Die Politik Jesu. John Howard Yoder
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Politik Jesu - John Howard Yoder страница 5
In John Yoders Buch kommt das mennonitische Zeugnis des Evangeliums so klar zum Ausdruck, dass wir im Blick auf diese Verurteilungen und Verfolgungen beschämt und zugleich von dieser Last der Vergangenheit befreit werden.
2. Evangelische Theologie versteht sich als Theologie, die allein und ganz dem Evangelium verpflichtet ist, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Der Stachel im Evangelium aber ist Jesu Bergpredigt. Wie kommt es, dass nach Kreuzigung und Auferstehung Jesu und nach der Verkündigung vom darin offenbaren Heil durch die Urgemeinde und durch Paulus die synoptischen Evangelien noch einmal auf den irdischen Jesus zurückkommen, sein Evangelium vom Reich für die Armen erzählen, seinen Weg in die Passion für die Glaubenden und ihre Nachfolge verbindlich machen und also die Glaubenden in die Gemeinschaft mit dem Volk Jesu bringen? Die Bergpredigt ist mit ihrer bedingungslosen Seligpreisung der Armen, Hungrigen und Weinenden und mit ihrem rücksichtslosen Anspruch auf Feindesliebe und Gewaltlosigkeit immer ein Ärgernis in der Geschichte von Theologie und Kirche gewesen. Im Mittelalter half man sich mit der Verteilung der Nachfolgeethik für die Orden und einer allgemeinen Naturrechtsethik für die Weltchristenheit. Die reformatorische Theologie verinnerlichte die Seligpreisungen und verdrängte die Forderungen auf das private Leben im Rahmen der jeweiligen politischen Ordnung. Auch die neue Begründung der christlichen Ethik auf die Herrschaft Christi über das ganze Leben (Karl Barth) lassen den irdischen Jesus und die Nachfolge zurücktreten. Selbst Dietrich Bonhoeffer wandte sich von der Nachfolgeethik, die er 1938 wiederentdeckt hatte, ab, als er in den aktiven Widerstand gegen die Hitlerdiktatur ging. Mit John Yoders Buch über die „Politik Jesu“ gewinnen wir einen neuen Zugang zum irdischen Jesus, zum Weg Jesu und zu einer Christopraxis, ohne die der auferstandene Herr und die Christologie nicht verstanden werden können. Yoder zählt sich selbst zur exegetischen Schule des „biblischen Realismus“. Manche seiner neutestamentlichen Thesen mögen heute umstritten sein, wie zum Beispiel die historische These vom Jubeljahr, das Jesus in Nazareth ausgerufen hat, oder die „Theologie der Mächte“, die Yoder bei Paulus findet. Aber unumstritten ist sein Gedanke von der „messianischen Ethik“ Jesu und weiterführend ist seine Auslegung der Bergpredigt von der Praxis damals zur Praxis heute. Denn durch die Bergpredigt wird unsere Wirklichkeit nicht nur anders interpretiert, sondern vielmehr verändert. Sie wird verändert, weil sie im Anbruch des Reiches Gottes erfahren wird.
3. Der Friedensdienst der Kirche Christi ist heute aktueller denn je. Nachdem die europäische Entspannungspolitik der Großmachtpolitik der Supermächte zu weichen beginnt, werden die alten Fronten wieder aufgerichtet. Was dient dem Frieden: „Ohne Rüstung leben“ und also Abrüsten oder „den Frieden sichern“ und also Nachrüsten zwecks Abschreckung potenzieller Feinde? Unter den Bedingungen atomarer Weltvernichtung können die alten Traditionen des „gerechten Krieges“ oder der optimistische Pazifismus nichts mehr sagen. Keiner kann sicher sein, dass seine Entscheidung dem Frieden und nicht dem Krieg dient. Die Risiken sind auf beiden Seiten unübersehbar geworden. Darum wird von Theologen und Kirchen auch nicht eine bessere Kalkulation der Gefahren erwartet, als die Regierenden leisten können, sondern moralische Vollmacht und eine Hoffnung, die gewiss macht. Doch wo ist der Ansatzpunkt dafür?
John Yoder fordert uns mit diesem Buch auf, in der Nachfolge Jesu zu handeln und im Horizont des anbrechenden Reiches Gottes zu urteilen. Auf diesem Weg erschließt sich die „Politik Jesu“. Die Nachfolge Jesu kann nur mit ganzer Seele, ganzem Herzen und allen Kräften angetreten werden. Sie ist ungeteilt und unteilbar. Die Nachfolge Jesu ist teure Gnade (Bonhoeffer): Sie schließt Verachtung, Verfolgung, Folter und Hinrichtung nicht aus, sondern ein. Wehrlosigkeit und Leidensbereitschaft gehören zusammen. Das haben die Täufer immer gewusst. Sie sind aber nur die Kehrseite des schöpferischen Lebens für den Frieden im Anbruch des Reiches Gottes. Das Nein zu Rüstung, Abschreckung und Kriegführung ist immer nur die Kehrseite eines größeren und umfassenderen Ja zum Leben. Christen aus allen kirchlichen, theologischen und politischen Lagern können von den Mennoniten lernen, was aktiver Friedensdienst in unserer Weltsituation heißt.
Tübingen, 7. März 1981 Jürgen Moltmann
Vorwort des Autors zur ersten Auflage
Das Anliegen dieses Buches lässt sich nicht schnell und in wenigen Worten umschreiben. Auf der am wenigsten abgehobenen Ebene ist es die Antwort eines engagierten christlichen Pazifisten auf die Tatsache, dass die etablierte christliche Theologie nie um Auswege verlegen war, die sie an den pazifistischen Inhalten der Botschaft des Neuen Testaments vorbeiführten.
Auf der abstrakteren Ebene stellt es eine Übung in fundamentaler philosophischer Hermeneutik dar. Es versucht die Einsichten über das biblische Weltbild, die unter der Bezeichnung „biblischer Realismus“ bekannt geworden sind, auf das Leben der christlichen Gemeinschaft anzuwenden. Seit den Pionierleistungen von Hendrik Kraemer, Otto Piper, Paul Minear, Markus Barth und Claude Tresmontant ist es nicht mehr unvorstellbar, dass in der biblischen Sicht der Realität Dimensionen enthalten sind, die sich nicht einfach in zeitgenössische Weltbilder einfügen lassen, sondern in kreativer Spannung zu der Kultur unserer und vielleicht jeder Zeit stehen. Das Hauptinteresse der Bewegung des „biblischen Realismus“ vor einer Generation richtete sich auf die Metaphysik und die Persönlichkeit Gottes. Daraus erwuchs die erneute Beschäftigung mit Ekklesiologie und Eschatologie, ohne die weder bestimmte ökumenische Entwicklungen noch das Entstehen der „Theologie der Hoffnung“ möglich gewesen wäre. Dieses Buch erarbeitet auf dem Gebiet der Ethik – als späte Frucht der biblisch realistischen Revolution – eine Sicht, in der gerade Ekklesiologie und Eschatologie neue Bedeutung für das Wesen der Ethik erhalten.
Auf beiden Ebenen – der ethischen und der hermeneutischen – möchte dieses Werk Zeugnis davon ablegen, dass – über die Fragen theoretischer und formaler Natur hinaus – in Jesu Vision der göttlichen Ordnung genug konkretes und spezifisches Material enthalten ist, um die heutige Zeit anzusprechen. Und selten war eine Zeit so aufnahmebereit wie die unsere – vorausgesetzt, man befreit das Material von verfälschenden Vorurteilen.
In den zehn Jahren seit der Verfassung dieses Textes in der amerikanischen Urform hat manche Kritik, manches Forschungsergebnis das Bild im Kleinen geändert; doch bleibt die Hauptthese nach wie vor vertretbar. Nur an wenigen Stellen wurde versucht, Neueres hinzuzufügen. Etliche rein amerikanische Anspielungen wurden fallen gelassen, einige neuere Literaturhinweise ergänzt.
Die Vorbereitung des amerikanischen Textes wurde durch Unterstützung des Institute of Mennonite Studies und der Schowalter Foundation ermöglicht; viele Kollegen und Freunde haben durch ihren Rat und ihre Kritik mitgeholfen. Für die deutsche Fassung bin ich dem Übersetzer zu Dank verpflichtet. Für ihre Anregungen und ihre Kritik danke ich besonders Ruthild Foth, Julia Hildebrandt und Andrea Lange. Die Drucklegung wurde durch Unterstützung des Mennonite Central Committee (Peace Section), des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees, der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden und durch die Hilfe vieler Freunde ermöglicht.
Vorwort des Autors zur zweiten Auflage
Jedes Kapitel der ersten Auflage von 1972 war damals eine Zusammenfassung der allseits bekannten Forschung jener Zeit. Es war keine eigene neutestamentliche Forschung, sondern die Popularisierung vorhandener Erkenntnisse. In der Vorbereitung des Buches beobachtete ich einige Jahre die damals aktuellen Veröffentlichungen, doch nie habe ich behauptet,