Elfenzeit 6: Zeiterbe. Uschi Zietsch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch страница 16
Der Constable schien an seinem Gesichtsausdruck abzulesen, dass er nicht gewillt war, auf Reisen zu gehen. »Es ist mir in diesen Zeiten nicht möglich, Ihnen eine Leibgarde zu stellen. Das müssen Sie verstehen«, versuchte er es auf anderem Wege.
»Weil ich ja nur ein kleiner Sternengucker bin, nicht wahr?«, ergänzte Edmond und stellte die Tasse etwas zu kraftvoll auf dem Unterteller ab.
»Bitte, Sir. Halten Sie mich nicht für parteiisch oder gar politisch. Das bin ich nicht. Und nebenbei bemerkt, finde ich es außerordentlich spannend, was Sie an unserem Himmel abzulesen vermögen. Aber am Ende bin ich nur ein einfacher Parish Constable ohne höhere Befugnisse.«
Mit unzufriedener Miene griff Johnson nun doch noch nach einem Toast und schmierte sich Butter darauf. »Aber vielleicht könnte ich die Route der Patrouillen für die nächsten Tage ändern lassen. Damit sie öfter an ihrem Haus vorbeigehen«, sagte er, nachdem er den Toast zusammengeklappt und einmal davon abgebissen hatte.
»Das ist mehr als ich erwartet habe«, entgegnete Edmond ehrlich gerührt und beugte sich vor. »Ernsthaft, Constable Johnson. Ich weiß Ihre Haltung wirklich zu schätzen.«
»Und ich Ihren Mut für die Sache«, erwiderte der Constable.
Einen Moment lang sahen sich die Männer unbewegt an. Auge in Auge. Kein Kräftemessen, sondern die Offenbarung von Gefühlen, die man in ihren jeweiligen Positionen nicht zu zeigen hatte. In dieser Gesellschaft war kein Platz für solcherlei Weichheit und Mitgefühl. Und doch fand man diese seltene Art von Menschlichkeit und Seelenanmut, wenn man nur den eigenen Blick dafür öffnete. Wenn man den Kern eines Wesens anerkannte und nicht nur seine Hülle.
Schließlich rückte der Constable den Sessel ein Stück zurück und griff nach seinem Hut. »Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, was die Ermittlungen angeht. Aber machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen, dass wir die Kerle stellen werden, da Sie keinen genauer beschreiben konnten.«
Ein paar kräftige Gestalten, die sich im Dunklen anschlichen. Dazu mit ungehobelten Umgangsformen. Ja, da kamen viele in London in Frage.
»Das Prinzip zählt hier mehr als der Erfolg«, antwortete Edmond und erhob sich ebenfalls.
Zum Abschied schüttelten sich die Männer die Hand. »Passen Sie auf sich auf, Mr Halley.«
Am Nachmittag entschied Edmond, dass er trotz des Vorfalls zur üblichen Tee-Versammlung der Royal Society gehen würde, um die Stimmung unter seinen Kollegen auszuloten.
Er wollte gerade Richtung Park abbiegen, als ihm eine schlanke Gestalt in grauer Kutte auffiel, die zwischen den ersten Bäumen stand. Die Kapuze war nach unten gezogen, das Gesicht nicht auszumachen. Die Person hielt die Hände in den weit fallenden Ärmeln verborgen. Ganz so, wie es die Mönche und Prediger gern taten.
Edmond presste die Lippen aufeinander und blieb stehen. Die Gestalt blicke direkt in seine Richtung. Unbewegt, wie ein grauer, drohender Schatten zwischen den reichbehängten Kastanienbäumen.
Panik stieg in Edmond auf. Bilder des vergangenen Abends flackerten vor seinem inneren Auge. Er glaubte, den Schmerz erneut in seiner Magengrube zu spüren. Es ist helllichter Tag, ermahnte er sich. Niemand wird es wagen, dich jetzt anzugreifen, wo alle es sehen können. Der Mann ist nur ein ganz normaler Geistlicher. Er sieht nur zufällig in meine Richtung. Mehr nicht.
Doch sein Körper wollte ihm nicht recht glauben, die Beine nicht gehorchen, als er versuchte weiterzugehen. Nicht, wenn er diese Richtung einschlagen wollte. Sollte er umkehren? Fliehen? Vor einem Hirngespinst?
Nein. Auf keinen Fall wollte er sich der Angst beugen. Er würde einfach den Umweg über die Straße wählen, statt den angenehmeren Weg durch den Park. Dann würde sich zeigen, dass er sich etwas einbildete.
Mit einem kurzen verlegenen Blick in den Himmel drehte Edmond sich nach links und marschierte möglichst unbekümmert den Fußweg entlang. Weg vom Eingang des Parks. Weg von seinem potentiellen Attentäter.
Er hatte bereits eine Straße hinter sich gelassen, als er Schritte zu hören meinte. Auffällig hektische Schritte. Solche, die ihn verfolgten. Edmond spannte die Kiefer an. Hirngespinste waren das. Angstgestalten. Reine Phantasie! Aber so gewaltig, dass sie sein Herz rasen ließen. Schweiß trat ihm auf die Stirn, seinen Atem wurde zusehends kürzer und abgehackter.
Näher und immer näher schienen die Schritte zu kommen. Ledersohlen auf dem Kopfsteinpflaster. Trugen Mönche Lederschuhe? Seine Logik versuchte durch das Wirrwarr seiner Gefühle emporzusteigen, dagegen anzukämpfen. Ohne Erfolg.
Edmond glaubte, den Atem seines Verfolgers bereits im Nacken zu spüren. Doch immer noch wagte er nicht, sich umzudrehen. Bloß nicht stehenbleiben. Ja nicht innehalten. So wenig wie möglich Angriffsfläche bieten. In der Menge verschwinden. Ja, er musste sich verstecken. Zwischen den Menschen. Irgendwo. In einem der Läden.
Edmond blickte hektisch die schmalen Eingänge der Geschäfte entlang. Beim Schuster war zu wenig los. In der Parfümerie für Damen würde er zu sehr auffallen. Als nächstes kamen mehrere kleine Fensterausschnitte aus Bleikristall in Sicht, die Auslagen eines Hofschneiders, der auch die Fertigung von Kleidung für den vermögenden eleganten Herrn anbot. Braune und weiße Allonge-Perücken, Justaucorps in Samt und Seide mit breiten Ärmelaufschlägen mit Spitzenbesatz, Westen, Culottes und Jabots.
Kurzerhand trat Edmond ein.
»Guten Tag, Sir«, wünschte ein hagerer Mann in adrettem Justaucorps. In der angrenzenden, offen einsehbaren Schneiderei wurde fleißig gewerkelt.
»Guten Tag«, sagte Edmond und merkte, dass in seiner Stimme etwas Gehetztes lag. Also atmete er gezwungen einmal durch und trat hin zu den Auslagen für weiße Spitzenhalstücher.
»Was kann ich für Sie tun? Wünschen Sie etwas zu Ihrem aktuellen Kleider-Ensemble?« Der Mann, der wohl für den Verkauf zuständig war, klang höflich-reserviert und deutete auf die verschiedenen Auslagen ringsum.
Edmond konnte nicht anders, er blickte über die Schulter hin zum Eingang. Und tatsächlich, auf der anderen Seite einer Scheibe stand jemand und schaute herein. Edmond konnte ihn zwischen zwei Perückenständern nicht genau erkennen.
Was jetzt? Seine innere Stimme schrie ihn an, sich zu verstecken. Sich zu verkriechen und den Atem anzuhalten, bis die Gefahr vorüber war. Sein Verstand protestierte. Hier in der Öffentlichkeit? Vor Zeugen? Unmöglich.
Doch die Angst quoll in ihm über. »Einen Rock. Ich benötige einen festlichen Rock für eine Festrede«, stammelte Edmond und stürmte weiter zum rückwärtig gelegenen Regal mit den Stoffen, aus denen maßgefertigte Kleider wurden.
Im Vorbeigehen sah er, dass der Verkäufer die Augenbrauen hob und den Blick an Edmond entlang wandern ließ. Abschätzend, wen er da vor sich hatte. Doch Edmond war es egal. Er deutete auf einige Stoffe. »Haben Sie wohl irgendwo einen Spiegel, vor dem ich mir ein paar Tücher hinhalten kann, ob mir die Farben und Muster überhaupt stehen? Und das ungestört, ich meine … ohne, dass mir jeder dabei zusieht?«
»Gewiss doch, Sir, dafür haben wir ein kleines Séparée«, sagte der Mann indigniert. Ihm war deutlich anzumerken, dass er Edmond für keineswegs zahlungskräftig genug hielt, war aber zu sehr Gentleman, um ihn sofort hinauszukomplimentieren. Er suchte Edmond ein paar Reststoffe heraus, die für diesen Zweck gedacht waren,