Der gute Ton und die feine Sitte. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
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39. Gehört es zum guten Ton, sich zu parfümieren?
Der gute Ton verlangt durchaus keinen künstlichen Wohlgeruch. Es gibt Personen, denen es sogar geradezu unerträglich ist, Parfüm zu riechen. Indes lässt sich gegen die diskrete Anwendung eines der vielen zarten und lieblichen Düfte, wie sie von bedeutenden Parfümeriefabriken hergestellt werden, vom Standpunkt des guten Tons nichts einwenden, ja, wenn eine elegante Dame sich ein Lieblingsparfüm, wie Veilchen, Heliotrop, Tuberose, Orange, Maiglöckchen, Flieder, und wie diese köstlichen Wohlgerüche alle heissen mögen, erwählt, so verleiht ihr dieses Umschwebtsein von dem nämlichen und immer gleichen Duft einen gewissen poetischen Zauber. Ausdrücklich aber muss gewarnt werden vor allen starken, durchdringenden Parfüms, wie Moschus, Patchouli, Bisam, Juchten usw. Ganz abgesehen davon, dass diese Parfüms auf die Geruchsnerven vieler geradezu Unwohlsein erregend wirken, sind sie unfein und sollten besser einer das Auffallende suchenden Halbwelt überlassen bleiben. Ein allzeit sehr vornehm bleibendes Parfüm ist gute Eau de Cologne, das echte Kölnische Wasser, das namentlich für Herren stets das passendste Parfüm bleibt.
40. Worauf hat man sonst noch bei seiner äusseren Erscheinung zu achten?
Es gibt nächst dem Anzuge noch einige höchst beachtenswerte, ja absolut unerlässliche Punkte und Vorschriften des guten Tons für die äussere Erscheinung, die so wichtig sind, dass wir sie einer ganz besonderen Aufmerksamkeit empfehlen. Sie betreffen die Pflege des Angesichtes, der Haare, der Zähne, der Hände und der Haltung. Es gibt viele, die sich gerade über diese Dinge mit souveräner Verachtung hinwegsetzen, aber sehr mit Unrecht, denn die geringe, auf sich selbst angewendete Zeit lohnt sich wirklich und die kleine Mühe krönt der Erfolg, der schon in dem erhöhten Wohlgefallen an sich selbst liegt. Man verstehe mich aber recht, ich will keiner törichten Eitelkeit, keiner Selbstvergötterungsnarrheit das Wort reden, das sei schon darum fern von mir, weil ich eine nur mit dem eigenen werten Ich beschäftigte Eitelkeit nicht nur für lächerlich, sondern für geradezu jammervoll halte; aber eine gewisse Dosis Eitelkeit muss jeder besitzen, der in den Kreisen verkehren will, in denen man die Pflege des uns vom Affen unterscheidenden Äussern für wohlanständig hält. Man sehe sich einen Menschen an, und leider sind sie garnicht einmal selten, deren schlechter, verdorbener Teint, unappetitlicher Mund, ungepflegte Hände und hässlicher Gang immer die Kritik herausfodern! Da sagen manche, es widerspreche ihrer Menschenwürde, das Äussere zu ihrem Gotte zu machen. Gewiss, wer das tut, ist sehr beklagenswert, weil sehr arm an Geist und weil er seinen Lebenszweck in traurigster Weise verkennt. Wer aber sein Äusseres durch grobe Vernachlässigung zum abschreckenden Beispiel für andere werden lässt, vergibt seiner Menschenwürde viel mehr, denn damit stellt er sich nicht nur auf den Standpunkt des Wilden, der schliesslich noch mehr auf seine Person gibt, indem er sich mit Federn und bunten Lappen schöner und ansehnlicher zu machen sucht, sondern er stellt sich auf die Stufe des Tieres.
41. Was soll man zur Pflege des Antlitzes tun?
Ein reiner und blühender Teint mit schönen Farben ist nicht jedem gegeben. Wer ihn aber hat, soll ihn durch eine vernunftgemässe Behandlung zu erhalten suchen. Ein schlechter, durch Blätterchen (Pickeln) oder Kupferröte entstellter Teint, eine gelbe oder graue Gesichtsfarbe sind freilich unangenehme Zugaben zu den grossen und kleinen Leiden dieser Erde, besonders für Damen sind sie oft ein Quell grossen Kummers. Wer aber einen schlechten Teint hat, versuche nicht, ihn durch kosmetische Mittel zu verbessern, oder ihn unter Schminke und Puder zu verbergen, sondern man befrage einen Arzt. Schlechter Teint rührt in den meisten Fällen von einer inneren Störung her, die durch eine angemessene Diät oder durch eine ernstere Kur gehoben werden kann. Wo dies nicht der Fall ist, und wo der Teint dennoch schlecht bleibt, muss man sich mit Ergebung in das Unvermeidliche zu finden suchen, zu Puder und Schminke greife man unter keinen Umständen. Wir wissen, dass der gute Ton noch im Anfang des 19. Jahrhunderts erforderte, dass eine Dame ihr Gesicht mit einer dichten Schicht Schminke belegte, der gute Ton in unseren Tagen fordert aber gottlob das Gegenteil. Schminke und Puder sind auf der Bühne unbedingt gefordert durch die Beleuchtung und zur äusseren Charakteristik der Rollen, im Salon aber sollte beides mit Acht und Bann belegt werden. Die Damen, die sich pudern und schminken, irren sich auch völlig über den Erfolg ihrer Bemühungen, denn einmal wird niemand dadurch getäuscht, weil selbst der Ungeübte sehr bald die Kunst von der Natur zu unterscheiden lernt, und dann ist für die Herren besonders ein solch lebendes Pastellbild ein unversiegbarer Quell für schlechte und gute Witze. Die ersteren überwiegen selbstredend. Vielleicht hilft dieses Bekenntnis einer Eingeweihten, der man die Wiederholung dieser oft gehörten Redensarten wohl freundlichst erlassen wird, besser und gründlicher gegen die Unsitte des Puderns und Schminkens als alle anderen Gründe. Denn dass selbst giftfreie Schminken und der reinste Reispuder äusserst schädlich und ungesund sind, weil sie die Poren der Haut verstopfen und, eine normale Tätigkeit derselben verhindernd, zu ernsten Erkrankungen des sonst so ängstlich behüteten Teints führen, ist eine längst bekannte Tatsache, die gleichwohl eitle