Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz

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Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz

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an manchen waren die Deichseln zerbrochen. Die Schaufeln enthüllten jeden Augenblick einen gekrümmten Pferderücken, oder einen Pferdekopf, dessen Zähne in den Schnee eingedrückt waren, Männer in jedem Alter, die sich in den Schlitten oder daneben befanden, wurden ausgegraben, aber ein Weib war nirgends zu entdecken. Zuweilen arbeitete Zbyszko selbst mit, bis ihm der Schweiß auf der Stirne stand, zuweilen leuchtete er den Toten ins Gesicht, mit klopfendem Herzen forschte er nach dem geliebten Antlitz – doch umsonst! Die Flammen erhellten nur die strengen, bärtigen Gesichter der Haudegen von Spychow. Doch weder Danusia noch ein anderes weibliches Wesen war zu sehen.

      »Wo mag sie sein? Was hat dies für eine Bewandtnis?« fragte sich der junge Ritter immer wieder. Er rief den in einiger Entfernung arbeitenden Leuten zu und fragte sie, was sie entdeckt hätten, doch auch von ihnen waren nur Männer ans Licht befördert worden. Endlich war das schwere Werk beendigt. Die Knechte spannten ihre eigenen Pferde an die Schlitten und fuhren mit den Leichen gen Niedzborz, um dort in den warmen Stuben zu versuchen, ob einer oder der andere von den Totgeglaubten ins Leben zurückgerufen werden könne. Zbyszko blieb noch mit dem Böhmen und zweien seiner Leute zurück. Ihm war plötzlich der Gedanke gekommen, Danusias Schlitten sei vielleicht von den andern getrennt gewesen und wenn dieser Schlitten, wie man wohl annehmen durfte, mit den besten Pferden bespannt war, hatte Jurand möglicherweise angeordnet, daß seine Tochter vorausfahre, und sie hatte dann in einer Hütte unterwegs Schutz gesucht. Was er nun beginnen sollte, wußte Zbyszko selbst noch nicht recht, auf alle Fälle wollte er jedoch nochmals in den vom Wind zusammengewehten Schneehaufen hier in der Nähe, sowie auch im Erlengehölz nachforschen, dann aber umkehren und auf der Landstraße seine Untersuchungen anstellen.

      Allein unter dem Schnee war nirgends mehr etwas zu finden. Im Erlenwalde blitzten einige Male glühende Wolfsaugen vor ihnen auf, doch fanden sie keine Spur von Menschen und Pferden. Die Wiese zwischen dem Gehölze und der Landstraße schimmerte hell im Mondschein, und auf der weißen öden Fläche waren zwar in der Ferne hie und da einige dunkle Punkte zu sehen, aber auch dies waren Wölfe, welche sofort entwichen, als die Männer sich näherten.

      »Euer Gnaden!« sagte schließlich der Böhme, »es ist vergeblich, daß wir hier noch suchen, denn die Jungfrau aus Spychow hat sich offenbar gar nicht bei dem Gefolge ihres Vaters befunden.«

      »So laßt uns auf der Landstraße nachforschen,« erwiderte Zbyszko.

      »Auch auf der Landstraße werden wir sie nicht finden. Ich habe wohl darauf geachtet, ob sich in einem der Schlitten eine Lade mit Weiberkleidern befinde. Aber es war keine vorhanden. Die Jungfrau ist in Spychow zurückgeblieben.«

      Betroffen von dieser Bemerkung, aber auch voll Freude rief Zbyszko aus: »Gebe Gott, daß es so wäre, wie Du sagst!«

      Und der Böhme zog die Sache noch mehr in Erwägung.

      »Hätte sie sich in einem der Schlitten befunden,« setzte er hinzu, »so würde der Gebieter von Spychow sie nicht verlassen haben, er hätte sie vor sich auf das Pferd gesetzt und bei ihm wäre sie gefunden worden.«

      »So reiten wir nochmals an jene Stelle!« erklärte Zbyszko in erregtem Tone.

      Ihn dünkte, es könne so sein, wie der Böhme sagte. Gesetzt nun, sie hätten nicht sorgfältig genug nachgeforscht, gesetzt, Jurand hätte Danusia vor sich auf das Pferd genommen und diese hätte, als es unter ihnen zusammenbrach, ihren Vater verlassen, um für ihn Hilfe herbeizuholen? In dem Falle konnte sie noch in der Nähe irgendwo unter dem Schnee verschüttet sein.

      Aber wie wenn er diese Gedanken erraten hätte, nahm Glowacz von neuem das Wort: »Dann würden sich Kleider in einem der Schlitten befinden, denn für den Hof hätte ihr das Gewand nicht genügt, das sie auf dem Leibe trägt.«

      Trotzdem alles für die Richtigkeit dieser Behauptung sprach, lenkten sie ihre Pferde nochmals zu dem Weidenbaume hin – aber weder dort noch in dessen ganzem Umkreis konnten sie eine Spur von Danusia finden. Jurand war von des Fürsten Mannen nach Niedzborz gebracht worden, und rings umher herrschte tiefe Stille. Der Böhme machte noch die Bemerkung, daß der Hund, welcher ihnen den Weg zu Jurand gezeigt hatte, sicherlich auch Danusia entdeckt hätte. Nun atmete Zbyszko erleichtert auf, denn ihn überkam beinahe die Gewißheit, daß Danusia in Spychow zurückgeblieben war. Er versuchte sogar, sich klarzumachen, welche Gründe dabei mitgewirkt hatten, er sagte sich, Danusia habe offenbar ihrem Vater alles gestanden, dieser aber habe seine Zustimmung zu dem Ehebund nicht geben wollen, sie sei deshalb absichtlich von ihm zu Hause gelassen worden, er selbst aber habe sich auf den Weg gemacht, um dem Fürsten die Sache vorzustellen und um dessen Vermittlung bei dem Bischof zu bitten. Bei dem Gedanken, daß sich nun vielleicht alles anders gestalten werde, konnte sich jetzt Zbyszko eines Gefühles der Erleichterung, ja der Freude, kaum erwehren, denn er wußte, daß mit Jurands Tode alle Hindernisse beseitigt waren.

      »Jurand wollte dies Ehebündnis nicht, aber unser Herr Jesus wünschte es,« sagte sich der junge Ritter, »und sein Wille ist mächtiger.«

      Jetzt durfte er nach Spychow reiten, Danusia als sein Weib in Anspruch nehmen und die Ehe vollziehen. Dort an der Grenze konnte die Vereinigung mit seiner Gattin viel leichter zustande kommen, als in Bogdaniec. »Es ist der Wille Gottes! Der Wille Gottes!« wiederholte er unablässig im tiefsten Innern. Plötzlich jedoch schämte er sich dieser voreiligen Freude, und sich zu dem Böhmen wendend bemerkte er: »Es thut mir leid um ihn, dies kann ich laut bezeugen.«

      »Die Leute sagen, daß er von den Deutschen gefürchtet wird wie der Tod,« entgegnete der Knappe.

      Nach einer Weile fügte er hinzu: »Kehren wir jetzt in das Schloß zurück?«

      »Nach Niedzborz!« antwortete Zbyszko.

      In der That wendeten sie ihre Pferde Niedzborz zu und ritten in den Hof ein, wo sie von dem alten Erbherrn Jelech empfangen wurden. Jurand trafen sie nicht mehr an, doch Jelech brachte ihnen gute Kunde.

      »Man rieb ihn dermaßen mit Schnee, daß beinahe die Haut von den Knochen hing,« sagte er, »man goß ihm Wein ein und brachte ihn in ein Dampfbad, wo er auch wieder zu atmen begann.«

      »Er lebt also?« fragte voll Freude Zbyszko, der bei dieser Nachricht sein eigenes Interesse, seine eigenen Angelegenheiten vergaß.

      »Er lebt, aber Gott weiß, ob er es überstehen wird, denn die Seele war schon beinahe entflohen.«

      »Weshalb ist er aber fortgebracht worden?«

      »Weil der Fürst Boten nach ihm ausgesandt hat. Was an Federgebett hier im Hause war, raffte man zusammen, er ward damit zugedeckt und fortgetragen.«

      »Und sagte er nichts von seiner Tochter?«

      »Er hatte kaum zu atmen begonnen, die Sprache aber noch nicht wiedererlangt.«

      »Und die andern?«

      »Die andern sind schon bei unserm lieben Herrgott im Himmelreich. Die Aermsten werden nicht bei der Mitternachtsmesse sein, es sei denn, daß sie der anwohnen dürfen, welche unser Herr Jesu selbst im Himmel abhält.«

      »So ist keiner von ihnen wieder zum Leben erwacht?«

      »Keiner! Doch kommt herein in die Stube, anstatt hier in der Hausflur zu stehen. Und wenn Ihr sie sehen wollt, sie liegen am Feuer in der Gesindestube. Kommt nur herein!«

      Doch sie hatten Eile und wollten nicht eintreten, trotzdem der alte Jelech ihnen sehr zuredete, weil er immer gern Leute bei sich sah, mit denen er plaudern konnte. Von Niedzborz nach Ciechanow hatten sie noch eine beträchtliche

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