MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon страница 7
»Ich bin gekommen, um ihn zu sehen«, sagte die in einen schwarzen Umhang gehüllte Gestalt.
»Oh … bitte.« In seinem Eifer stieß Oberley Matthew beiseite. »Bitte tretet ein, Miss Christina.«
Sie überquerte die Türschwelle und erschauderte. Oberley machte hinter ihr wieder zu.
»Euer Umhang. Darf ich?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht. Mir ist sehr kalt. Noch nicht.«
»Tee und Maisbrot sind fertig«, bot Bess ihr an.
»Ich habe keinen Durst und keinen Hunger«, antwortete Christina Mortimer kurz angebunden. »Ich will das nur hinter mich bringen … und dann gehe ich nach Hause.«
»Ich trinke gern einen Tee, danke«, sagte Matthew zu Bess. »Mit ein wenig Zucker, wenn möglich.« Dann konzentrierte er seine Aufmerksamkeit ganz auf die Tochter des reichen Mannes, die der Verzweiflung nahe versuchte, wieder Wärme in ihre Arme zu reiben.
»Mir ist noch nie in meinem Leben so kalt gewesen«, sagte sie. Ihre Augen, genauso braun wie die ihres Vaters, betrachteten die Eingangshalle. »Herr im Himmel, was mache ich in diesem Haus?«
»Das Richtige und Anständige, glaube ich«, sagte Matthew, woraufhin Christina ihn ansah, als wäre er zuvor nur ein kaum vom Kerzenschein beleuchteter Schatten gewesen, den sie erst jetzt bemerkte. Ihre braunen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Wer seid Ihr?«
»Mein Name ist Matthew Corbett. Ich bin aus New York angereist.«
»Das sagt mir nichts. Woher kennt Ihr meinen Vater?«
»Er hat mich engagiert.«
»Für was, Sir?«
Es nützte nichts, es zu verschweigen. »Um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Oder vielmehr … um den Tod zu bitten, Eurem Vater noch so viel Zeit zu schenken, dass er mit Euch reden kann.«
»Ach … die alte Geschichte.« Christina bedachte ihn mit der leichten, äußerst verächtlichen Andeutung eines Lächelns. »Dann seid Ihr also hier, den Auftrag eines Verrückten zu erfüllen.«
»So oder so ist es ein Auftrag.«
»Hm«, machte sie, dann schienen sie sich gegenseitig zu mustern.
Christina Mortimer nahm die Haube ihres Umhangs ab, vielleicht, damit Matthew besser sehen konnte, mit wem er es zu tun hatte. Ihre dichten rotbraunen Haare fielen über ihre Schultern. Ihr Gesicht war blass, ihr Kinn fest, ihre Augen durchbohrend. Sie war durchschnittlich groß und kräftig gebaut, eine undurchdringliche Mauer aus Stolz. Irgendetwas an ihr machte Matthew nervös. Ihr auf seine Augen gerichteter Blick flackerte nicht. »Ihr haltet das nicht für Unsinn, Sir?«
Bess kam mit einer Tasse braunen Tee, von dem Matthew trank, bevor er antwortete. »Hier geht es nicht um meine Meinung, sondern um das, was Euer Vater denkt.«
»Ich verstehe.« Sie begann ihre schwarzen Handschuhe auszuziehen und besann sich dann blinzelnd eines Besseren. »Kalt«, murmelte sie. »Ich hätte heute Abend nicht kommen sollen.«
»Gott sei Dank, dass Ihr gekommen seid«, sagte Oberley. »Möchtet Ihr wirklich keinen Tee, um Euch aufzuwärmen?«
»In diesem Haus gibt es keine Wärme«, antwortete sie. »Selbst wenn mir der Bauch brennen würde, wäre mir kalt.«
»Und doch seid Ihr hier«, sagte Matthew. Sie bedachte ihn wieder mit ihrem durchbohrenden, beunruhigenden Blick. »Ihr habt Euch durch Wind und Wetter geschlagen, um herzukommen. Das bedeutet, dass Euch zumindest interessiert, was Euer Vater zu sagen hat.«
Sie schwieg. Ihr Mund öffnete sich und schloss sich dann wieder. Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wind und Wetter«, sagte sie und wirkte ein paar Sekunden lang gedankenverloren. Dann: »Ja. Verzeiht … meine Gedanken sind …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich mag das Haus nicht. Ich bin schon bei Tageslicht daran vorbeigefahren, da hat es mir bereits Unwohlsein bereitet. Abends, da …« Ihre behandschuhten Finger strichen über ihren Nacken. »… tut es mir weh«, sagte sie.
»Wollen wir zu Lord Mortimer gehen?«, fragte Oberley leise und besorgt.
»Ja. Nun gut. Ich bin hier … für wie lange noch, weiß ich nicht, aber ich bin hier.«
»Sicherlich lange genug, um einem im Sterben liegenden Mann die letzte Ehre zu erweisen?«, bemerkte Matthew.
»Ehre.« Sie verlieh dem Wort einen hässlichen Klang. »Ihr wisst offenbar nicht, was das Wort bedeutet, Sir. Bringt mich zu ihm«, sagte sie zum Diener.
Sie gingen auf die Treppe zu. »Euer Pferd hat es die Steigung hoch geschafft?«, fragte Oberley.
»Mein Pferd?« Im Kerzenlicht zog Christina die Augenbrauen zusammen. »Mein Pferd ist … davongelaufen, glaube ich.« Ihre Augen waren frostig geworden wie Eis auf Glas. »Ich habe versucht … nach den Zügeln zu greifen, aber … ich glaube, es ist weggelaufen.«
Oberley und Matthew tauschten einen kurzen Blick miteinander aus. »Geht es Euch nicht gut, Miss?«, fragte Oberley.
»Ich … weiß nicht, wie ich mich fühle. Ich glaube … ich sollte nicht hier sein. Ich glaube, es ist falsch.« Sie blieb am Fuße der Treppe stehen und spähte nach oben. Matthew sah, dass sie zitterte.
»Es wird gutgehen«, sagte Matthew.
»Es ist falsch«, wiederholte sie mit Nachdruck. »Falsch. Alles ist …« Sie fasste sich an die Stirn und schwankte. Als die beiden versuchten, sie zu stützen, wich sie vor ihnen zurück. »Fasst mich nicht an! Ich will nicht angefasst werden!«, sagte sie so vehement, dass sowohl Matthew als auch Oberley sofort die Hände sinken ließen.
Matthew meinte, dass diese Frau entweder kurz davor stand, verrückt zu werden, oder etwas wesentlich Stärkeres als den süßen Tee brauchte, um ihre Nerven zu beruhigen. Er selbst begann sich inzwischen nach flüssigem Mut in Form eines Grogs zu sehnen. Mit viel Rum.
»Ich kann weitergehen«, sagte Christina leise, aber doch mit Tapferkeit in der Stimme. »Ich kann weitergehen.« Und damit begann sie, die Treppe hochzusteigen.
Als sie fast oben angekommen war, schwankte sie wieder und sah mit wilden Blicken um sich. Matthew und Oberley blieben ein paar Stufen unter ihr.
»Miss Christina?«, fragte Oberley.
»Habt Ihr das gehört?«, erwiderte die Frau. »Das Geräusch.«
»Das Geräusch, Miss?«
»Ja!« Mit bleichem Gesicht und angsterfüllten Augen schien sie sich suchend umzuschauen. »Ich habe gehört … wie etwas zerbrochen ist. Wie … ich weiß nicht.« Sie fing Matthews Blick auf. »Habt Ihr es nicht gehört?«
»Ich befürchte nicht«, gab Matthew zurück und dachte sich, dass die Tochter des reichen Mannes nicht ganz bei Trost war.
Sie nickte und schien sich wieder zu fangen. Dann setzte sie sich erneut in Bewegung, und die beiden Männer kamen ihr nach.
Oberley