Max und Anny. Hans Leip
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Vielleicht ist es dieser, aus Annys Bewusstsein längst fortgewischte Vorfall gewesen, der sie später davon abhielt, je an Boxkämpfen Vergnügen zu finden. Obschon sie, als sie eben sprechen konnte und zufällig an Pola erinnert wurde, ihrer Minka geraten haben soll, den starken Mann zu heiraten.
Die Kriegsläufte kamen dazwischen, und es ist nicht mehr festzustellen, ob der Rat befolgt wurde oder ob das Schicksal derzeit nur, wie es oft tut, sich eine kleine Andeutung hatte leisten wollen für Späteres.
Mackie verdient Geld
Die Familie Schmeling zog nach Rothenburgsort, dorthin, wo Max seinen vielleicht ruhmvollsten Kampf gegen den tüchtigen österreichisch-amerikanischen Studenten, Allround-Athleten und Wirbelwind Steve Hamas austragen wird.
Während des Krieges war Mackies Vater bei der Marine eingezogen, und im Hause sah es nicht rosig aus. Da versuchte Mackie auf manche Weise Geld zu verdienen. Er wohnte derzeit mit Mutter, Bruder und Schwesterchen in der Hasselbrookstrasse (Hamburg-Eilbeck), und eben elfjährig, bewarb er sich auf eigene Faust in der Apotheke an der Wandsbecker Chaussee um einen Laufjungenposten. Seine Offenheit und Zutraulichkeit gefielen dem Apotheker und dessen Tochter, und Mackie blieb dort über ein Jahr.
Regelmässig lieferte er seinen kleinen Wochenverdienst in die Hände seiner Mutter, von den Trinkgeldern aber kaufte er jeden Sonnabend Blumen für sie.
Und man kann wohl sagen, diese kleinen bescheidenen Jungssträusse wiegen alle Blumen auf, die Mackie in späteren Jahren so reichlich empfangen durfte.
Die Lebensmittel wurden damals knapp, aber Mackie war immer rechtzeitig darauf bedacht, seinem Körper zu geben, was ihm gebühre. Somit erlag er eines Tages der Versuchung, eine Flasche Rahm und eine Flasche Lebertran-Emulsion mitgehen zu heissen. Da er sie zu Hause nicht zu vertilgen wagte, nahm er die Schätze mit in die Schule. Dort trank er den Rahm selber. Den Lebertran aber, der so ähnlich aussah, schenkte er grossmütig den Kameraden, die sich in der Pause reihum gütlich daran taten.
Dem kleinen Max bekam der Rahm glänzend. Die Emulsion aber war weniger leicht verdaulich. In der Stunde meldeten sich seine Mitschüler einer nach dem andern, um wegen Übelkeit einen stillen Ort aufzusuchen.
Das wollte dem Lehrer eine auffällige Sache scheinen, und er forschte nach, drang bis zu der geleerten Lebertranflasche vor, von da bis zu dem Spender und sodann, ungeachtet der flehentlichen Bitten: „Herr Fehse, ich will es auch wirklich nicht wiedertun, Herr Fehse!“ — bis zu dem gutherzigen Apotheker, der dann aber dem reumütigen Sünder verzieh und ihn behielt.
Damals jedoch dachte Mackie, er würde eines Tages Seemann werden wie sein Vater. Allzusehr lockten ihn die fernen Länder, von denen der weitgereiste Bootsmann so oft erzählt hatte.
Die Kartothek des Hamburger Seemannsamtes enthält übrigens nicht weniger als siebzehn Typen des Namens Schmeling, die alle zur See gefahren sind. Der Vater von Mackies Vater aber war Malermeister gewesen, und dessen Vater hatte die Militärkantine zu Stettin geleitet, war also in der preussischen Heeresverpflegung tätig gewesen und somit sozusagen ein vormärzlicher Kollege des Schwiegervaters seines Urenkels. Mütterlicherseits waren Mackies Grosseltern Bauern aus der Uckermark, in denen aber die Sehnsucht zu Höherem aufstand und sich der Kunstmalerei zuwandte, was teils in Berlin, teils in den Vereinigten Staaten sesshaft wurde. Aber auch der Bruder des Vaters steigerte die vererbte Grundlage der Farbenbehandlung ins Künstlerische, und dieser Onkel lebte in Hamburg.
Max in seiner weissen Marinebluse, die Schülermütze keck ein wenig auf das rechte Ohr gerückt, den breiten Sportgürtel mit dem doppelten Schlangenschloss eng um die Taille gezogen, verkehrte dort gern, zumal drei nette Kusinen das verwandte künstlerische Haus belebten.
Mackies aufkeimende Meinung, dass vielleicht Kunstmaler ein noch netterer Beruf sei als der des Seemanns, wurde von seiner Mutter kräftig unterstützt. Denn keine Seemannsfrau wünscht die Sorgen, die sie um ihren Mann gehabt, in dem Sohne noch einmal zu durchleben.
Der kleine Max wurde also für manchen Nachmittag einem Kunstmaler übergeben, sein Ehrgeiz aber gedachte die Kosten für den Unterricht selbst aufzubringen. Und das gelang ihm volle vier Wochen, indem er als Fremdenführer bei Hagenbeck wirkte. Er tat es heimlich und auf eigene Faust, seine Eltern hätten es ihm nämlich nicht gestattet, und da sein Fehlen nachmittags zu Hause aufgefallen wäre, verlegte er seinen neuen Posten auf die Vormittage. Er schwänzte einfach die Schule. Seine grosse Liebe zu Tieren, die ihn auch heute noch erfüllt, war sicher seiner Idee zu Hilfe gekommen.
Aber in der Schule roch man schliesslich Lunte. Der Schuldiener wurde zur Erkundigung ins Haus geschickt, und das zweckmässige Abenteuer war aus.
Max Schmeling sagt selbst darüber: „Ich fand dieses Vorgehen sehr hässlich, denn ich hatte jeden Tag einen Entschuldigungszettel durch meinen Bruder Rudolf abgeben lassen — dass ich für meine Mutter unterschrieb, geschah doch nur, um ihr eine Arbeit zu ersparen ... und noch lange Zeit spürte ich beim Sitzen die Folgen meiner Tätigkeit als Fremdenführer.“
Zu Ende des Krieges war Mackie schon ein stämmiger Junge und Mitglied eines Fussballvereins.
Seine Erkenntnis, dass es für einen Mann im Leben wichtig sei, Geld zu verdienen, hatte ihn nicht wieder verlassen. Er versuchte in der Zeit der ausserordentlichen Tabakknappheit einen flottgehenden Handel mit selbstgedrehten Zigaretten. Vielleicht kommt es daher, dass es ihm später nie schwer gefallen ist, sich des Nikotins zu enthalten.
Die Sache ging gut, bis er einmal im Dunkel des Wandsbecker Gehölzes seine Erzeugnisse versehentlich dem eigenen Vater zum Kaufe anbot.
Der hatte Humor genug, zu sagen: „Bitte, geben Sie mir zehn, aber dann scher dich nach Haus, Bengel!“
Ānnys erstes Theater
Annys Vater wurde, wie es bei aktiven Offizieren üblich ist, von einer Garnison in die andere versetzt, von Tarnow in Westgalizien, wo Anny geboren wurde, nach Pola, von Pola nach Theresienstadt, von Theresienstadt nach Prag.
Zwischen der Adria und der Nordsee erstreckte sich einst das alte deutsche Kaiserreich. Es gab einen alten deutschen Kaisertraum, Adria und Nordsee durch ein phantastisches Kanalsystem über Donau, Moldau und Elbe miteinander zu verbinden. Derselbe Kaiser gründete die erste deutsche Universität, nämlich die zu Prag. Prag liegt auf halbem Wege zwischen Süden und Norden. Manche sagen, es sei auf halbem Wege liegen geblieben und halten es, wie weiland der Triester Theodor Däubler, deshalb für eine zwiespältige, aber reizvolle Stadt. Und heute ist nicht Triest, heute ist Hamburg der Seehafen Prags.
Bei allen Übersiedlungen war Annys grösste Sorge, ihre umfangreiche Puppenfamilie auch ja vollzählig mitzubekommen. Ihre Lieblingspuppe hiess Leni, und die konnte die Augen auf- und zumachen und sagte, wenn man sie entsprechend bewegte, deutlich „Mama“. Im Wettbewerb mit dieser Süssen siegte aber eines Tages der Dackel „Satan“, ein schwarzes, wildes, unfolgsames und schlaues Rabenvieh, das sich von niemandem etwas sagen liess, ausser der kleinen Anny. Von Anny liess er sich sogar geduldig ankleiden, von Kopf bis Fuss, mit Lenis Kleid, Höschen, Strümpfen, Hut und Schuhen, und Leni sass nackt und starren Auges dabei. Diesen „Satan“ liebte Anny sehr, und wenn er Haue kriegte, weinte sie mit.
Er war die lebendige Auferstehung eines Stoffhündchens, das sie besessen hatte, als sie noch kleiner war. Das war ein Wunder von Hündchen gewesen: wenn man seinen Schweif drehte, ertönte eine kurze lustige Melodie.
Eines Tages war man zu Besuch bei Bekannten. Da lagen gerade ein paar ganz junge Hündchen im