Felsen, in Spalten und Risse hinein, hier ein Hinunterrutschen und dort ein Hochklettern im Seitwärtsgang, die Zangen hier und da hineingesteckt, wie es ihm als Krebstier in der Natur lag. Als sein Weg ihn über ein Austernbett führte, sandte die Anwesenheit des Krebses ein Erschaudern durch das Feld der tellergroßen Muscheln, als spürten die Weichtiere den Schatten eines Albtraums, wo es keinen Schatten geben konnte. Der Krebs marschierte weiter, und die kleine Welle der Angst, die die Austern aus ihrem Schlummerzustand geweckt hatte, erstarb sofort und das Leben innerhalb der Schalen ging weiter wie zuvor.

      Wo immer der Krebs auch hintrat, rührte er unter seinen Zangen Schlickwirbel auf. Der hart umschalte und entschlossene Meeresbewohner wusste nicht, dass der Vollmond die Oberfläche von New Yorks Hafenwasser silbern tünchte, oder dass es Februar im Jahre 1703 war, oder dass in den Fenstern der soliden Häuser und gut besuchten Schänken von Manhattan an diesem Samstagabend Lampen glommen, oder dass ein kalter Wind aus dem Nordwesten die Wasseroberfläche kräuselte. Er wusste nur, dass er in diesem nachtschwarzen, schlammigen Morast, der sich vor ihm erstreckte, etwas Gutes zu fressen roch. Und so krebste er weiter, hungrig und unbedarft, könnte man sagen, ohne jede Überlegung oder Plan.

      Wem außer sich selbst konnte er daher die Schuld geben, als der Schlick sich unter ihm auftat und Tentakel herausschossen und der Schlamm vor gieriger Freude erzitterte? Als die Tentakel sich um den Krebs schlangen, ihn umdrehten, und der Schnabel des Kraken sich in den Bauchpanzer grub – welche Gedanken blitzten dem Krebs wie der Geruch von totem Hering durch die Nervenbahnen? Denn der Krebs versuchte wirklich zu entkommen, hatte aber keinerlei Aussicht auf Erfolg. Das Krebstier begann in Stücke und Teilchen zu zerfallen, die sich in dem beißenden Schnabel und dem unvoreingenommenen Meer verloren. Als kleine Fische herbei flitzten, um diese umhertreibenden Fleischfasern aufzuschnappen, zog der Krake seine Beute wie ein eifersüchtiger Liebhaber enger an sich und drückte sich in ein Loch hinein, das vom Kuss zweier Felsen gebildet wurde. Und so befanden sich die Überreste des Krebses schon bald an einem noch finstereren Ort als zuvor und der einsame Reisende war nicht mehr.

      Nach dem Ende seiner Mahlzeit saß der Krake in seinem Loch. Er war alt und langsam, ärgerte sich und empörte sich auf seine Weise gegen die Schmach, die das Verstreichen der Zeit ihm angetan hatte. Doch er hatte Glück gehabt, so gut zu fressen. Allerdings wurden seine Eingeweide schon sehr bald wieder von Hunger gepackt. Daher zog er sich Arm um Arm aus seiner krustigen Höhle hinaus und wagte sich erneut aufs Schlachtfeld, driftete wie eine gefleckte Wolke auf der Suche nach einer schönen flachen Stelle im Schlick und Tang hierhin und dorthin, und wehe den Krabben und kleinen Fischen der Nacht.

      Der Krake, ganz auf sein eigenes Vorankommen und seinen Appetit konzentriert, trieb an einem Haufen Steine vorbei, in denen die rostigen Überreste eines Ankers klemmten, der vor vielen Jahren von einem holländischen Schiff in einem Sturm losgerissen war. Die Kreatur, die sich diese Steine und den Anker zum Rückzugsort und Heim gemacht hatte, erwachte sofort aus ihrer Erstarrung. Durch ein Kitzeln im Innenohr nahm sie die Gegenwart von etwas Fressbarem wahr und bewegte sich den Schwanz von Seite zu Seite schlagend voran. Dann packte das Maul des Barsches den knollenförmigen Kopf seiner Beute. Noch während der Strom schwarze Tinte verschreckt hervorschoss – viel zu spät –, wurde der Krake ins Maul des Barsches gezogen und von den kräftigen Zahnplatten darin zermalmt. Die um sich schlagenden Arme wurden mit einem Schluck verschlungen. Es war eine so saubere Mahlzeit, dass für die kleinen Bettler kein Häppchen übrigblieb. Der Barsch schwamm wie in siegreicher Benommenheit, den Bauch am Boden und mit dem Schwanz müde das Wasser schlagend.

      Dann lockte ein neuer Geruch von Fressbarem den Barsch an, der seinen Kurs wie eine von Seepocken überzogene Fregatte abänderte. Er suchte hoch und tief, fand dann ein öliges Stück Fleisch, das griffbereit im Wasser hing.

      Er biss zu.

      Als das große Maul sich über dem Fleisch schloss, wurde die Leine geruckt, die zwölf Meter weit zur Wasseroberfläche hochreichte. Der Angelhaken setzte sich fest. Der Barsch zerrte leicht verärgert dagegen an und wollte in seine Höhle zurückkehren, wurde aber von diesem Vorhaben durch einen erstaunlichen Widerstand aus höheren, dem Barsch unbekannten Regionen, davon abgehalten. Zwischen Haken, Leine und Barsch begann ein Willenskampf. Der Fisch war stark und starrsinnig. Trotzdem wurde er in den nächsten Minuten Stück für Stück in Richtung Oberfläche gezogen, und so sehr der Barsch es auch versuchte, er konnte den harten stechenden Dorn nicht losschütteln, der fest in seiner Kehle steckte. Auf

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