Corona zwischen Mythos und Wissenschaft. Lars Otte

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einer amerikanischen Studie haben WissenschaftlerInnen festgestellt, dass Oberflächen im Labor nach einer starken Kontamination mit den Coronaviren noch eine ganze Weile infektiös bleiben können. Es wurde untersucht, wie lange die Erreger auf verschiedenen Oberflächen unbeschadet bleiben und wie viel Zeit vergehen muss, bis die Viren nicht mehr infektiös sind:

Tabelle 4.1: Stabilitätsdauer der Coronaviren auf unterschiedlichen Oberflächen
Material der Oberfläche Dauer der Stabilität
‌Kupfer 3 Stunden
Karton 24 Stunden
Edelstahl 2-3 Tage
Plastik 2-3 Tage
Baumwollkleidung 4 Tage
Papier 4 Tage

      Dies sind zwar teils längere Zeiten als bei den unter Quarantäne stehenden Haushalten, aber auch im Labor ist die Stabilität der Coronaviren trotzdem viel geringer als von manch anderen Krankheitserregern.

      Jetzt gilt es, der Sache auf den Grund zu gehen. Denn wieso gibt es Unterschiede zwischen den Versuchsergebnissen im Haushalt und im Labor? Und wieso ist die Stabilität der Viren so unterschiedlich?

      Prinzipiell befinden sich die Viren so lange in einer vorteilhaften Umgebung, wie sie von Feuchtigkeit bedeckt sind, so wie es beim Niesen oder Husten im Schleim oder Sekret der Fall ist. Diese Flüssigkeiten trocknen aber nach kurzer Zeit und lassen die Viren »ungeschützt« zurück, sodass sich auf den langsam trocknenden Oberflächen das Risiko des Stabilitätsverlustes der Viren immer weiter erhöht. Durch die Abnahme der Stabilität kommt es zur Zerstörung der‌ Virushülle, sodass auch ihre infektiösen und biologischen Eigenschaften eingeschränkt sind. Im Labor liegen ideale Bedingungen für die Viren vor, wie eine gleichbleibende ‌Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder gleichbleibendes Licht. Hingegen sind die Viren im Alltag einigen Stressfaktoren wie Temperaturschwankungen, dem Tageslichteinfall, der Luftfeuchtigkeit‌ oder der Oberflächenbeschaffenheit, die die Stabilität der Viren angreifen und ihre Hülle beschädigen können, ausgesetzt.

[Bild]

      Abbildung 4.7: Viren verlieren durch Umwelteinflüsse an Stabilität.

      So bleiben sie im Labor länger stabil und infektiös und sind gleichzeitig in einer viel höheren Anzahl vorhanden, sodass die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass einige der Viren auf den Oberflächen stabil bleiben. Im Vergleich ist die Menge der Viren im Haushalt, die sich im Schleim oder Nasensekret befinden, sehr viel geringer und wird bei jeder neuen Berührung und Verteilung weiter ausgedünnt. Auch die WissenschaftlerInnen der Laborstudie gehen davon aus, dass die Übertragung durch Kontaktinfektion theoretisch möglich, aber durch die kleinen Virenmengen im Alltag eher unwahrscheinlich ist. Die Abhängigkeit der Stabilität und Virusmengen konnte auch experimentell bestätigt werden. Dabei waren kleinere Virusmengen schon nach 5 Minuten nicht mehr infektiös, die 100-fache Menge aber noch bis zu 24 Stunden.

      Insgesamt kann also gesagt werden: Ob die Viren auf Oberflächen noch infektiös sind, ist situationsabhängig. Coronaviren leuchten nicht wie das Tonic Water im Experiment. Sie sind nicht stabil und bleiben nicht besonders lange infektiös auf Oberflächen. Auch der Virologe Christian Drosten meint dazu, dass es nicht nötig sei, im Haushalt alle Oberflächen zu desinfizieren. Die WissenschaftlerInnen sind sich einig, dass das Risiko einer Infektion durch Kontaktinfektion im Gegensatz zu der Übertragung und Infektion über die Luft gering bis sehr gering ist, da sie weniger effizient ist und nur über Umwege funktioniert. Eine genaue Zahl gibt es dazu aber nicht.

      Was heißt das also für den Einkauf von Lebensmitteln und anderen Waren? Es kann eigentlich nur mit Sicherheit von dem berichtet werden, was bisher geschehen ist. Und da gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung an, dass bisher noch keine Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus durch die Übertragung von Kontakt mit Oberflächen wie Bargeld, Kartenterminals, Türklinken, Smartphones, Griffen von Einkaufswagen, Verpackungen oder Tüten bestätigt wurden. Es gibt auch noch keine Fälle, bei denen sich Menschen über Lebensmittel, die von Viren besetzt waren, angesteckt haben (Stand November 2020).

      Aber es gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Durch das Experiment ist ein Einblick gegeben worden, wo die Viren sich potentiell überall aufhalten könnten. Meist ist nicht bekannt, wie lange es her ist, dass eine erkrankte Person die Coronaviren auf Oberflächen verteilt hat. Deshalb gilt nach wie vor: Hygiene beachten, Hände waschen und die Hände aus dem Gesicht fernhalten.

      Quellen:

      van Doremalen, N., Bushmaker, T., Morris, D. H., Holbrook, M. G., Gamble, A., Williamson, B. N., Tamin, A., Harcourt, J. L., ... Munster, V. J. (2020). Aerosol and Surface Stability of SARS-CoV-2 as Compared with SARS-CoV-1. New England Journal of Medicine, 382(16), 1564–1567. doi:10.1056/NEJMc2004973

      Döhla, M., Wilbring, G., Schulte, B., Kümmerer, B. M., Diegmann, C., Sib, E, ... Schmithausen, R. M. (2020). SARS-CoV-2 in environmental samples of quarantined households. medRxiv, preprint. doi:10.1101/2020.05.28.20114041

      Bundesinstitut für Risikobewertung (2020). Kann das neuartige Coronavirus über Lebensmittel und Gegenstände übertragen werden?. Bundesinstitut für Risikobewertung. Abgerufen von https://www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html

      Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (o. J.). Schmierinfektion – Wie werden Erreger bei einer Kontaktinfektion übertragen?. Infektionsschutz.de. Abgerufen von https://www.infektionsschutz.de/infektionskrankheiten/uebertragungswege/schmierinfektion.html

      Robert Koch-Institut (2020). Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). Robert Koch-Institut. Abgerufen von https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html

      NDR Info (2020). Coronavirus-Update. NDR. Abgerufen von https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript174.pdf

      World Health Organization (2020). Rational use of personal protective equipment (PPE) for coronavirus disease (COVID-19): interim guidance, 19 march 2020. IRIS. Abgerufen von https://apps.who.int/iris/handle/10665/331498.

      Esche, B. (2020). Darum brauchst du im Alltag keine Einmalhandschuhe. Quarks. Abgerufen von https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/darum-brauchst-du-im-alltag-keine-einmalhandschuhe/

      Uhlenhaut, C. (2011). Tenazität von Viren – Stabilität und Erhalt der Infektiosität von Viren. In Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Proceedings: Biologische Gefahren in Deutschland (6, S. 333-342). Bonn: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

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