Max und Anny. Hans Leip
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Und schon rüstete man sich in Hollywood, den ersten grossen Fliegerfilm zu drehen, richtig unter der Regie eines Frontfliegerleutnants (Wellmann). Er sollte „Wings“ (Flügel) heissen, und die einzige weibliche Rolle darin wurde von Clara Bow besetzt.
War es verwunderlich, dass auch Anny den Drang in die Ferne verspürte?
Hollywood war noch nicht unter den Ateliers, die sich um Anny bewarben, aber London war darunter, die „British International“, und auch London ist schon wie Übersee oder weite Welt, wenn man aus Prag kommt.
Gern hätte sie Lamač und Heller mit nach London genommen. Die Verhandlungen zogen sich hin. Man wollte sie allein haben.
Inzwischen war sie nach Berlin übergesiedelt, sie bezog eine reizende kleine Pension am Kurfürstendamm. Die riesigen Leuchtschilder der Kinoreklame schienen ihr keine so unerreichbaren Himmel mehr zu sein. Aber Lamač war wegen London nicht bei Stimmung. Was sollte sie machen? Sie schickte den Vertrag noch einmal zurück, stellte neue Bedingungen. Sie wartete, aber irgendwie musste sie doch Geld verdienen. Das Berliner Leben war teuer.
Somit willigte sie in das zufällige Angebot einer sozusagen bei Nacht und Nebel sich gründenden Gesellschaft, der „Contag“, und spielte die Hauptrolle in einem Manuskript, für das als Hauptverfasser Ludwig von Wohl zeichnete. Sie musste wieder einmal ein kleines Mädchen sein, sechzehnjährig, und Trude heissen, ein kleines Laufmädchen, das über allerlei unwahrscheinliche Fährnisse und Glückszufälle bis zur Gräfin aufsteigt.
Spielleiter war der gewandte Konrad Wiene und hatte einen richtigen „unbedingten Geschäftsfilm“ im Sinn. Er mixte alle gängigen Mittel der Publikumswirkung: Rührung, Humor, Eleganz, Dessous, Armeleute-Geruch und Parfüm. Aber über die Magerkeit der Erfindung half nur Annys Liebreiz hinweg.
Olga Tschechowa war ihre Partnerin, ein schon berühmter Name. Der Film wurde trotzdem kein rechter Erfolg.
Berlin, das war das Zauberkuchenhaus, aus dem Märchen von Hänsel und Gretel. Wie bald trat die Hexe vor die Tür, und das Böse glomm hinter ihren lockenden Worten. Wie bald konnte man eingepfercht sein in das enge Verlies der Tagesfron oder sass untätig und konnte sich nicht rühren und musste warten, warten. Mancher findet Hilfe und überlistet das Schicksal und kommt zu Freiheit und Gold, mancher wird abgebrüht wie ein Teufelsbraten, mancher wehrlos aufgezehrt.
Anny ging mit ihren zierlich hastigen Schritten die lange Zeile des Kurfürstendamms hinauf, gen Westen. Die Sonne fingerte in den stadtbraunen Augustbäumen. In der kühlen Luft, die aus den Wäldern der Mark wehte, lag ein Hauch fernen Föhrendufts und Duft von Wasser. Sie spürte es heraus. Es schien ihr, als sei sie zu Berlin dem Meer schon nahe, es machte ihr Herz unruhig, sie roch das Meer durch den kalten Benzinschwalch hindurch, der zwischen den Gehsteigen schleierte.
Der Contag-Film war keine Erfüllung gewesen. Er war kein Vorstoss, er war eine Schranke. Das Honorar zerschmolz. Das Meer verblasste. Ihr Mut sank. Die neuen Angebote schienen ihr wie Gebirge den geraden Weg zu sperren. Würde sie es schaffen?
Sie bekam plötzlich Furcht vor der weiten Welt. Sie sehnte sich nach Geborgenheit. Wie laut war dieses Berlin! Es faserte die Nerven heraus und behängte sie mit Schellen. Wieviel lauter würde London sein.
Eine Kollegin zwitscherte sie an. Auch so ein kleiner Funken in der Milchstrasse der vielen. Ob sie mit in den Lunapark wolle. Ein Sommerfest? I wo! Ein Boxkampf. Es gehe um die Meisterschaft im deutschen Halbschwergewicht.
Ach nein, lächelte Anny dankend. Ihr Herz war ihr so etwas wie Halbschwergewicht genug.
Von Prag lagen zwei Briefe in der Pension. Einer von ihrer Mutter. Wann sie sich denn einmal wieder blicken liesse. Aber es sei ja so still in Prag, das sei wohl nichts mehr für die kleine grosse Annily. Übrigens der schöne Fliederbaum sei noch immer da und hänge jetzt bald voll schwarzer Beeren.
Der zweite Brief war aus einem neuen Prager Atelier namens „Kavalirka“. Lamač hatte es auf eigene Rechnung gegründet. Oho, auch in Prag hob sich der Ehrgeiz. Ein ganz grosser Film sollte gedreht werden, benannt „Die Achtzehnjährigen“.
Das kann hinkommen! lächelte Anny: Grad hab ich nämlich auch Lust, mir den Fliederbaum bei der Planschwiese wieder einmal anzusehen. Und Sachertorte mit Schlagoberst und Hirsebrei mit Speck bei meiner süssen Mama zu essen. Und ganz still muss es sein, so hübsch still wie früher manchmal.
Der erste Titel
Ein paar Tage erst war Schmeling in Berlin, da sah er den grossen Titelkampf des alten Samson gegen den Thüringer Schlachter Franz Diener. Es war ein ungemein grossartiger Kampf, fast so heroisch wie der zwischen Samson und Breitensträter das Jahr vorher. Damals hatte der alte Haudegen zwölf bittere Runden mit unerhörter Zähigkeit überstanden. Nunmehr wurden es fünfzehn Runden, die er ebenfalls nur nach Punkten verlor.
Schmeling war voll Bewunderung, er pfiff den Entscheid der Ringrichter aus, wie viele ihn auspfiffen. Ihm schien die Rechnung ungerecht. Dass „Gerechtigkeit“ und „errechnen“ zusammenhängende Begriffe sind, lag seinem schlichten Kampfesmut noch fern.
Als nun am andern Tage die grossen Namen des Boxsports einen gemeinsamen Protest unterzeichneten, da wurde dem jungen Max Schmeling die hohe Ehre, seinen dazusetzen zu dürfen, unter die Namen der Grossen, Prenzel, Breitensträter, Haymann und den des gewaltigen rheinländischen Managers Picard. Noch war Max der Geringste unter diesen Leuchten, aber dennoch wollte es ihm scheinen, als habe er sich schon verewigt auf bronzener Tafel.
Der unglaubliche Samson-Körner trat erst ein Jahr später, zweiundvierzigjährig, endgültig und freiwillig vom Schauplatz der Boxentscheidungen ab. Was ihn nicht hindert, noch oft als Ringrichter zu wirken. Es war nach jenem glorreich punktverlorenen Kampf gegen den weit jüngeren Rudi Wagener.
Im Jahre 1926 hatte man, um allen Schiebungen vorzubeugen, eine deutsche Boxsportbehörde gegründet. Es war eine ehrenamtliche Angelegenheit. Der Tscheche Burda, ein Herr, der aus der Konfektionsbranche hervorgegangen war, übernahm die Verwaltung. Aber es wurde nicht besser dadurch. Es gab nur noch mehr Verwirrungen durch willkürlich oberste Entscheide. Das Publikum glaubte nicht mehr an die Anständigkeit der boxerischen Austräge.
Brot und Spiele, das genügt nicht allein, um die Menge zu fesseln. Das Brot muss geniessbar und die Spiele müssen ehrlich sein.
Gerade damals nahmen einige Sanftmulsapostel die Gelegenheit wahr, sich gegen den Boxsport zu erklären. Das alte Wort von der „blutigen Roheit“ wurde aufgefrischt und fand manchen Beifall. In diese allzu bequeme Zartheit der Sofaliebhaber und Blümchenpflücker funkelten die prächtig männlichen Sätze, die Adolf Hitler um jene Zeit bald zu Anfang des zweiten Bandes seines Werkes „Mein Kampf“ niederschrieb. Sie sind heute so beherzigenswert und gültig wie je und lauten:
„... Hierbei darf besonders ein Sport nicht vergessen werden, der in den Augen von gerade sehr vielen „Völkischen“ als roh und unwürdig gilt: Das Boxen. Es ist unglaublich, was für falsche Meinungen darüber in den „Gebildeten“-Kreisen verbreitet sind. Dass der junge Mensch fechten lernt und sich dann herumpaukt, gilt als selbstverständlich und ehrenwert, dass er aber boxt, das soll roh sein! Warum? Es gibt keinen Sport, der wie dieser den Angriffsgeist in gleichem Masse fördert, blitzschnelle Entschlusskraft verlangt, den Körper zu stählerner Geschmeidigkeit erzieht. Es ist nicht roher, wenn zwei junge Menschen eine Meinungsverschiedenheit mit den Fäusten ausfechten, als mit einem geschliffenen Stück Eisen. Es ist auch nicht unedler, wenn ein Angegriffener sich seines Angreifers mit der Faust erwehrt, statt davonzulaufen und nach einem