Max und Anny. Hans Leip

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Max und Anny - Hans Leip

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Glas auf Glas, einen Vormittag lang, bis er dann merkte, dass er unbewusst als Streikbrecher gearbeitet hatte. Da zerbrach dieses gläserne Zukunftsschloss, und seine Hände wandten sich dauerhafteren Baustoffen zu und wurden fähig, ihr Glück aus sich selber zu schaffen. Glück und Glas ... Ihm genügte eines Tages das Glück, das man im Kampf der Fäuste gewinnt, indem man das des Gegners zerbricht.

      Er lernte inzwischen, dass nicht dauernde Anstrengung die Leistung steigert. Jedes Training muss vernünftig in Arbeit und Ruhe eingeteilt sein. Darum schlief er täglich nicht unter zehn bis elf Stunden (auch heute noch). Nikotin reizte ihn sowieso wenig, und die damals noch schwankende Ansicht über gelegentliche Auffrischung durch Alkohol entschied er für sich zugunsten einer völligen Enthaltsamkeit. Denn was Bierkonsum in seinem Beruf bedeuten konnte, hatte man an der allzu schnell versackten Laufbahn des Rheinländers Hans Wagener erlebt.

      Noch verliess er sich ganz und gar auf seine Rechte, die sich schon oft so glänzend bewährt hatte. Die Linke benutzte er eigentlich nur, um den Gegner zu beschäftigen und aufs Glatteis zu führen, um ihn zu irgendeiner Blösse zu reizen, in die dann blitzartig die gefährlichere Rechte fahren konnte. Gelang das, so war meistens der Ausgang nicht mehr ungewiss, und Max konnte einen Sieg durch Niederschlag buchen.

      In dieser Weise gewann er auch 1925 die ersten drei Kämpfe, zwei davon gegen gute belgische Boxer; aber von den übrigen sieben Gegnern dieses Jahres konnte er nur weitere drei nach Punkten erledigen, zwei Kämpfe blieben unentschieden, einen verlor er nach Punkten und einen musste er wegen hohen Fiebers in der zweiten Runde aufgeben.

      Es waren beides Amerikaner und beides Neger, die ihm diese Niederlage bereiteten. Allerdings zu Boden gegangen war er nicht.

      Für Max schien nun erstmal die Pechsträhne nicht abreissen zu wollen, auch im neuen Jahr nicht. Wohl war er in guter Form, aber die Gelegenheit blieb aus, und die funkelnden Ziffern der Championhonorare schienen blasser und blasser in die Weite zu rücken.

      Nun starb auch sein Vater, und um seiner Pflicht, als Ältester für die Familie zu sorgen, besser genügen zu können, liess er Mutter und Schwester nach Köln kommen.

      Er verlangte nach einem guten, ertragreichen Kampf. Abels, sein Manager, war auch eifrig dahinter her, da verlor der seine Frau und damit allen Schwung und zog sich mehr und mehr vom Boxsport zurück.

      Max aber wurde in diesen Tagen hart. Er wollte sich durch keinen Tod als höchstens seinen eigenen unterkriegen lassen. Somit begab er sich unter die Fittiche eines neuen Promotors namens Willi Fuchs. Der Name schien ihm ein gutes Vorzeichen, hatte er doch einen Onkel in Neuyork, der so hiess, einen nicht unbegüterten Herrn. Aber der Kölner Fuchs vermochte ihm nur einen einzigen und nicht sehr wichtigen Kampf zu verschaffen, weil seine Zeit viel zu sehr von der Betreuung des deutschen Mittelgewichtsmeisters Hein Domgörgen in Anspruch genommen war, für dessen Training Max ihm gerade gut genug dünkte.

      Max fühlte sich bald nicht mehr wohl in Köln. Aber wohin? Nach Berlin? Nach Berlin! Berlin, das war ein Begriff, den er bisher nur flüchtig gekostet hatte. Dort in der Zeitschrift „Boxsport“ hatten einst ein paar schmeichelhafte Bemerkungen über ihn gestanden, damals, als er kurz vor Weihnachten 1924 den Potsdamer Bullen Hartig schon in der ersten Runde zu Boden schmetterte. Der Chefredakteur Bülow hatte sich persönlich bei ihm in der Kabine sehen lassen und geäussert, Max möge ruhig zu ihm kommen, falls er mal was auf dem Herzen habe.

      Es war Juni, es war Sommer. Die Rheindampfer fuhren mit fröhlichen Gästen stromauf zu den grünen Gefilden des Drachenfelsen. Es war schön am Rhein um diese Zeit; aber Max hatte andere Neigungen, als Landschaften zu betrachten. Die Sehnsucht, Kunstmaler zu werden, war nie mehr in ihm aufgestanden.

      Er fuhr nach Berlin.

      Sein einziger Bekannter dort war Arthur Bülow. Er suchte ihn auf, dreissig Pfennig in der Tasche. Er wusste sich eine gute Maske zu geben, so, als sei er nur eben mal zum Vergnügen herübergebummelt, nur, um sich anzusehen, was da los sei rund um die Gedächtniskirche. So nebenbei dann liess er die Bemerkung fallen, dass er sich von Berlin mehr verspreche als von Köln.

      Bülow durchschaute die Sachlage. Aber er wurde nicht taktlos; denn eine Ahnung von Zukunft wehte ihn an.

      „Wollen Sie bei mir boxen?“ fragte er.

      „Wenn es sich lohnt, Mister“, antwortete Schmeling trocken.

      Wortlos zückte Bülow einige Scheine und legte sie als Vorschuss auf den Tisch. Am Abend noch fuhren sie nach Lanke, einem Berliner Vordorf, wo noch das alte Trainingslager des früheren deutschen Leichtgewichtmeisters Naujoks bestand.

      Max lebte auf, er kam schnell in glänzende Form, und schon einen Monat später stand er im Ring und zwang durch ein Dutzend mörderischer Niederschläge den Berliner Vongehr schon in der ersten Runde zur Aufgabe.

      Bülow war zufrieden.

      Ānny blickt über den Horizont

      Die „Kristallprinzess“ hatte, wie schon gesagt, zehntausend Mark Herstellungskosten verschlungen. Anny zweifelte fast, wenn sie sich diese hohe Summe vorstellte. Doch als sie erfuhr, dass im gleichen Jahre als „Produktionsbudget“ der amerikanischen Paramount-Filmgesellschaft nicht weniger als zweiundzwanzig Millionen Dollar veranschlagt worden seien, beruhigte sie sich.

      In Amerika hatte man längst erkannt, dass mit dem neuen Vergnügungsfaktor „Film“ eine Menge Geld zu verdienen sei. In San Franzisko war das erste richtige Filmtheater entstanden mit eigenem Orchester, und ebenfalls in Kalifornien wuchs zu Hollywood das grösste Filmatelier der Welt.

      Grossfilme waren geschaffen worden, die abendfüllend waren wie wirkliche Bühnenstücke. Die neue Technik vermählte sich mit der Kunst, neue Regisseure wuchsen in diesem Fach, neue Autoren, neue Darsteller. Und die Namen derer, die von der stummen Leinwand zur Menge sprachen, leuchteten weiter, als je ein Bühnenstück geleuchtet hatte.

      Denn der stumme Film erwies sich wie die Musik und mehr noch als die Musik von internationaler Wirksamkeit. Die Millardäre der Vereinigten Staaten hatten das Geschäft gerochen und legten Geld in Filmaktien an, wie sie es vordem in Öl, Kautschuk oder Konserven angelegt hatten. Mit ungeheurer Energie wurde der Umsatz betrieben und namentlich der Export. Schon im Jahre 1923 führte Deutschland 102 amerikanische Filme ein. 1925/26 aber waren es schon je 216 USA-Grossfilme, die die strenge deutsche Zensur zu passieren vermochten.

      Hollywood war wie ein Polyp, der Sterne und Dollars an sich sog, aber auch Sterne und Dollars vervielfältigt wieder von sich gab. Der Bedarf an guten Kräften war nicht in Amerika allein zu decken, und vergessen war alles, was die Völker im Kriege in Leid und Hass getrennt hatte. Noch war der endgültige Friedensvertrag mit Amerika nicht unterschrieben, als schon die Filmindustrie die Fühler ausstreckte nach deutschen Schauspielern.

      Kunst ist übervölkisch, das war das Schlagwort aller grossen Filmmanager.

      Im Jahre 1926 ging so auch einer der bedeutendsten deutschen Schauspieler, Emil Jannings, nach Kalifornien. Er hatte sich mit Erfolg schon im Film versucht. Da war vor allem der Film „Varieté“ gewesen, der sein Gesicht dem breiten Publikum bekannt und liebenswert gemacht hatte. Seine Partnerin in diesem Film, Lya de Putti, war schon längst in Amerika. Nun folgte auch er dem lockenden Dollarruf und wurde dort bald und für längere Zeit der grösste und bestbezahlteste Filmdarsteller der Welt.

      Der Weltkrieg war vergessen, aber seine Schrecken lebten neu auf im Film. Der Krieg war für manchen ein Geschäft gewesen, er wurde es neu durch die Kriegsgrossfilme, die jetzt modern wurden. Als Jannings in Neuyork landete, kam gerade der erste grosse Frontfilm heraus: „The big Parade“,

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