Die Erde. Emile Zola

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Die Erde - Emile Zola

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Francs; und sie gedachten alsdann, den Traum ihres Lebens zu erfüllen: ein idyllisches Alter in der freien Natur, mit Bäumen, Blumen, Vögeln. Aber was sie noch zwei Jahre zurückhielt, war die Tatsache, daß sie für Nr. 19 zu dem erhöhten Preis, den sie veranschlagten, keinen Käufer fanden. War das nicht herzzerreißend! Ein Etablissement, das sie aus dem Besten ihrer selbst geschaffen hatten, das mehr einbrachte als ein Pachthof und das man fremden Händen überlassen mußte, in denen es vielleicht verkam? Gleich bei seiner Ankunft in Chartres hatte Herr Charles eine Tochter bekommen, Estelle, die er zu den Schwestern von Mariä Heimsuchung nach Châteaudun brachte, als er sich in der Rue aux Juifs niederließ. Das war ein sittenstrenges, frommes Pensionat, in dem er das junge Mädchen bis zum achtzehnten Lebensjahre ließ, damit sie über ihre Unschuld nachsinne; und in den Ferien schickte er sie weit fort, daß sie sie in Unwissenheit über das Gewerbe verbringe, das sie reich machte. Und er holte sie erst an dem Tage aus dem Pensionat, da er sie mit einem jungen Angestellten vom Akzisenamt verheiratete, mit Hector Vaucogne, einem hübschen Burschen, der schöne Eigenschaften durch eine ungewöhnliche Faulheit verdarb. Und sie ging bereits auf die Dreißig, sie hatte ein kleines Mädchen von sieben Jahren mit Namen Elodie und wußte nun allmählich Bescheid; als sie jetzt erfuhr, daß ihr Vater sein Geschäft abgeben wollte, kam sie von selber und bat ihn um das Vorkaufsrecht. Warum sollte das Geschäft aus der Familie kommen, da es so sicher und so schön war? Alles wurde geregelt, die Vaucognes übernahmen das Etablissement, und die Badeuils hatten vom ersten Monat an die rührende Genugtuung, festzustellen, daß sich ihre allerdings in anderen Vorstellungen erzogene Tochter als eine überlegene Hausherrin offenbarte, was glücklicherweise die Schlappheit ihres Schwiegersohnes ausglich, der über keinerlei Verwaltungssinn verfügte. Sie hatten sich vor fünf Jahren nach Rognes zurückgezogen, von wo aus sie auf ihre Enkeltochter Elodie aufpaßten, die man nun, da sie an der Reihe war, ins Pensionat nach Châteaudun zu den Schwestern von Mariä Heimsuchung gebracht hatte, damit sie dort fromm nach den strengsten Grundsätzen der Moral erzogen werde.

      Als Herr Charles in die Küche trat, wo ein junges Dienstmädchen ein Omelett schlug und dabei auf eine Pfanne Lerchen aufpaßte, die in Butter brutzelten, nahmen alle, sogar der alte Fouan und Delhomme, die Kopfbedeckung ab und schienen außerordentlich geschmeichelt, die Hand zu drücken, die er ihnen hinstreckte.

      „Ach! Was für ein reizendes Besitztum haben Sie da, Herr Charles!“ sagte Grosbois, um ihm angenehm zu sein. „Und wenn man bedenkt, daß Sie einen Spottpreis dafür bezahlt haben! Ja, ja, Sie sind ein Schlauberger, ein richtiger Schlauberger!“

      Der andere warf sich in die Brust.

      „Eine Gelegenheit, ein Fund. Das hat uns gefallen, und außerdem legte meine Frau unbedingt Wert darauf, ihre Tage in ihrem Heimatort zu beschließen ... Ich, ich habe mich vor Herzensdingen immer gebeugt.“

      Roseblanche, wie man das Besitztum nannte, war die törichte Laune eines Bürgers aus Cloyes, der dafür fast fünfzigtausend Francs ausgegeben hatte, als ihn ein Schlaganfall dort zu Boden schmetterte, noch bevor der Anstrich getrocknet war. Das sehr schmucke, auf halbem Hang gelegene Haus war von einem drei Hektar großen Garten umgeben, der bis zum Aigre hinabreichte. Hier hinten in diesem verlorenen Nest am Rande der traurigen Beauce hatte sich kein Käufer gefunden, und Herr Charles hatte das Anwesen für zwanzigtausend Francs bekommen. Selig befriedigte er dort alle seine Neigungen: im Fluß gefangene prachtvolle Forellen und Aale, mit Liebe angelegte Sammlungen von Rosenstöcken und Nelken, Vögel schließlich, ein großes Vogelhaus voll von den Singvogelarten unserer Wälder, die niemand außer ihm pflegen durfte. Das gealterte und zärtliche Ehepaar verzehrte dort seine zwölftausend Francs Jahreszinsen in vollkommenem Glück, das es als rechtmäßige Belohnung seiner dreißig Jahre Arbeit ansah.

      „Nicht wahr?“ fügte Herr Charles hinzu. „Man weiß hier wenigstens, wer wir sind.“

      „Zweifellos kennt man Sie“, antwortete der Landvermesser. „Ihr Geld spricht für Sie.“

      Und die anderen stimmten zu.

      „Gewiß, gewiß.“

      Da trug Herr Charles der Magd auf, Gläser zu reichen. Er selber ging hinunter, um zwei Flaschen Wein aus dem Keller zu holen. Die Nase der Bratpfanne zugewandt, in der die Lerchen schmurgelten, schnupperten die anderen den guten Duft. Und sie tranken ernst und genießerisch.

      „Ach! Donnerwetter! Der hier, der ist nicht aus der Gegend! – Famos!“

      „Noch einen Schluck ... Zum Wohl!“

      „Zum Wohl!“

      Als sie ihre Gläser wieder hinstellten, erschien Frau Charles, eine zweiundsechzigjährige Dame von ehrwürdigem Aussehen, mit schneeweißem in der Mitte gescheiteltem, in breiten Strähnen über die Schläfen gekämmtem Haar, die die schwerfällige Maske mit der großen Nase der Fouans hatte, die aber von rosiger Blässe war, klösterlichen Frieden und Sanftmut atmete, mit der Haut einer alten Nonne, die im Schatten gelebt hatte. Gleich hinter ihr kam ihre Enkeltochter Elodie, die zwei Ferientage in Rognes verbrachte und sich verstört in ihrer linkischen Schüchternheit an sie schmiegte. Sie war von Bleichsucht verzehrt, zu groß für ihre zwölf Jahre, hatte bei ihrer Blutarmut eine weiche und aufgedunsene Häßlichkeit, wenige und farblose Haare; durch ihre Erziehung zu einer unschuldigen Jungfrau war sie übrigens so gehemmt, daß sie dadurch einfältig geworden war.

      „Sieh mal einer an! Ihr seid da?“ sagte Frau Charles und drückte die Hände ihres Bruders und ihres Neffen langsam und würdevoll, um den Abstand zu betonen. Und sich umdrehend, sagte sie, ohne sich weiter mit den Männern zu befassen: „Treten Sie ein, treten Sie ein, Herr Patoir ... Das Tier ist hier.“

      Es war der Tierarzt aus Cloyes, ein kleiner dicker, sanguinischer, rötlichblauer Mann mit einem Feldwebelgesicht und starken Schnurrbartenden. Er war soeben in seinem schmutzigen Einspänner im prasselnden Platzregen eingetroffen.

      „Das arme Herzchen“, fuhr sie fort und zog dabei unter dem warmen Ofen einen Korb hervor, in dem ein alter Kater im Sterben lag, „das arme Herzchen ist gestern von einem Zittern befallen worden, und deshalb habe ich Ihnen also geschrieben ... Ah, er ist nicht mehr jung, er ist annähernd fünfzehn Jahre alt ... Ja, wir haben ihn zehn Jahre in Chartres gehabt; und letztes Jahr hat meine Tochter ihn sich vom Halse schaffen müssen, ich habe ihn hierher mitgebracht, weil er sich in allen Winkeln des Ladens vergessen hat.“

      Der Laden, das sagte sie wegen Elodie, der man erzählte, daß ihre Eltern einen Süßigkeitenhandel unterhielten und so mit Geschäften überhäuft waren, daß sie sie dort nicht aufnehmen konnten. Übrigens lächelten die Bauern nicht einmal, denn in Rognes sagte man, daß „Hourdequins Gehöft nicht Herrn Charles’ Laden aufwog“. Und mit runden Augen betrachtete sie den alten gelben, abgemagerten, enthaarten, bejammernswerten Kater, den alten Kater, der in allen Betten der Rue aux Juifs geschnurrt hatte, den Kater, den die üppigen Hände von fünf oder sechs Generationen Damen geliebkost, gekitzelt hatten. So lange Zeit hindurch war er als Lieblingstier verhätschelt worden, das mit dem Salon und den abgeschlossenen Zimmern vertraut war, die Salbenreste aufleckte, das Wasser aus den Waschtischgläsern trank, als stummer Träumer den Dingen beiwohnte und alles sah mit seinen schmalen Pupillen in den Goldringen.

      „Herr Patoir, ich bitte Sie“, schloß Frau Charles, „machen Sie ihn gesund.“

      Der Tierarzt riß die Augen auf, zog Nase und Mund kraus, seine ganze gutmütige und brutale Doggenschnauze geriet in Bewegung. Und er schrie:

      „Wie? Deswegen haben Sie mich bemüht? – Den werde ich Ihnen bestimmt gesund machen! Binden Sie ihm einen Stein an den Hals und schmeißen Sie ihn ins Wasser!“

      Elodie brach in Tränen aus, Frau Charles blieb vor Entrüstung die Luft weg.

      „Aber

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