Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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Zbyszko fuhr in einem Schlitten, teils um seine Kräfte zu schonen, teils der strengen Kälte wegen, vor der er sich auf dem Heulager und durch Pelzdecken am besten schützen konnte. Er befahl Sanderus, sich zu ihm zu setzen und die Armbrust bereit zu halten, falls sich Wölfe zeigen sollten. Unterdessen aber plauderte er fröhlich mit ihm.
»In Przasnysz,« sagte er, »wollen wir nur die Pferde füttern und uns erwärmen. Dann fahren wir sogleich weiter nach Ciechanow, um der Herrschaft meine Verehrung zu bezeigen und dem Gottesdienst anzuwohnen.«
»Und dann?« fragte Glowacz.
Zbyszko lachte und entgegnete: »Wer weiß, dann vielleicht nach Bogdaniec.«
Voll Verwunderung schaute ihn der Knappe an. Der Gedanke fuhr ihm durch den Kopf, daß sein Herr der Tochter Jurands entsagt habe, und dies erschien ihm um so wahrscheinlicher, als die Jungfrau den Jagdhof verlassen hatte. Zu den Ohren des Böhmen aber war die Kunde gedrungen, daß der Gebieter von Spychow dem jungen Ritter feindlich gesinnt war. Darob fühlte der treue Bursche eine gewisse Befriedigung, denn obgleich er selbst Jagienka liebte, blickte er doch zu ihr empor wie zu einem unerreichbaren Stern am Himmel und hätte freudig sein Leben hingegeben, um ihr Glück damit zu erkaufen. Auch Zbyszko hing er treu an, und den beiden bis zum Tode zu dienen, war das Ziel seiner Wünsche.
»So läßt sich Euer Gnaden schon auf Euerm Erbgut nieder?« fragte er voll Vergnügen.
»Wie könnte ich mich auf meinem Erbgut niederlassen?« entgegnete Zbyszko. »Habe ich nicht jene Kreuzritter herausgefordert und zuvor schon Lichtenstein? De Lorche erzählte mir, der Meister werde wahrscheinlich den König nach Thorn zu Gast bitten, und dann kann ich mich dem königlichen Gefolge anschließen. Auch glaube ich, daß in Thorn Herr Zawisza aus Garbow oder Herr Powala aus Taczew mir bei unserm Herrn die Erlaubnis auswirkt, bis aufs äußerste mit diesen Kreuzrittern, diesen Mönchen zu kämpfen. Sicherlich stellen sich diese mit ihren Knappen auf dem Wahlplatze ein und Du kommst gleichfalls ins Treffen.«
»Käme es nicht so weit, so würde ich am liebsten Mönch werden,« sagte der Böhme.
Zbyszko blickte ihn voll Befriedigung an.
»Nun, dem wird es auch nicht gut gehen, der Deinem Eisen zu nahe kommt! Unser Herr Jesu verlieh Dir außerordentliche Stärke, doch darfst Du Dich dieser Stärke nicht allzusehr rühmen, denn ein richtiger Knappe muß demütig sein.«
Der Böhme nickte mit dem Kopfe, zum Zeichen, daß er sich seiner Stärke nicht rühmen, den Deutschen gegenüber aber auch nicht mit seiner Kraft zurückhalten wolle, und Zbyszko lachte, während sie so weiter fuhren, aber nicht mehr über den Knappen, sondern über seine eigenen Gedanken.
»Der alte Herr wird froh sein, wenn wir zurückkehren,« hub Glowacz nach einer Weile wieder an – »und auch in Zgorzelic werden sie sich freuen.«
In diesem Augenblick sah Zbyszko Jagienka so deutlich vor sich, wie wenn sie ihm gegenüber auf dem Schlitten säße. Und so war es immer, so oft er an sie dachte, stand sie ihm auch deutlich vor Augen.
»Nein,« sagte er sich, »sie wird sich nicht freuen, denn wenn ich nach Bogdaniec zurückkehre, so wird Danusia bei mir sein – und Jagienka mag einen andern nehmen!« Hier zogen Wilk aus Brzozowa und der junge Cztan aus Rogow vor seinem geistigen Auge vorüber und plötzlich war ihm der Gedanke unangenehm, daß das Mägdlein einem von diesen beiden in die Hände fallen könne. »Wenn sie doch einen andern, bessern fände!« dachte er. »Sie ist so züchtig, so redlich und gut, jene Burschen aber sind Biersäufer und Spieler.«
Er wußte auch schon im voraus, daß sein Oheim höchst ungehalten sein werde, wenn er erfuhr, was geschehen war, aber der Gedanke tröstete ihn wieder, daß Macko in erster Linie Wert auf Herkunft und Vermögen legte und darauf bedacht war, das Ansehen seines Geschlechtes zu erhöhen. Jagienka stand ihm zwar näher und war die Tochter seines nächsten Nachbarn, hingegen war aber Jurands Grundbesitz größer als der Zychs aus Zgorzelic, und so konnte man leicht voraussehen, daß Macko nicht lange über dies Ehebündnis zürnen werde, zumal ihm die Neigung seines Bruderssohnes bekannt war und er auch wußte, wieviel Dank dieser Danusia schuldete. Brummte er also anfangs, so beruhigte er sich gewiß auch wieder und dann gewann er wohl Danusia so lieb wie sein eigenes Kind.
Und plötzlich empfand Zbyszko große Sehnsucht nach seinem Oheim, an dem er mit ganzer Seele hing und der, obwohl er kein weichherziger Mensch war, ihn doch liebte wie seinen Augapfel, der ihn in allen Kämpfen besser als sich selbst geschützt, sich nur um seinetwillen durch Beute bereichert hatte, nur um seinetwillen darauf ausging, sein Hab und Gut zu mehren. Sie standen ja auch ganz allein auf der Welt, sie hatten keine Blutsverwandten außer dem Abte, und gewöhnlich, wenn sie sich trennen mußten, wußte der eine nicht, was er ohne den andern beginnen sollte, vornehmlich aber dem alten Mann ging es so, welcher für sich keinen Wunsch mehr hatte.
»Hei! Er wird sich freuen! Er wird sich sicherlich freuen!« sagte sich Zbyszko unablässig, »und ich wollte nur, daß Jurand mich so aufnehme, wie Macko mich aufnehmen wird.«
Und er suchte sich vorzustellen, was Jurand sagen und wie er sich gebärden werde, wenn er von der Trauung erfuhr. Dieser Gedanke beunruhigte ihn wohl einigermaßen, bereitete ihm aber keinen großen Kummer, weil die Sache nun einmal geschehen und nichts mehr daran zu ändern war. Zum Kampfe durfte er Jurand nicht herausfordern, wenn dieser aber seine Zustimmung durchaus nicht geben wollte, konnte Zbyszko folgendermaßen zu ihm sprechen: »Willigt ein, ich bitte Euch darum, denn Ihr habt ja nur ein menschliches Anrecht auf Danusia, ich aber habe ein Anrecht, daß mir von Gott verliehen worden ist – und jetzt gehört sie nicht mehr Euch, die Meine ist sie nun!«
Von einem in der heiligen Schrift bewanderten Kleriker hatte der Jüngling gehört, das Weib müsse Vater und Mutter verlassen und dem Manne folgen, daher war er überzeugt, daß ihm die Gewalt über sein Weib zustand. Doch glaubte er nicht, daß es zwischen ihm und Jurand zu einem dauernden Zwiste kommen werde, weil er durch Danusias Bitten viel zu erreichen hoffte und eben so viel, wenn nicht mehr, durch die Vermittlung des Fürsten, dessen Unterthan Jurand war, sowie durch die Fürsprache der Fürstin, welche er als Pflegemutter seines Kindes hochschätzte.
In Przasnysz riet man Zbyszko, Nachtrast zu machen, indem man ihn vor den Wölfen warnte, welche sich des Frostes wegen in großen Rudeln zusammenscharten und die Straßen noch unsicherer machten als sonst. Doch Zbyszko beachtete diese Warnung nicht, weil er zufälliger Weise in der Schenke einige masovische Ritter mit ihrem Gefolge traf, die sich ebenfalls zum Fürsten nach Ciechanow begeben wollten, sowie einige bewaffnete Kaufleute aus Ciechanow, die mit ihren schwerbeladenen Wagen aus Preußen kamen. Im Verein mit all diesen Leuten war nichts zu befürchten, und so brachen sie denn bei Anbruch der Nacht auf, obwohl sich schon gegen Abend ein heftiger Wind erhoben hatte, der die Wolken vor sich hertrieb, und ein dichtes Schneegestöber begonnen hatte. Unterwegs hielten sie sich dicht aneinander, doch kamen sie so langsam vorwärts, daß Zbyszko befürchtete, sie würden ihr Ziel schwerlich am heiligen Abend erreichen. An einigen Stellen war es nötig, den Schnee wegzuschaufeln, da die Pferde nicht weiterkommen konnten. Zum Glück war der Weg durch den Forst nicht zu verfehlen, doch langten sie erst am Christabend in Ciechanow an. Möglicherweise wären sie durch Schnee und Wind rings um die Stadt gefahren, ohne zu ahnen, daß sie sich schon ganz nahe befanden, wenn sie nicht auf dem Hügel, wo das neuerbaute Schloß stand, ein hellloderndes Feuer erblickt hätten. Niemand wußte, ob das Feuer an diesem heiligen Abend angezündet worden war, um einsamen Wanderern als Wegweiser zu dienen, oder ob es nach althergebrachter Sitte geschah, aber keiner von Zbyszkos Reisegefährten sann jetzt darüber nach, denn alle waren vornehmlich darauf bedacht, so rasch wie möglich eine Unterkunft