Megan Rapinoe. Luca Caioli

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Megan Rapinoe - Luca Caioli

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der Tat stammt ihr Traum aus dieser Zeit, genauer gesagt entstand er am 4. Juli 1999, im Stadion von Stanford, Kalifornien, während des Halbfinales der Frauenweltmeisterschaft zwischen den USA und Brasilien. Unter den 73.123 Zuschauern sitzen auch Megan und Rachael. Megans blonde Haare sind am Hinterkopf zusammengebunden, auf ihrer Stirn steht in Rot, Blau und Weiß „USA“, die Wangen zieren zwei amerikanische Sterne, sie trägt ein T-Shirt der WM und lächelt unter der brennenden Sonne fröhlich in die Kamera. Am Tag vor ihrem vierzehnten Geburtstag gewinnen die USA mit 2:0 jene Partie, die Megans Leben für immer verändern wird. Denn an genau diesem Tag wird ihr klar: Amerika interessiert sich für Fußball, die Fans jubeln auch für die Frauennationalmannschaft. Sie begreift, Fußball ist nicht bloß ein Spiel für Kinder oder Mädchen, sondern man kann es zu seinem Beruf machen, wie die professionellen Spielerinnen auf dem Platz, die „99ers“, es getan haben. Megan beschließt: Sie wird den gleichen Weg gehen.

      Sechs Tage später, am 10. Juli 1999, im Rose-Bowl-Stadion von Pasadena, holen die Amerikanerinnen den zweiten WM-Titel nach Hause, nach dem von 1991. Sie schlagen China im Elfmeterschießen (0:0, 5:4). Die Jubelgeste von Brandi Chastain geht um die Welt. Nachdem sie im Elfmeterschießen den entscheidenden Treffer erzielt hat, zieht die amerikanische Mittelfeldspielerin ihr Trikot aus und schwenkt es wie eine Flagge. Brandi, im schwarzen Sport-BH, wird von ihren Mitspielerinnen umarmt und bejubelt, 90.000 Menschen feiern den Sieg im Stadion. Vor dem Fernseher zu Hause applaudieren die Rapinoes den Weltmeisterinnen. Die Zwillinge sind große Fans von Chastain, Mia Hamm, Julie Foudy und Tiffeny Milbrett. Doch ihr größtes Vorbild und ihre absolute Lieblingsspielerin ist Kristine Lilly. Das Poster mit der Nummer 13 im Trikot der Nationalmannschaft hängt von da an im Kinderzimmer, gleich neben dem von Michael Jordan.

      „Wenn wir Vollgas geben, kann uns nichts aufhalten. Wir sind nicht länger zehn Einzelpersonen, sondern eine Mannschaft.“

      Diese Äußerung stammt aus dem Jahrbuch 2001/2002 der Foothill High School. Sie steht unter dem Foto einer lächelnden Megan Rapinoe, in einem Pullover mit Querstreifen, mit blonden, fast schulterlangen Haaren. Zwei Jahre zuvor sind die spätere Weltmeisterin und ihre Schwester an die Foothill High School gekommen. „A Californian Distinguished School“, lautet die Inschrift auf der Fassade des Hauptgebäudes. Die Schule liegt ungefähr vierzig Kilometer vom Haus der Rapinoes in Palo Cedro entfernt und verspricht, ihre Schüler zu „autonomen Menschen auszubilden, die in der Lage sind, ihren Beitrag zu einer sich ständig wandelnden Welt zu leisten“.

      Auf dem Gymnasium besuchen die Mädchen die Oberstufe (von der neunten bis zur zwölften Klasse) und stillen in diesen drei Jahren ihre Gier nach Sport: Sie machen Leichtathletik, spielen Volleyball und vor allem Basketball. Ihre Noten sind ausgezeichnet, und Megan tut sich von Beginn an hervor. Jedes Semester wird sie lobend für ihre herausragenden Leistungen erwähnt. Ihre Klassenkameraden wählen sie zur Sportlerin des Schuljahres 2000/2001, und ihr Name erscheint in Who’s Who Among American High School Students1.

      Die Rapinoes gehören in der neunten und zehnten Klasse zum Leichtathletikteam der Schule und spielen drei Jahre lang in der Basketballmannschaft der Mädchen. In dem Jahrbuch der Schule sieht man mehrere Aufnahmen der zwei Schwestern als Basketballspielerinnen: einerseits im weißen Trikot (Megan mit der Nummer 3, Rachael mit der 10), andererseits auch, den Ball in der Hand, in einem zweiten, rot-blauen Trikot, dem ihrer eigenen Mannschaft, den Cougars. Man erkennt sie außerdem auf Bildern, wie sie – in einer Reihe stehend – die Nationalhymne singen (Megan mit gesenktem Kopf), oder wie sie gerade dabei sind, eine ihrer Mitspielerinnen anzuspornen. In dem Buch gibt es auch ein Foto von ihnen beim NBA Day in Foothill: Megan und Rachael tragen Michael Jordans Trikot mit der Nummer 23 zur Schau, das er bei seinem zweiten Comeback am 25. September 2001 trug, als er Teilhaber der Washington Wizards war und beschlossen hatte, noch einmal selbst in die Basketballschuhe zu schlüpfen. Heiter lächeln die beiden und versuchen, die berühmten Posen von M.J. nachzustellen.

      Sie lieben Basketball, auch wenn Megan mit ihrer stürmischen Art meistens fünf Fouls kassiert und das Match nicht beenden darf. Angefangen zu spielen haben die zwei Schwestern vor dem Basketballkorb, der an ihrem alten Haus in Oak Meadow hing, unter Anleitung ihres Bruders Brian. Das waren endlose, erbitterte Partien, Frau gegen Frau, in denen die Schwestern ihre Geschicklichkeit und Beharrlichkeit im Zweikampf schulten. In der dritten und vierten Klasse auf der Junction School ging ihr Training in der Sporthalle weiter; sie spielten in einer Jungenmannschaft und scheuten sich nicht, ältere Schüler herauszufordern.

      Als sie im Jahr 2000 auf das Gymnasium wechseln, ziehen sie den orangfarbenen Ball mit der Aufschrift Spalding sogar dem schwarzweißen Fußball vor. Der Grund liegt auf der Hand: In der Region finden die Turniere und Meisterschaften im Fuß- und Basketball stets im Winter statt, und die Zwillinge wollen nicht draußen, in der Kälte, bei Wind, Regen und Schnee spielen. Sie tauschen die matschigen Fußballplätze gegen die angenehm temperierten Hallen ein, wo sie während der zweieinhalb Monate der Wintersaison das Körbewerfen trainieren können, und begnügen sich damit, im Sommer Fußball zu spielen, während sie auf den entscheidenden Moment warten.

      Damals geht es Megan und Rachael in erster Linie darum, zu spielen und sich auszutoben. Denise und Jim haben ihre Töchter nie dazu gezwungen, sich für eine Sportart zu entscheiden, sie wollten, dass sie einfach Spaß haben. Vater und Mutter dienten lediglich als Fahrer, wenn es darum ging, die zwei Schwestern durch den ganzen Bundesstaat zu chauffieren, winters wie sommers, damit sie an den verschiedenen Partien der Mädchen- und Jungenmannschaften teilnehmen konnten. Nie mischten sie sich ein, sondern unterstützen die Entscheidungen von Megan und Rachael immer. Allerdings bestand Denise in ihrer überbehütenden Art darauf, dass die Mädchen schwimmen lernen und ein Musikinstrument spielen. Mit Erfolg: Megan spielt noch immer Gitarre und ist eine begeisterte Schwimmerin.

      Die Zwillinge machten ihre ersten Erfahrungen als Sportlerinnen vollkommen unbeschwert, ohne Erwartungen, ohne Erfolgsdruck, auch wenn sie sich irgendwann entscheiden und sich auf ein Ziel festlegen mussten. Letztendlich fiel Megans und Rachaels Wahl auf Fußball – eine Entscheidung, die sie während ihres ersten Jahres an der Foothill High School trafen und, Ironie des Schicksals, dem Basketball zu verdanken haben.

      Die Saison 2000/2001 ist gut gelaufen, die Ergebnisse sind erfreulich gewesen. Während der Play-offs treffen die Cougars in Palo Alto auf die Frauenmannschaft eines katholischen Gymnasiums aus der Region. Das Match zieht reichlich Publikum an: Scouts und Trainer der größten amerikanischen Universitäten, von Standford bis Berkeley, sind gekommen, um die ersten fünf aus nächster Nähe zu sehen. Zur Halbzeit sind die Cougars noch im Spiel und liegen nur zwei Punkte im Rückstand. Doch mit dem Schlusspfiff müssen sie eine herbe Niederlage mit sechsundzwanzig Punkten einstecken. Die Gegnerinnen waren zu stark. Die Basketballspielerinnen von Foothill waren machtlos, auch wenn sie sich die ersten zwanzig Minuten gut geschlagen haben.

      Auf dem Rückweg fragt Denise ihre Töchter, ob sie trotz der Play-offs die Saison genossen haben, ob sie im nächsten Jahr weiter Basketball spielen und sich später an einer entsprechenden Universität bewerben wollen. Die Antwort der Zwillinge lautet in etwa: Lieber konzentrieren wir uns von nun an auf Fußball, denn wenn wir ein Stipendium für ein Studium an einer Uni der NCAA Division I2 ergattern wollen, haben wir damit die besseren Chancen.

      Die zwei Mädchen sind intelligent und wissen schon jetzt, was sie wollen. Sie werden zwei weitere Saisons in der Basketballmannschaft der Schule spielen, denn dabei fühlen sie sich trotz ihrer Größe – Megan ist 1,68 Meter groß, Rachael 1,64 Meter – wohl, doch danach wird Fußball an erster Stelle stehen.

      Der zweite Wendepunkt im Leben der Zwillinge folgt 2001, als der Trainer des Fußballklubs Elk Grove Pride die beiden bei einem Turnier in Redding spielen sieht. „Das Leistungsniveau war sehr bescheiden, und wir haben das Turnier schließlich gewonnen, nachdem wir insbesondere gegen die Mannschaft von Megan und Rachael gespielt hatten. Die zwei Schwestern waren zweifellos die besten Spielerinnen des Wettbewerbs.

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