Der Zauberladen von Applecross (Bd. 1). Pierdomenico Baccalario

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Der Zauberladen von Applecross (Bd. 1) - Pierdomenico  Baccalario

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wir mal, Finley stand zwischen ausreichend und mangelhaft. Jedenfalls solange er zur Schule ging.«

      »Wir hatten ja nicht die geringste Ahnung …«, flüsterte meine Mutter, deren Wut sich inzwischen in mitleiderregende Beschämung verwandelt hatte. »Wir haben Finley immer vertraut …«

      »Ich …«, setzte ich noch einmal an, aber keiner nahm Notiz von mir, als wäre ich gar nicht anwesend. Oder als wäre ich eine Statue oder ein Sklave, der nur ohnmächtig sein Schicksal erwarten konnte.

      »Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Mrs McPhee …«, fuhr die Witwe fort. »Viele andere Kinder haben auch ein Schuljahr wiederholt. Und das war keine Tragödie. Manchmal kann das sogar sehr heilsam sein.«

      »Heilsam, natürlich …«, sagte mein Vater leise, aber es klang so schneidend, als würde er ein Messer auf einem Schleifstein wetzen.

      »Das ist eine gute Gelegenheit für ihn, mal richtig in sich zu gehen und vielleicht über sein Verhalten nachzudenken. Es wäre bedauernswert, wenn Finley sich nicht ernsthafter seiner Bildung widmete, denn man hat mir gesagt, er sei ein sehr aufgeweckter Junge …«

      »Sehr aufgeweckt …«, wiederholte mein Vater.

      »Der vielleicht nur etwas mehr Motivation braucht …«

       Motivation?

      Ich war immer schon der Meinung gewesen, dass das Schicksal hinterhältig, feige und gemein ist. Ich stellte es mir als einen boshaften Mistkerl vor, der Zufälle hin und her schob, wie er wollte, damit man glaubte, nichts geschehe mit Absicht, während er schon längst alles entschieden hatte. Und tatsächlich fing Dusty in diesem Moment an zu jaulen, als hätte ihm jemand auf den Schwanz getreten.

      »Verdammter Köter, geh doch aus dem Weg!«, schimpfte mein Bruder Doug und stieß das Fliegengitter auf, um ins Haus zu kommen. Er sah uns vier an, mit diesem stumpfen Blick eines vollkommen intelligenzfreien Rugby-Champions, und raffte natürlich nicht, was hier los war. »He?«, rief er dann dröhnend. »Ist etwa jemand gestorben?«

      Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Das passierte mir immer, wenn Doug einen Raum betrat und eine Frage stellte, denn leider konnte ich nicht leugnen, dass er mein Bruder war.

      »So etwas in der Art: Dein Bruder bleibt sitzen«, erklärte ihm Mama.

      Doug sah mich irgendwie seltsam an. Als würde er das erste Mal seit Jahren feststellen, dass wir etwas gemeinsam hatten.

      »Wirklich?«, sagte er und zerzauste mir die Haare. »He, stark!«

      »Darüber sprechen wir später …«, sagte mein Vater leise und erhob sich mühsam. »Danke, dass Sie persönlich vorbeigekommen sind, Mrs Rozenkratz.«

      Die beiden gaben sich die Hand.

      »Ich nehme an, es ist sinnlos, wenn Finley die letzten Tage vor Ferienbeginn noch einmal zur Schule geht, oder?«

      Die Witwe nickte. »Das glaube ich auch, Mr McPhee.«

      Papa nickte ebenfalls, sehr bedächtig.

      »Verabschiede dich von Mrs Rozenkratz«, befahl mir Mama und meine Hand schnellte automatisch vor wie die eines Roboters.

      »Dann sehen wir uns also im nächsten Schuljahr, Finley«, sagte die Rektorin lächelnd.

      Vielleicht tat es ihr ja wirklich leid. Oder sie wusste schon, was in einigen Tagen passieren würde. Ich will lieber glauben, dass es nicht so war und dass ich die Familie Lily auch kennengelernt hätte, wenn ich nicht sitzen geblieben wäre. Aber da kann ich mir nicht sicher sein.

      Wir schwiegen peinlich berührt, während die Witwe Rozenkratz den Raum verließ. Dann, als wir hörten, wie sie den Motor ihres Stadtflitzers anließ, sah mein Vater mich endlich an, Mama verzog sich in die Küche und Doug fragte: »Also, was gibt’s heute zu Mittag?«

      DRITTES KAPITEL

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      DER REVEREND

      MISTER CULLEN

      JULES DER POSTBOTE

      An das Mittagessen und den darauffolgenden Nachmittag erinnere ich mich nicht gern: Nachdem ich gleich eine doppelte Standpauke von beiden Elternteilen kassiert hatte, flüchtete ich mich in mein Zimmer. Dusty durfte mich natürlich nicht begleiten. Er trollte sich auf die Wiese unter meinem Fenster und rollte sich neben der Buche zusammen. Ich legte mich auf mein Bett und hatte bis zum Abend nur meine Gedanken als Gesellschaft.

      Die waren nicht gerade schön: Ich musste immer wieder darüber nachgrübeln, dass ich einen Fehler gemacht hatte, klar, und dass ich von nun an wohl nicht mehr tun und lassen konnte, was ich wollte. In Zukunft würde ich besser aufpassen müssen, wollte ich mich nicht erwischen lassen. Wahrscheinlich hatte ich es ein bisschen übertrieben. So etwas in der Art ging mir durch den Kopf. Und am Abend fühlte ich mich ein wenig besser. Ich möchte nicht behaupten, dass ich an diesem Tag etwas erwachsener geworden bin, aber ich begriff immerhin, dass ich nicht auf ewig ein Kind sein wollte.

      Als es Zeit zum Abendessen war, klopfte mein Vater an die Tür zu meinem Zimmer. Er war der Einzige, der anklopfte, meine Mutter und Doug kamen immer so rein.

      »Ja«, sagte ich und setzte mich ruckartig auf.

      Ich wollte nicht, dass er mich so in die Kissen vergraben sah und etwa denken könnte, ich sei völlig verzweifelt wegen dem, was ich angestellt hatte. Immerhin hatte ich ein ganzes Schuljahr sausen lassen und mir damit höchstwahrscheinlich den Sommer verdorben. Er sollte einfach nur denken, dass es mir leidtat.

      »Wir haben alle zurückgesteckt, Finley, damit du zur Schule gehen kannst«, begann mein Vater und machte mir damit klar, dass die ganze Sache noch lange nicht vom Tisch war. »Es wäre durchaus nützlich für den Hof, wenn du dich um die Schafe kümmern würdest. Dein Bruder und ich müssen ziemlich ackern, um hier zu zweit zurechtzukommen.«

      »Papa, es tut mir leid. Aber ich würde dir und Doug gern …«

      »Das ist nicht wahr«, erwiderte mein Vater. »Auf Dauer wärst du nicht glücklich. Ganz bestimmt nicht. Und das weißt du selbst genau.«

      Es stimmte. Und das wusste ich auch, na klar. Ich war der Meinung, dass Schafe die dümmsten Lebewesen waren, die es auf der Welt gab. Abgesehen von Doug natürlich.

      »Wir haben alle zurückgesteckt, deinetwegen«, fing mein Vater wieder an. »Und du hast uns hintergangen. Bei deinem Bruder haben wir ziemlich schnell gemerkt, dass die Schule nichts für ihn ist. Aber du bist nicht Doug. Und deshalb …«

      Er ließ den Satz drohend in der Schwebe.

      »… bringe ich dich morgen zu Reverend Prospero«, vollendete er ihn schließlich in einem Atemzug.

      Und damit ging er und ließ mich auf dem Bett und ohne Abendessen sitzen.

      Als mir klar wurde, was ich da eben gehört hatte, rannte ich zum Fenster. »Dusty! Hast du gehört? Dusty! Sie schicken mich zu Reverend Prospero!«

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