MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon страница 4
»Gern. Und jetzt hör auf zu jammern und zerbrösele das Problem.«
Der beste Mann
Kalter Regen zog aus dem Westen heran und gefror auf der Erde und den Bäumen zu Eis, während die schwarze Kutsche mit den edlen roten Ledersitzen die Straße entlangrumpelte. Das Wetter konnte Matthew nichts anhaben, da die Kutsche geschlossen und an der Wand neben seinem Kopf eine Kerzenlaterne befestigt war, aber das drückende Gewicht der dunklen Wolken über New Jersey spürte er trotzdem. Ihm gegenüber döste Jesper Oberley ungeachtet der holperigen Fahrt. Der dem Eisregen ausgesetzte Kutscher war so tief in Mäntel und Schals verpackt, dass nur noch seine Augen freilagen – und die waren hinter vereisten Brillengläsern zusammengekniffen. Hin und wieder rutschten die vier Pferde auf einem gefährlichen Wegstück aus, aber sie schnaubten große Dampfwolken, brachten ihre Hufe wieder unter sich und zwangen sich in die dunkler werdende Nacht hinein.
»Es kann doch nicht wirklich sein, dass Lord Mortimer glaubt, der Tod würde ihn in menschlicher Gestalt heimsuchen«, sagte Matthew, während die Kutsche schaukelte und das Eis in den Fugen knirschte.
Die Augen des Dieners öffneten sich. Auch wenn er eben tatsächlich gedöst hatte, war er jetzt hellwach. »Wäre es anders, Mr. Corbett, dann säßet Ihr jetzt nicht hier.«
»Es ist eine Wahnvorstellung. Sicherlich durch seine Krankheit bedingt.«
»Er liegt im Sterben, aber er halluziniert nicht. Er ist bei vollem Verstand.«
»Hm«, machte Matthew und runzelte im gelben Kerzenlicht die Stirn. »Ich muss sagen, ich komme mir vor, als würde ich einen sterbenden Mann ausrauben.«
»Lord Mortimer kann es sich leisten, ausgeraubt zu werden.« Die Augenlider hingen wieder auf Halbmast. »Er hat selbst so viele Menschen beraubt.«
Auf diese kalte Feststellung fiel Matthew keine Antwort ein. Ihm schien, dass Oberley seinen Herrn gleichzeitig mochte und verachtete. »Womit hat Lord Mortimer sein Vermögen gemacht?«, fragte Matthew.
Die Augen schlossen sich. Vielleicht zehn Sekunden lang kam keine Antwort. Dann: »Mit vielem. Bergminen. Hausbau. Forstwirtschaft. Schiffsbau. Geldverleih. Er hat mehrere Vermögen angehäuft. Und er hat sein Geld mit eiserner Faust für sein eigenes Vergnügen festgehalten.«
»Ein egoistischer Mann«, meinte Matthew.
»Er würde sagen, dass er sich immer ganz nach sich selbst richtet. Ich würde sagen, er hat die Fähigkeit …«, er machte eine Pause, um den Gedanken zu formulieren, »… andere dazu zu benutzen, sich immer ganz nach sich selbst zu richten«, sagte Oberley schließlich.
Matthew ließ sowohl das Thema als auch Jesper Oberley in Ruhe. Die Kutsche schaukelte über einen steinigen Weg. Gefrierender Regen peitschte gegen die mit schwarzen Vorhängen zugehängten Fensteröffnungen. Matthew spürte das Bedrückende des Sturms und des Winters; eine tückische Kombination. Irgendwann rutschten die Kutschenräder zwei beängstigende Sekunden lang nach links weg, bevor die Pferde sie weiterzogen. Matthew wurde sich bewusst, wie er seine Knie so hart umklammerte, dass er zehn blaue Flecke bekommen würde. Es war schwer, sich an einem Abend zu entspannen, an dem der Tod sein Unwesen trieb. Aber es gab ein Licht am Ende dieses Tunnels: Eine Weile würde er es genießen können, New York und der Gegenwart von zwei Schatten in seinem Leben entronnen zu sein, dem teuflisch gutaussehenden Dr. Jason Mallory und seiner schönen Gattin Rebecca. Die beiden schienen ihm in letzter Zeit ständig an den Fersen zu kleben. Wohin Matthew auch ging – in Sally Almonds Schänke, in die Trinity Church, ins Trot Then Gallop, oder auch nur von seinem ehemaligen Kühlhaus zur Arbeit – tauchten diese beiden auf und beobachteten ihn mit ihren dunklen Augen. Matthew wusste, dass Mrs. Mallory wollte, er möge zu ihnen zum Essen kommen, was mit einem gewissen Professor für Verbrechen zu tun hatte … aber was wollten sie wirklich von ihm?
Er hatte keinerlei Zweifel daran, dass es sich mit der Zeit zeigen würde.
Matthew schob den einen schwarzen Vorhang beiseite und wurde dafür mit einer Ladung Schneeregen im Gesicht belohnt. Als er sich die Augen abgewischt hatte, sah er, dass sie immer noch auf einem zerfurchten, schlecht zu befahrenden Waldweg unterwegs waren. Die Anstrengungen der Pferde, in einer Nacht wie dieser die Kutsche zu ziehen, waren heldenhaft. Plötzlich tauchte eine überdachte Brücke über einem geschwollenen Bach auf – die Eichenbrücke, nach der das Dorf Oak Bridge benannt war, nahm Matthew an –, und die Hufschläge hallten zwischen dem Dach und den Planken wider. Abgesehen von einem Brettergeländer waren beide Seiten der Brücke offen und Eis bildete sich sogar auf den rauen Bodenplanken. Es war ein Abend, an dem man weder Mensch noch Tier vor die Tür jagte, dachte Matthew. Sicherlich würde selbst der Tod in einer solchen Nacht nicht unterwegs sein wollen.
Gleich hinter der Brücke lag der kleine Ort, den sie schnell hinter sich ließen. Er schien Matthew nur aus einigen Geschäften, ein paar weiß verputzten Wohnhäusern, einer Kirche, einem Friedhof und einem Stall zu bestehen, sowie einer Schänke, aus deren Fenstern sich Lampenlicht ergoss. Sie kamen noch an einem langen Gebäude mit mehreren Schornsteinen vorbei, bei dem es sich um irgendeine Werkstatt handeln mochte, und dann waren sie bereits wieder aus dem Dorf hinaus.
Die Kutsche fuhr weiter. Jesper Oberley war jetzt wach und spähte ebenfalls aus dem Fenster. »Nun ist es nicht mehr weit«, beantwortete er Matthews gedachte Frage, die er gerade hatte stellen wollen, denn selbst die gut gepolsterten Ledersitze konnten einen Arsch auf einer steinigen Straße nicht schonen. Und Matthew kam sich in seiner Situation definitiv wie ein Arsch vor; wie jemand, der einen Sterbenden ausraubt, auch wenn Lord Mortimer nach Oberleys Meinung selbst ein Räuber war.
Bald darauf durchfuhr die Kutsche eine Kurve und begann sich einen steilen Hügel hochzuarbeiten. Doch das gelang nicht, denn Matthew hörte und spürte, wie die Räder auf vereistem Kies wegrutschten und die Pferde der Peitsche zu gehorchen versuchten, obwohl ihre Hufe ausglitten.
»Na los! Los, zieht!«, brüllte der Kutscher durch seine Vermummung. Die Peitsche knallte und die Kutsche bebte, aber voran kamen sie nicht. Dann gab der Kutscher anscheinend auf und ließ die Pferde vorsichtig rückwärtsgehen, denn der Wagen rutschte den Hang hinunter, und als er hielt, ertönte das Klunk der Bremsenspitze, die, so tief es möglich war, in der gefrorenen Erde versenkt wurde.
»Tja«, sagte Oberley bedrückt. »Anscheinend sind wir …«
»Kommen die Steigung nicht hoch in diesem Mist!« Der eingehüllte Kopf des Kutschers war beunruhigend plötzlich im Fenster aufgetaucht. »Die Pferde können’s nicht ziehen!«
»… angekommen«, beendete Matthew Oberleys Satz, nachdem der Kutscher verschwunden war, um sich, so gut es ging, um sein Gespann zu kümmern.
Gegen die beißende Kälte vermummt und mit seinen in einer Ledertasche verpackten Sachen für zwei Nächte in der Hand folgte Matthew Oberley den Hügel hoch. Unter ihren Stiefeln knirschte das Eis. Der bittere Regen fiel noch, klopfte auf die Krempe von Matthews Dreispitz. Seine Stiefel rutschten aus und drohten mehr als einmal, ihn zu Boden zu befördern. Als sie die Hügelkuppe erreichten, konnte Matthew durch die Bäume die Umrisse einer riesigen – man könnte auch sagen monströsen – Villa sehen. Aus einigen Fenstern strahlte Kerzenschein, aber viele andere – die meisten – waren tintenschwarz. Ein Dutzend gemauerte Schornsteine stach aus den spitzen Dächern, aber nur aus zweien strömte Rauch. Wenn dieses Herrenhaus ein Monster war, dann lag das Biest tatsächlich im Sterben.
Als Matthew und Oberley sich dem Haus näherten, sah der Problemlöser, dass es von toten