Perry Rhodan Neo 239: Merkosh. Rüdiger Schäfer
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Auf Opronos war der Nachwuchs von jeher einem streng geregelten Ausbildungsplan unterworfen. Ständige Überprüfungen sorgten dafür, dass jeder Heranwachsende am Ende exakt dem Betätigungsfeld zugeteilt wurde, das seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprach. Dadurch wurde das Potenzial jedes Einzelnen optimal zum Vorteil der Gemeinschaft genutzt.
»Wir bleiben in Kontakt«, versprach er lahm.
Ihm war längst klar, dass Resotum nur deshalb so zornig war, weil Merkosh ging und er selbst zurückbleiben musste. Ohne den Freund würde Resotum es um einiges schwerer haben. Nicht nur Brekneshs wegen, sondern auch, weil er niemanden mehr hatte, der ihm bei den Heimlektionen und bei den Unterrichtseinheiten im Maitron half. Merkosh machte ihm deshalb keine Vorwürfe. Er hätte wahrscheinlich genauso reagiert, wenn die Rollen vertauscht gewesen wären.
»Ja, klar ...«, raunte Resotum.
»Doch, ehrlich. Ich schwöre dir, dass ich ...«, setzte Merkosh an, kam jedoch nicht dazu, seinen Schwur zu vollenden.
»Du sollst die Klappe halten, verdammt!«, schrie Resotum in plötzlicher Hysterie. Sein Kopf ruckte nach oben. In seinen großen Augen standen dicke Tränen.
Merkosh fühlte sich vollkommen hilflos. Mit einem solchen Ausbruch hatte er nicht im Mindesten gerechnet.
»Du wirst mich zwei- oder dreimal anrufen und mich dann vergessen!«, rief sein Freund.
»Das werde ich nicht!« Merkoshs Verwirrung verwandelte sich schnell in Wut. Was glaubte Resotum, wer er war? Auch für ihn war diese ganze Sache alles andere als einfach. Es war von vornherein klar gewesen, dass sie nicht für immer zusammen in der Anstalt bleiben würden. Ihre Wege hätten sich früher oder später ohnehin getrennt. Was wollte dieser egoistische Blödmann also von ihm? »Wenn du alles so genau weißt, sollte ich mich vielleicht wirklich nicht mehr melden«, stieß er nicht weniger aufgewühlt als sein Gegenüber hervor. »Schließlich bin ich nicht dein Vater ...«
Noch bevor er den Satz beendet hatte, tat er ihm unendlich leid. Wie konnte er so etwas nur sagen? Auch wenn Resotum ungerecht und selbstsüchtig war, wenn Merkosh ihm lieber Vorwürfe machte, statt sich für ihn zu freuen, hatte Merkosh kein Recht dazu, Resotum so etwas Dummes und Gemeines an den Kopf zu werfen.
»Res ...«, begann er mit einer Entschuldigung, doch es war bereits zu spät.
Resotum sprang wie eine Stahlfeder aus seiner Ruheschale. Seine rechte Faust erwischte Merkosh genau an der Stelle, die zwei Tage zuvor auch Breknesh getroffen hatte. Merkosh spürte, wie die dünne Haut erneut aufplatzte und warmes Blut über sein Kinn lief.
»Ich brauche dich nicht!«, brachte Resotum in einer Mischung aus Schluchzen und Schreien heraus. Durch das Zellgeflecht, das sein Gehirn als feines Netz umschloss, pulsierte die Aspinalflüssigkeit in kurzen, heftigen Schüben. »Ich habe dich nie gebraucht!«
Bevor Merkosh reagieren konnte, war sein Freund aus der Zelle gestürmt. Er eilte Resotum hinterher, holte ihn jedoch nicht mehr ein. Schließlich gab er auf und kehrte zurück, um den Rest seiner Sachen zu packen.
Ein paar Stunden später holte ihn Hochlehrer Sinilton höchstpersönlich ab und führte ihn zu einem Gleiter, der auf dem großen Hof zwischen dem Omnitron und den Schülerunterkünften niedergegangen war. Auf dem weiten Platz hatten sich sämtliche Jahrgänge versammelt. Die Schüler standen, nach Lektionszirkeln geordnet, Reihe um Reihe in der Mittagshitze und pressten die Handrücken gegen ihre Stirnen. Sogar König Breknesh und sein Hofstaat waren anwesend, auch wenn ihre abfällig verzogenen Gesichter der allgemeinen Respektsgeste Hohn sprachen.
Merkosh war die ungewohnte Aufmerksamkeit fast peinlich. Sein bisheriges Leben lang hatte er stets versucht, so wenig wie möglich aufzufallen. Sein Gefühl sagte ihm, dass das von nun an nicht mehr möglich sein würde.
Als er das Ende der Gleiterrampe erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um und ließ den Blick über die Reihen der Schüler wandern.
Resotum entdeckte er nirgends.
3.
Während der ersten Stunden im Eel-Institut bekam Merkosh keine Gelegenheit, über das, was ihm widerfuhr, intensiver nachzudenken. Die neuen Eindrücke prasselten in derart schneller Folge auf ihn ein, dass ihm kaum Zeit zum Atmen blieb.
Ein Elementar namens Heringett brachte ihn unmittelbar nach seiner Ankunft in ein Zimmer, das mindestens zehnmal größer war als die Zelle, die Merkosh zusammen mit Resotum bewohnt hatte. Als ihm Heringett mitteilte, dass er dort von nun an allein residieren würde, lachte Merkosh, weil er glaubte, Heringett hätte einen Scherz gemacht. Doch dem war nicht so.
Anschließend führte ihn der Elementar herum und stellte ihm eine Unzahl von Opronern vor, die alle auf die eine oder andere Weise wichtig waren. Merkosh versuchte, sich ihre Namen so gut wie möglich einzuprägen, doch irgendwann musste er einsehen, dass das unmöglich war.
Hinzu kam die einschüchternde Umgebung. Das Institut war ähnlich weitläufig angelegt wie die vorherige Lehranstalt, der Merkosh zugewiesen worden war, doch alles wirkte viel edler und heller und vor allem bedeutsamer, als es selbst das Omnitron getan hatte. Das Hauptgebäude – Asteon genannt – bestand aus einer kreisrunden Basisfläche, über die sich mehrere zeltartige Glasdächer spannten. Sie schwebten vermeintlich frei in der Luft und waren mit Ranken und bunten Blumenteppichen bewachsen.
Darüber wölbte sich eine mächtige Kugel von mindestens fünfhundert Metern Durchmesser. Beim Anflug mit dem Gleiter hatte es ausgesehen, als habe jemand mitten in einem wunderschönen Park einen riesigen, weißen Ballon aufgeblasen. Merkosh erfuhr, dass die Kugel nicht nur die Quartiere der Studenten, sondern auch die gesamte Verwaltung sowie die Versorgungseinrichtungen der Institutsanlage beherbergte.
Um das Asteon herum gruppierten sich kleinere Ansammlungen aus flachen Gebäuden, die ziemlich unscheinbar aussahen und offenbar weder Fenster noch Türen hatten. Dort, so erläuterte Heringett, lagen die Laboratorien und Schulungsräume. Sie reichten bis tief unter die Oberfläche. Der Park diente den Studenten dagegen zur Erholung und als anregende Umgebung zum Studieren und Debattieren.
Der Elementar ließ ihn schließlich für eine Stunde im Katra allein. So nannte man den Bereich des Instituts, in dem man seine Mahlzeiten einnahm. Die dortigen Speiseschalen kamen Merkosh tiefer vor als jene, die er kannte. Als er sich in eine von ihnen hineinlegte und den Zufluss aktivierte, überwältigte ihn ein Geschmackserlebnis, das er nicht für möglich gehalten hätte. Sein Körper zitterte vor Wonne, als die filigranen Poren der Schale den Nahrungsbrei absonderten, den seine Haut geradezu gierig aufsaugte. Niemals zuvor hatte er etwas so Köstliches genossen.
Den Rest des Tages verbrachte er mit endlosen Orientierungs- und Einführungslektionen, sodass ihm am Abend der Kopf glühte. Trotzdem hatte er sich selten in seinem Leben wohler gefühlt, denn er erkannte sehr schnell, welche ungeheuren Perspektiven sich ihm boten. Auch wenn ihn die Quantenwissenschaften eigentlich mehr interessierten als die Medizin, akzeptierte er die Wahl, die Sinilton und