Elfenzeit 6: Zeiterbe. Uschi Zietsch
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Читать онлайн книгу Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch страница 18
»Wie wäre es, wenn wir uns auf Fahrrädern auf den Weg zum See machen?«, schlug Rian erneut vor. Pierre hatte schließlich erwähnt, dass es einen Verleih gleich um die Ecke gab.
David verzog das Gesicht, trank von seinem Kaffee und bequemte sich erst nach einer Weile zu einer Antwort. »Willst du nassgeschwitzt vor Nimue treten?«
»Ach was. Wir nehmen einfach diese elektronischen Dinger. Die, mit denen das Fahren nicht so anstrengend ist. Das wird wie Rollerfahren in Italien. Wind im Haar, Sonne im Gesicht und die Welt lächelt einem zu.«
Ihr Bruder verdrehte die Augen. »Wenn es sein muss. Aber du organisiert die Dinger.«
»Abgemacht!« Rian sprang auf, griff sich am Büfett noch einen Apfel für zwischendurch und winkte ihrem Bruder. »Komm endlich, dir wird schon kein Zacken aus dem Krönchen fallen, wenn du mal in die Pedale trittst. Wir haben einen Ausflug vor uns.«
Brocéliande Bike Tour war kaum zweihundert Schritte entfernt. Eher eine Lagerhalle als ein Laden. Dafür aber mit genug Rädern, um auch ohne Reservierung zwei passende für unwegsames Gelände herauszusuchen.
»Mit den dicken Profilen ist es zwar anstrengender zu fahren, aber dafür halten sie die vielen kleinen Kanten aus, die sich in die Reifen drücken, wenn ihr über die Schiefersteinwege fahrt«, erklärte Serge.
Ein junger, dunkelhäutiger Kerl mit wundervoll schwarzer Wuschelmähne. Seine Augen funkelten wie zwei geschliffene Tigeraugen-Gemmen. Die Blicke, die er Rian zuwarf und die Stimmlage machten deutlich, dass er durch und durch Franzose war.
Rian nutzte die Gelegenheit und ließ sich von ihm auf der kleinen Faltkarte aus dem Hotel die beste Strecke beschreiben, die sie zum See führen würde. Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit einer App auf dem Smartphone, aber die Elfenprinzessin winkte ab.
»Wenn es schnell gehen soll, dann könnt ihr an der D773 entlang nach Norden fahren. Immer geradeaus, bis kurz vor La Loriette. Nach der kleinen Siedlung rechts ab zwischen den Feldern entlang. Der See de Comper und das Chateau mit dem Artus-Zentrum sind ausgeschildert.« Serge malte die Strecke mit seinem Finger nach und tippte dann ans obere Ende des Sees. »Da gibt es auch Souvenirs oder Führungen durch das Schloss. Ich würde euch ja selbst rumführen, wenn ich Zeit hätte. Gesehen und gehört hab ich das alles schon tausend mal.«
»Das wird nicht nötig sein«, unterbrach David ihn sichtlich ungeduldig. »Komm, Rian. Der Tag wartet nicht.«
Der Tag vielleicht nicht, aber Nimue, dachte Rian und setzte ein bedauerndes Gesicht auf. »Danke dir. Au revoir.« Dann warf sie ihm eine Kusshand zu und schwang sich in den Sattel.
Ein bisschen in die Pedale treten, um in Schwung zu kommen, dann schaltete sie den Motor dazu und es ging rasant raus aus dem Lagerhaus und rein ins nächste Abenteuer.
Sie brauchten kaum zwanzig Minuten, bis sie von der Hauptstraße abbiegen mussten. Wenige Augenblicke später tauchte der See zu ihrer Rechten auf. Selbst durch die zahlreichen Bäume ringsum konnte Rian die eigenwillig schimmernde Oberfläche erkennen.
Dem Rat folgend, fuhren sie bis ganz hoch zur Nordspitze. Dort war zwar mit den meisten Touristen zu rechnen, aber der Beschreibung nach würden sie von dort am besten Zugang zum See erhalten. Außerdem würde es weniger auffallen, wenn sie die Fahrräder am Schloss abstellten, statt mitten im Gestrüpp oder gar zwischen den Bäumen im Wäldchen.
Überraschenderweise glich das Chateau auf den ersten Blick eher einer wehrhaften Feste. Von weiteren Besuchern war noch keine Spur zu sehen. Auch sonst lief ihnen niemand entgegen, um etwas zu verkaufen oder sie zu einer Führung hinein zu lotsen.
»Ganz schön ruhig hier. Bist du sicher, dass wir richtig sind?«, fragte David, während er mit elegantem Beinschwung von seinem Fahrrad stieg.
Rian zuckte mit den Schultern, ließ das Rad ausrollen, bis sie in einem kleinen Hof ankam. Dort lehnte sie ihr Rad an die verwitterte Steinmauer und kramte die Karte aus der engen Hosentasche. »Das ist die Stelle, die der Verleiher uns markiert hat.«
Im Grunde war es völlig egal, ob das hier ein Publikumsmagnet war oder nicht. Sie brauchten keine Führung. Zumindest keine, die sich so einfach buchen ließ. Vielleicht war David das kleine Problem noch nicht aufgefallen, ihr aber schon. Die Blaue Dame hatte ihnen gesagt, wohin sie kommen sollten, aber nicht, wie sie das tun konnten. Denn natürlich gab es keinen offensichtlichen Pfad zu Nimues Palast. Und auch kein sichtbares Gebäude. Das alles lag unter Wasser. Magisch geschützt und seit Jahrhunderten im See verborgen.
»Lass uns am Ufer entlanggehen und die ungestörte Zeit ausnutzen«, schlug Rian vor.
Ihr Bruder gab einen leidlich begeisterten Laut von sich, stellte sein Fahrrad ebenfalls ab und marschierte ohne weitere Worte voraus, einen schmalen Trampelpfad entlang. Die Bäume standen auf der westlichen Seite in einer losen Doppelreihe, während es am östlichen Ufer weite Freiflächen und eine kleine Einmündung gab. Genau darauf steuerte ihr Bruder instinktsicher zu.
Der Nachteil des Geländes war, dass sie keinerlei Deckung hatten. Was auch immer sie versuchen würden, um den Durchgang in Nimues Welt zu öffnen, jeder ankommende Tourist würde sie dabei beobachten können.
Doch Rian hatte sich zu früh Sorgen gemacht, denn ihr Bruder lief an der Stelle vorbei, weiter über das teils sandige, teils grasbewachsene Ufer, bis sie eine spitz zulaufende Bucht fanden, die tief genug in den angrenzenden Wald reichte, dass sie vor den Blicken anreisender Gäste des Chateaus geschützt waren.
Soweit, so gut, dachte Rian.
David blieb weiterhin wortkarg. Statt mit ihr zu reden, suchte er das Wasser ab. Aber da war nichts. Kein Schloss. Kein Weg. Nicht einmal Enten oder auch nur eine einzige Wellenbewegung.
Je länger Rian auf den See blickte, umso mehr bekam sie Zweifel, ob er wirklich aus Wasser bestand. Die Oberfläche wirkte zu glatt. Zu homogen. Sie glänzte beinahe metallisch und doch gab es kaum Reflexionen der Umgebung darin. Als würde das Licht und alles, was es mit sich trug, darin absorbiert und in flüssiges Quecksilber umgewandelt.
An diesem Ort lag unverkennbar Magie in der Luft. Alte Magie. Elementarkräfte. Archaische Zaubernetze, die alles überlagerten. Im See. In der Erde. In den Bäumen. Selbst die Insekten und Vögel hatten an diesem Ort den Hauch der Anderswelt an sich.
Nur mit Mühe konnte sie den Blick losreißen. Ihr Bruder hingegen wirkte weitgehend unbeeindruckt. Statt zu glotzen, bewegte er seine Hände und versuchte es mit dem klassischen elfischen Öffnungszauber. Einfach so, aufs Geratewohl auf den See gesendet. Doch die Welt blieb, wie sie war. Verschlossen.
Nachdem David erfolglos einige weitere Zauber gewirkt hatte, versuchte Rian ihr Glück. Sie sammelte Energie, bis violetter Nebel um ihre Hände waberte. Dann rief sie nach den Geistern des Wassers, der Erde und der Luft. Doch nichts davon brachte sie ans Ziel.
»O Herrin, Ihr habt nach uns verlangt! Dann lasst uns auch ein!«, rief David und warf eine Handvoll Uferkiesel auf die makellose Wasseroberfläche.
Ein mehrstimmiges Blubb ertönte, als die Steine eintauchten. Doch etwas fehlte. Die Ringe!, erkannte Rian. Die Kiesel verursachten keinerlei Wellen, die sich ansonsten üblicherweise in größer werdenden Kreisen vom Zentrum des Eintauchens ausbreiteten.
Vielleicht stimmte ihr erster Eindruck. Vielleicht