Max und Anny. Hans Leip
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Der Mann schien wirklich etwas zu verstehen, denn er vermochte in kurzer Zeit einen Geldgeber für sein gewagtes Unternehmen aufzutreiben, und zwar war es sinngemäss ein gutgläubiger Grossbauer, der die glänzenden Versprechungen des künstlerischen Herrn ernst nahm und hoffte, durch Förderung einer ihm halb unverständlichen flimmrigen Errungenschaft nicht nur dem Ansehen seines altehrwürdigen Standes, sondern auch seinem Geldbeutel dienen zu können.
Anny durfte sich glücklich preisen, mit der Hauptrolle beauftragt zu werden. Das grollende Andenken an Wien wandelte sich in eitel Sonne. Freudestrahlend teilt sie es ihrer Mutter mit. Bei der schwankenden Valuta schien es ihr ein fürstliches Angebot zu sein, obwohl es nur sechshundert tschechische Kronen Honorar sein sollten. Es war gesagt worden, dass sie sich überdies ein Dirndlkleid nähen lassen dürfe.
Der Film wurde in einem Bretterverschlag gedreht, die Kulissen aus Leinwand waren von einem Theater geliehen; die Ausstattung sollte nämlich kein unnützes Kapital verschlingen.
Die Darstellung ist die Hauptsache, sagt der smarte Wiener.
Anny tat, was sie konnte, aber es war doch keine rechte Freude für sie; die richtigen Partner fehlten, die Leitung versagte, der Hauch der Armseligkeit lag von Anfang an über dem Unternehmen. Vorschuss gab es nicht; aber die Gelder verschwanden trotzdem.
Sehnsüchtig wartete Anny auf den letzten Drehtag. Nach der letzten Szene stürzte sie in das sogenannte Büro dieser zwischen Acker und Asphalt gegründeten Filmgesellschaft. Das „Büro“ befand sich in einem alten Hutladen und wurde von der Tochter des bäuerlichen Hauptgeldgebers geführt. Aber wie gross war Annys Schreck und Enttäuschung, als ihr erklärt wurde, sie habe nichts zu bekommen, sondern im Gegenteil. Das Dirndlkleid habe sechshundertfünfzig Kronen gekostet, folglich schulde sie der Firma noch fünfzig. Da half kein Bitten, kein Flehen. Der Bauer, der sein Geld hatte davonrinnen sehen und ahnungsvoll fühlte, dass es auf Nimmerwiedersehen zum Teufel sei, blieb unerweichlich. Und Anny brauchte so notwendig neue Schuhe, und die Mutter würde sie nie wieder filmen lassen, und die grossen Brüder sähen es überhaupt schon längst nicht mehr gern ...
Anny schlief die ganze Nacht nicht, sie überlegte, wo sie das Geld herleihen könne, um die Mutter nicht zu enttäuschen.
Es fiel ihr kein anderer Ausweg ein als Lamač. Lamač musste helfen. Zwar war sie ihm sozusagen weggelaufen, war den Lockungen der unbekannten Wiener Kanone erlegen; nun sass sie reumütig weinend in den Kissen.
Lamač spielte nicht lange den Gekränkten. Er, der selbst nie verstand, den Vogel Pinkus als zahmen Kanarienvogel bei Haus zu halten, brachte es dennoch fertig, Anny in diesem entscheidenden Fall unter die Arme zu greifen. Wer weiss, ob sie nicht sonst irgendeinen der biederen Berufe ergriffen hätte, die sie in manchen ihrer Filme spielt, und ob der Aufstieg, der in diesen Filmen sich so freundlich zur Höhe zu ergeben pflegt, auch in der harten Wirklichkeit sich dann noch eingestellt hätte.
So aber war die Familie Ondra angenehm davon zu überzeugen, es sei mit dem Firlefanz des Filmens vielleicht eines Tages schlicht und bürgerlich tatsächlich ein Auskommen für die liebe kleine Anny zu erzielen.
Der grosse Wiener Tiroler Bauernfilm hat übrigens das Licht der Uraufführung nie erlebt. Doch hatte er ein Nachspiel. Der Grossbauer und seine Freunde, die derzeit fast ihr ganzes Vermögen verloren hatten, boten viele Jahre später, als Anny schon einen Namen hatte, besagten unglücklichen Film verschiedenen Gesellschaften an. Sie wurden überall abgewiesen und kamen auf den Einfall, alle Schuld auf die Hauptdarstellerin zu schieben, wollten alles ersetzt haben und behaupteten, nur durch gerade diesen Film sei Anny so gross geworden.
Noch heute haben die Tiroler Bedrohungen nicht ganz aufgehört.
Neue Sterne
Die Boxergrössen der ersten Zeit: Flint, Sabri Mahir, ja auch Prenzel und Breitensträter, begannen ihren Zenit zu überschreiten. Es war ein neuer Mann aufgetaucht von jenseits des grossen Teiches, ein Deutscher, der mit sächsischamerikanischem Tonfall sprach, ein stämmiger Typ mit zerhauenem Gesicht, ein rechter Kerl, der aussah wie ein von Wind und Wetter zerzauster Seefahrer. Es war Paul Samson-Körner. Er hatte erfolgreich mit Tunney gekämpft (bevor Tunney so berühmt war), er war in Dempseys Trainingslager Sparrings-Partner gewesen. Er war mit allen Wassern der grossen amerikanischen Kampfüberlieferung gewaschen.
Man glaubte das alles nicht recht in der Heimat, nahm ihn nicht ernst, man ulkte ihn an. Dann schlug er Breitensträter, und er schlug auch Flint, und das schon in der ersten Runde, und endete damit den bedeutenden Weg dieses verdienten Pioniers des deutschen Boxsports.
Walter Rothenburg sah den neuen Mann und spürte die Chance: er unternahm es, den einsam dastehenden neuen Boxmeister auf die rechte Probe zu stellen. Dieser „Amerikaner“ war doch schon Mitte dreissig. Wie war es möglich, dass er sich so lange halten konnte, wo jeder andere mit dreissig die besten Möglichkeiten hinter sich zu haben pflegt. Er stellte ihm den jungen, wuchtigen, ungestümen Rudi Wagener gegenüber und inszenierte damit den ersten grossen Hamburger Boxtag. Samson stach dem jungen Mann nach der dritten Runde eine ganz kurze Rechte aufs Kinn, und aus war es.
Und dann war da noch einer, ein Kölner, namens Domgörgen. Er hatte 1922 einen der grossen Kämpfe der deutschen Boxgeschichte gegen einen Düsseldorfer, namens Steffgen, geliefert. Er hatte in der dreizehnten Runde gesiegt, obschon der Unterlegene nicht aufgeben wollte.
„Wir haben uns so geschlagen“, äusserte Domgörgen später nicht ohne Stolz, „dass das Blut in die Schuhe lief.“
Max Schmeling sah sich um. In ein, zwei Jahren war er plötzlich vorhanden. Er hatte die „Vereinsgegner“, die „Lokalen“ und einige mehr unter den Hämmern seiner Fäuste gehabt, und sie halten nicht lange gemuckt. Nun durfte er sich wahrhaftig schon umsehen.
Samson? Schön! — Domgörgen? Nicht schlecht!
Trotz aller Fanfaren fühlte er keine Angst vor diesen Namen. Auch sah er heimlich keinen Leitstern in ihnen. Seine Vorbilder leuchteten auf höheren Breiten. Dempsey, Tunney, das waren Gestirne, denen eines Tages gleich zu glänzen in ihm eine brennende Hoffnung wuchs.
Nur immer ran! dachte er wie so ein richtiger Hamburger Hafenbuttje.
Der grosse Liebling des Boxsportpublikums, Kurt Prenzel, dessen letzter grosser Kampf (gegen den Berliner Milenz) selbst im schönsten August den Sportpalast hatte füllen können, zog sich vom Podium zurück, um seine vielfach gebrochenen Handgelenke völlig auszukurieren und sich der Filmdiva Fern Andra ehelich zu widmen. Und auch der blonde Hans ging langsam unter am Himmel des Ruhms.
Neue Blutzufuhr war nötig, und unter den jungen Anfängern, die da über Nacht aufgekommen waren, war auch Max Schmeling. Eine Woche nach seinem neunzehnten Geburtstage, am 4. Oktober 1924, stand er zum ersten Male einem Amerikaner gegenüber, einem Neger namens Rocky Knigth. Er überwand ihn in acht Runden nach Punkten.
Die Presse aber war dem Neuling noch nicht gewogen. Sie liess den Verdacht der Schiebung durchblicken, gänzlich zu Unrecht. Auch im Boxen wird jede neue Begabung erst einmal mit Misstrauen angesehen. Immerhin lag jene Zeit, da es wirkliche Schiebungen im Ringe gab, noch nicht lange zurück.
Im gleichen Jahr noch gewann Max gegen zwei weitere Nigger und gegen sieben weisse Gegner. Elf Kämpfe bestand er von August bis September, alle gingen siegreich für ihn aus, bis auf einen, und der fand ausgerechnet in Berlin statt, im Sportpalast. Der tüchtige Berliner Diekmann stand ihm gegenüber und schlug ihm in der zweiten Runde das Ohr auf, so dass eine Blutfontäne