Die Groggespräche des Admirals von und zu Rabums. Hans Leip
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Wer aber glaubt, daß dieser Fall von Überdisziplin meiner eignen Wenigkeit vom Glanz geraubt hätte, hat sich geschnitten wie ein Leichdorn zu Pfingsten. Ich erwähnte eine eiserne, unansehnliche Kassette. Und während wir alles andere, was an der Totenangel hing, an die Atchinesen verkauften, die später ein gutgehendes Warenhaus damit eröffneten, behielten wir dieselbe; denn in ihr befanden sich bei näherem Zusehen nicht weniger als rund eine Viertelmillion holländischer Goldgulden, wie es denn auch in den Worten der Schrift heißt: Der da ausging, einen Kreuzer zu suchen, kam heim mit einer Krone. Spätere Chronisten werden es falsch zitieren als: Mit einem in der Krone, meine Lieben, was uns aber selbst mit diesem Grog allhier weder pass- noch genieren würde. Bei den Festessen nun riet mir der Statthalter jener Breiten, die Summe, die ich unter mir und meinen Leuten gestaffelt nach der Einkommensteuer verteilt hatte, innerhalb Landesgrenzen nutzzunießen, weshalb ich mir alsbald eine glänzende Villa am Meer kaufte, mit dem Nötigen dabei, und um Urlaub nachsuchte an höchster und allerhöchster Stelle und zugleich für die gesamte Besatzung meines Flaggschiffes, die mich zu verlassen nicht übers Herz brachte und auf Hieb und Stich, Gedeih und Verderb mit mir in fremder Wildnis auszuharren unter Mannestränen mir zuschwor. Ich stellte sie samt und sonders als Personal an, ersuchte auch um die Genehmigung, mein stolzes Schlachtschiff als verkappte Lustjacht weiterführen zu dürfen. Und dieses unter der Devise des dort nahebei mit einem Teerspritzer entsprossenen Seelords Kipling:
Hörst du nicht die Segel rauschen von Rangoon nach Mandalay ...
Denn — und hier muß ich Ihre geheime Verdächtigung korrigieren, meine Herren — nicht als strotzender Privatmann wollte ich mich dort zurückziehen, nein, nur der Gedanke des höchsten Wohles bewegte mich. Was ich wollte? Nichts Geringeres, als ein anderes Mal — direkt am Delta der Welt, ein geheimnisvolles Mach- und Bollwerk aus Diplomat- und Perfidie, ein unharmloses und -onisches Korfu, einen schwärmerisch schwärenden Nagel ins faule Fleisch des viel zu lange schon anstehenden Wohlbefin- und Friedens, äußerlich in leichtem Tropensmoking, Sampams, Tonkinghüten, italienischen Nächten, internationalem Flirt, Katerfrühstücken, innerlich bis an Zahn und Zäpfchen vom Keller bis zum Doppelboden in Stahl und Brisanz gerüstet für den Tag, den die fiebernden Aktien der Rüstungsindustrie und alle Haude- und Strategen erträumten. Denn so, meine Aufhorcher, war ich dunnemals. Den Göttern Dank, alas und ay ay.
Leider fehlte der Obersten Marineleitung daheim am grünen Tische trotz aller schuldigen Hochachtung der nötige weltweite Horizont für diesen gigantischen Plan. Man rief mich zurück. Das Unterfa-, das jedweden Belangen zur Erschütterung gereicht, zerrann, so, wie dieser Rum im Wasser zerrinnt, aber uns nicht zu erschüttern vermögen soll, indes er einen liebreicheren Geschmack im Gemüte hinterläßt als manches, was wir erlebt.
N.d.P., meine Herren — na, denn Prost!“
Die Insel der Roaring Forties
„Ahoi!“ rief der Admiral, und so war es auch diesmal. Er griff in seine Bartharfe, daß es tönte wie Sphären- und Äolsgeflüster, und die Brandung verebbte um den Stammtisch zur Duftenden Kompaßrose.
„Roaring Forties“, sprach er schimmernden Auges: „Wer denn kennt sie nicht, meine Herren, die brüllenden Vierziger, die Breiten hinter Tristan da Cunha, die verhangenen Himmel, die launische Witterung, die wilden Ausbrüche unvorhersehbarer Böen und die auf unersättliche Opfer gierige See.
Das Wasser zerfraß die Nähte der Planken und wusch mein bekotztes Logis wieder klar ...
So sang Rimbaud, der Frühvollendetste aller Seefahrer, Waffenhändler und Poeten in seinem Trunkenen Schiff.
Es gibt Familien, die derlei auch zu Hause erleben mögen, geschart hinter eine sozusagen Isolde da Cunha. Wehe dem Verwegenen, der gezwungen ist, die Stürme ihrer Breitengrade zu durchkreuzen. Weihen wir einen Schluck, meine Herren, denen, die in den atmosphärischen Störungen jener Gebiete und Gebieterinnen litt- und leiden. Nie habe ich an die Walpurgisnacht geglaubt und an den Hexentanzplatz des Brockens. Dafür glaube ich an die Insel der Roaring Forties, was einem Seemanne nach- und einzusehen kaum versagt werden dürfte.
Ich war noch Schiffsjunge, als ich zum ersten Male etwas von dem erfuhr, was der Sinnlichkeit durch die Vorschaltung des merkwürdigen Wortes Über verborgen ist. Wir hatten auf dem unermüdlichen Schwell der Westwinddrift via Kapstadt Tasmanien und Neuseeland gestreift und wollten um Kap Horn zurück nach Haus, als uns zwischen den Eilanden Bouvet und Gouph das Frischwasser ausging. Das ist bekanntlich auf See schlimmer, als wenn das Wasser zum Grog fehlt, und nichts beweist die Erbärmlichkeit der menschlichen Kreatur schlagender, als daß sie inmitten Ozeanen von Wasser glattweg zu verdursten vermag, anstatt sich, wie neuerdings die Vegetarier, rechtzeitig an das Trinken von Seesalz zu gewöhnen. Brrrr! meine Herren, ich schüttle mich mit Ihnen, und dennoch, es ist was dran, und wes Los unter uns hätte es nicht sein können, wenn auch endgült- und einmalig:
Da muß ich versinken,
den Meerwein trinken ...?
Nun gut, wir sind noch einmal gelandet. Aber damals waren wir unrettbar so weit, daß wir unseren vom Himmel verliehenen Eigenquell genossen hätten, wäre nicht auch der längst versiegt gewesen. Jedermann wird unsere Freude begreifen, als wir plötzlich auf 25 Grad westlicher Länge und 44 Grad südlicher Breite eine Insel auftauchen sahen. Sie fand sich zwar auf keiner Karte, aber das hinderte uns nicht, alsbald ein Boot auszusetzen, und ich sprang mit hinein in Furcht, die an Bord Bleibenden würden in jener unbeschreiblichen Gier, die der Erfüllung voraufgeht, ihre Drohung wahr machen und mich um meines bißchen Blutes willen, das ihnen wie Rotwein vor den verdorrten Kehlen gaukelte, schlachten.
Die Insel schien gewölbt und saftig, und die Ufer waren wie von feinstem Tüll umbrandet. Wir suchten einen gängigen Landeplatz, jumpten an Land und fanden uns jählings umringt — und das von einer Schar Frauen, die freudig auf jeden der Matrosen, Bootsleute und Leichtmatrosen Beschlag legten. Im Handumdrehen war die gesamte Bootsmannschaft nebst Steuermann zwischen den wilden Gebärden der Damen verteilt, fortgerissen und ins Innere der Insel verschlungen. Der Landeplatz war leer bis auf ein paar von Freudentränen genetzte Spitzentaschentücher. Ich stand verlassen und allein — denn ich war ja noch ein schmächtiges Bürschchen —, was mir später nicht mehr passiert wäre.
Gelangweilt ging ich am Gestade umher, sah seltsame Blumen, darunter einige von Baudelaire, auch unheimliche Tiere, die aus der Anstellung als Wasserspeier vom Ulmer Münster beurlaubt schienen, mich aber hier erquicklichst aus ihren Mäulern tränkten. Schließlich erklomm ich den Hügel, der die Mitte des Eilandes schmückte und dessen pralle Form mich an nichts als einen Pudding gemahnte; denn ich war ja noch klein. Von hier oben sah ich, daß die Insel einem Teller ähnelte, der etwas heftig aufgewaschen und somit am Rande hier und da angestoßen schien.
Von unseren Leuten sah ich vorerst nichts, bis daß sie urplötzlich aus Hütten und Höhlen hervorbrachen und in vollem Galopp mit schlotternden Gliedern zum Strande eilten, verfolgt von den Horden ungezügelter, nach ihnen die Hände ringender Damen. Nun, ich schämte mich meiner Kameraden nicht wenig, waren sie doch sonst stramme Maaten, die weder den Kapitän noch den Koch noch — wie sie behaup- — den Teufel fürchteten.
Indessen sah ich zu meinem Schrecken, daß sie ins Boot entwetzten und, ohne sich nach mir umzusehen, zum Schiffe zurückruderten. Ich rief, ich winkte, ich weinte, vergebens; die Entfernung war zu groß, und Nebel stieg auf, und nur die Damen hört- und sahen mich, und, da niemand sonst mehr vorhanden war, wandten sie alle sich mir zu, nebst ihrer Huld und Liebe.
Meine