Die Erde. Emile Zola
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Erde - Emile Zola страница 16
Es handelte sich um den famosen direkten Weg von Rognes nach Châteaudun, der die Entfernung um ungefähr zwei Meilen abkürzen sollte, denn die Wagen waren bisher gezwungen, über Cloyes zu fahren. Natürlich hatte man auf La Borderie großes Interesse an dieser neuen Verkehrsverbindung, und um den Gemeinderat mitzureißen, rechnete der Bürgermeister sehr auf seinen Stellvertreter, der auch an einer raschen Lösung interessiert war. Es war tatsächlich die Rede davon, den Weg mit der Landstraße unten zu verbinden, was den Wagen die Auffahrt zur Kirche erleichtern würde, zu der man nur auf Ziegenpfaden kletterte. Die geplante Absteckung sollte einfach der zwischen den beiden Schenken eingeengten Gasse folgen, sie erweitern und dabei den Abhang aussparen; und die Grundstücke des Kolonialwarenhändlers, die dann unmittelbar am Wege liegen und leicht zugänglich sein würden, bekämen den doppelten Wert.
„Ja“, fuhr er fort, „es scheint, daß die Regierung, um uns zu helfen, darauf wartet, daß wir über irgend etwas abstimmen ... Nicht wahr, du machst doch mit?“
Lengaigne, der Gemeinderatsmitglied war, aber nicht ein Stück Garten hinter seinem Haus hatte, antwortete:
„Mir, mir ist das egal! Was schert mich dein Weg?“ Und die andere Wange in Angriff nehmend, deren Leder er wie mit einer Raspel abschabte, kam er auf das Gehöft La Borderie zu sprechen. Ach, diese Bürgersleute heutzutage, die waren schlimmer noch als die adligen Herren von einst: ja, sie hatten alles für sich behalten bei der Aufteilung, und sie machten Gesetze nur für sich, sie lebten nur vom Elend der armen Leute!
Die andern hörten ihm zu, verlegen und im Grunde glücklich über das, was er auszusprechen wagte: den jahrhundertealten unbezähmbaren Haß der Bauern gegen die großen Grundbesitzer.
„Nur gut, weil wir unter uns sind“, murmelte Macqueron und warf einen besorgten Blick zum Schulmeister hinüber. „Ich, ich bin für die Regierung ... So hat unser Deputierter, Herr de Chédeville, der, wie es heißt, der Freund des Kaisers ist ...“
Sofort fuchtelte Lengaigne wütend mit seinem Rasiermesser herum.
„Noch ein reizender Strolch, der da! – Sollte euch so ein reicher Knopp wie er, der mehr als fünfhundert Hektar in der Gegend von Orgères besitzt, nicht euern Weg zum Geschenk machen, anstatt Sous aus der Gemeinde ziehen zu wollen? – Dreckiger Leuteschinder!“
Aber entsetzt erhob der Krämer dieses Mal Einspruch:
„Nein, nein, er ist sehr ehrbar und nicht stolz ... Ohne ihn hättest du deinen Tabakladen nicht bekommen. Was würdest du sagen, wenn er ihn dir wieder wegnähme?“
Jäh beruhigt, machte sich Lengaigne wieder daran, ihm das Kinn zu schaben. Er war zu weit gegangen, er geriet in Wut: seine Frau hatte recht, wenn sie sagte, daß diese Ideen ihm noch einen bösen Streich spielen würden.
Und man hörte alsdann einen Streit, der zwischen Bécu und Jesus Christus ausgebrochen war, Bécu war im Rausch böse, zänkisch, während Jesus Christus im Gegenteil, so ein furchtbarer Taugenichts er in nüchternem Zustand auch war, bei jedem Glas Wein mehr gerührt und von der Sanftmut und der Gutmütigkeit eines Säuferapostels überkommen wurde. Man mußte außerdem ihre grundlegende Verschiedenheit der Meinungen hinzurechnen: der Wilddieb war Republikaner, ein Roter, wie man sagte, der sich brüstete, er habe 1848 in Cloyes die Bürger den Rigaudon tanzen lassen; der Feldhüter huldigte einem grimmigen Bonapartismus, vergötterte den Kaiser, den er zu kennen behauptete.
„Ich schwöre dir, daß das stimmt! Wir haben zusammen einen Salzheringssalat gegessen. Und da hat er zu mir gesagt: ‚Kein Wort, ich bin der Kaiser ...ʻ Ich habe ihn recht wohl erkannt, nach seinem Bild auf den Hundertsousstücken.“
„Möglich! – Trotzdem ein Schurke, der seine Frau schlägt und niemals seine Mutter geliebt hat.“
„Schweig, Himmelsakrament! Oder ich schlag dir die Fresse ein!“
Man mußte Bécu das Literglas aus den Händen reißen, das er schwenkte, während Jesus Christus mit feuchten Augen in einer lächelnden Ergebenheit den Hieb erwartete. Und sie fingen wieder an, brüderlich zu spielen. Und Trumpf und Trumpf und Trumpf!
Macqueron, den die betonte Gleichgültigkeit des Schulmeisters verwirrte, fragte ihn schließlich:
„Und Sie, Herr Lequeu, was meinen Sie dazu?“
Lequeu, der seine langen bleichen Hände am Ofenrohr wärmte, setzte das saure Lächeln eines überlegenen Menschen auf, den seine Stellung zum Schweigen zwingt.
„Ich, ich meine nichts dazu, das geht mich nichts an.“
Alsdann tauchte Macqueron sein Gesicht in eine Schüssel Wasser, und prustend sagte er, während er sich abtrocknete:
„Na schön! Hört zu, ich will euch mal was sagen ... Ja, Himmelsakrament, wenn man für die Straße stimmt, gebe ich meinen Grund und Boden umsonst.“
Diese Erklärung verblüffte die anderen. Sogar Jesus Christus und Bécu hoben trotz ihres Rausches den Kopf. Schweigen entstand, man sah ihn an, als sei er plötzlich verrückt geworden; und von der erzielten Wirkung aufgepeitscht, wobei ihm jedoch die Hände zitterten wegen der Verpflichtung, die er einging, fügte er hinzu:
„Es wird gut ein halber Arpent sein ... ein Schwein, wer sein Versprechen zurücknimmt! Das ist ein Schwur!“
Lengaigne ging mit seinem Sohn Victor fort, hochgebracht und krank von dieser Großzügigkeit des Nachbarn: die Erde kostete den andern kaum etwas, er hatte die Leute genug bestohlen! Macqueron nahm trotz der Kälte seine Flinte vom Haken, ging hinaus, um zu sehen, ob er einem Kaninchen begegne, das er am Vortage am Ende seines Weinbergs erblickt hatte. Es blieben nur noch Lequeu, der hier seine Sonntage verbrachte, ohne irgend etwas zu trinken, und die beiden versessenen Spieler, die die Nase in den Karten hatten. Stunden verflossen, andere Bauern kamen und gingen wieder.
Gegen fünf Uhr stieß eine rohe Hand die Tür auf, und Geierkopf erschien, dem Jean folgte. Sobald er Jesus Christus erblickt hatte, schrie er:
„Ich hätte um zwanzig Sous gewettet ... Machst du dich über die Leute lustig? Wir warten auf dich.“
Aber geifernd und sich erheiternd antwortete der Trunkenbold:
„Ach, verdammter Spaßvogel, ich, ich warte auf dich ... Seit heute früh versetzt du uns.“
Geierkopf hatte auf La Borderie Rast gemacht, wo Jacqueline, die er seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr auf dem Heu umlegte, ihn zurückgehalten hatte, weil er mit Jean Weinbrote essen sollte. Da der Hofbesitzer Hourdequin nach der Messe zum Mittagessen nach Cloyes gegangen war, hatte man sehr lange geschwelgt, und die beiden jungen Männer, die sich an diesem Abend nicht mehr trennten, trafen eben erst ein.
Indessen brüllte Bécu, daß er die fünf Liter bezahle, daß das aber eine Partie sei, die fortgesetzt werden müsse, während Jesus Christus, nachdem er sich mühselig von seinem Stuhl losgeeist hatte, mit in Sanftmut schwimmenden Augen seinem Bruder folgte.
„Warte hier“, sagte Geierkopf zu Jean, „und komm in einer halben Stunde nach ... Du weißt, daß du mit mir beim Vater zu Abend ißt.“
Bei den Fouans waren, als die beiden Brüder die Wohnstube betreten hatten, alle vollzählig versammelt. Der Vater stand da und hielt den Kopf gesenkt. Die Mutter saß am Tisch in der Mitte der Stube und strickte mechanisch. Grosbois, ihr gegenüber, hatte soviel getrunken und gegessen, daß er