Precious Love. Jana Reeds
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Ich gab das Zeichen zum Auftauchen und langsam machten wir uns auf den Weg an die Wasseroberfläche.
Wie jedes Mal, wenn ich einen Tauchgang beendete, schwang ein wenig Wehmut mit. Wehmut darüber, diese Welt, in der ich mich von klein auf zu Hause fühlte, verlassen zu müssen.
Ich warf einen Blick zurück auf das Wrack der Benwood, auf die unzähligen Fische, die sich dort tummelten. Ich wusste, in wenigen Tagen würde ich wiederkehren und die nächste Gruppe Taucher zu diesem wunderschönen Ort führen. Ich würde ihre Begeisterung durch die Tauchermasken erkennen können und die Faszination, die auch mich jedes Mal erfasste – vollkommen egal, wie oft ich hier herunterkam. Ich kannte die Riffs und Wracks vor Key Largo wie meine Westentasche, sie waren seit meiner Kindheit mein zweites Zuhause. Meine Mom hatte immer gescherzt, dass ich irgendwann mit Kiemen und Schwimmhäuten aufwachen würde. Manchmal tat sie so, als wolle sie kontrollieren, ob ich nicht langsam selbst zum Fisch wurde. Dann kitzelte sie mich am Hals und an den Füßen, bis ich vor Vergnügen kreischte, während sie mir vormachte, nach Kiemen und Schwimmhäuten zu suchen.
Die Erinnerung an meine Mom ließ meinen Brustkorb eng werden, und ich schloss für eine Sekunde die Augen, um mich wieder zu besinnen. Ich hatte einen Job zu erledigen, ich durfte mich nicht von den Erinnerungen und Gefühlen mitreißen lassen. Nicht jetzt … Nicht, solange ich für meine Tauchgruppe verantwortlich war.
„Ihr wart ganz schön lange unten“, murmelte Dylan, als er mir die Hand entgegenstreckte, um mir über die Leiter an Bord zu helfen.
„Ich war genau im Zeitplan“, gab ich zurück, zuckte mit den Schultern und fing an, mich aus dem dünnen Neoprenanzug zu pellen. Ich hörte das aufgeregte Geplapper der Tauchgäste, die sich bereits gegenseitig erzählten, was sie alles im und um das Wrack herum entdeckt hatten.
Mein Bruder hingegen warf mir nur missmutige Blicke zu. Ich wusste genau, sein Problem war nicht, dass ich zu lange unten gewesen wäre – denn das war ich nicht. Seine Sorge galt einzig und allein mir.
„Du weißt, ich mag es nicht, wenn du die Zeit so ausreizt.“ Noch immer wirkte sein Blick düster.
„Ich hab dich auch lieb, Dylan“, antwortete ich, ging auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Bah! Du bist nass. Kannst du dich vielleicht erst mal trocken legen? Ich hab keine Wechselklamotten dabei.“
Ich rollte gut sichtbar mit den Augen und grinste meinen Bruder an. „Wenn ich mich erst abtrockne, macht es aber nicht halb so viel Spaß, dich zu ärgern.“
Nun löste sich Dylans finstere Miene auf und er schüttelte lächelnd den Kopf. „Wann wirst du endlich erwachsen?“, fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. „Erwachsenwerden ist langweilig. Außerdem bist du bereits erwachsen für zwei.“ Damit wandte ich mich der Tauchgruppe zu, die sich inzwischen von ihren Neoprenanzügen befreit hatten und nur in Badekleidung am Heck unseres Bootes die Sonne genossen. „Na, habt ihr ein paar ordentliche Fotos machen können?“, fragte ich und ließ mich neben Sue auf eine Bank sinken. Ich zog die große Kühlbox hervor und verteilte gekühlte Wasserflaschen, während Dylan im Führerhaus den Motor anließ, um uns zurück zum Ufer zu bringen.
„Hast du die grüne Muräne gesehen?“, fragte Steve und Michael ergänzte: „Die war riesig! Ich hatte ja kurz ein wenig Schiss, dass wir sie gestört haben könnten. Mit Muränen ist nicht zu spaßen, wenn die sauer werden.“
„Ach, so schlimm ist es nicht. Die sind es ja gewohnt, dass wir um sie herumschwimmen, und solange du nicht versuchst, in ihre Höhle einzudringen …“
Daniels Augen wurden groß. „Um Himmels willen! Wer würde denn auf so eine Idee kommen?“
Ich warf ihm nur einen bedeutsamen Blick zu – wenn er wüsste, auf was für unmögliche Ideen manche Leute so kamen. Dann wandte ich mich an Michael, der sich neben mich setzte und mir auf dem Display der Kamera die Fotos zeigte, die er geschossen hatte.
„Schau mal, Lou. Heute war echt viel los dort unten. Lippfische, Tüpfel-Ritterfisch, Büschelbarsche … Und da – ich hab sogar einen Rochen drauf bekommen. Wahnsinn, wie elegant der aussieht. Ein bisschen, als würde er fliegen … So schwerelos.“
„Na ja, das ist man ja auch unter Wasser“, warf seine Frau lachend ein.
Allmählich kam das Ufer Key Largos in Sicht, in wenigen Minuten legten wir an. Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen und würde in anderthalb Stunden auf der anderen Seite des Keys untergehen. Mein Feierabend nahte und damit endete die Zeit, in der ich mich ablenken konnte. In der ich meine Erinnerungen verdrängen und mich dem widmen konnte, wofür ich lebte – meinem Job, der Tauchschule und der magischen Unterwasserwelt.
Ich zog die Flipflops aus und ließ sie an den Riemen von meinen Fingern baumeln, als ich eine gute Stunde später auf den Strand trat. Der Sand war noch warm von der Sonne des Tages, und ich genoss es, meine Füße darin zu vergraben. Nur ein paar Meter vom Flutsaum entfernt ließ ich mich fallen, zog die Beine an und legte die überkreuzten Arme darauf ab. Ich schaute hinaus aufs Meer, auf den Himmel, der am Horizont in den unterschiedlichsten Rottönen schimmerte, auf die Sonne, die glühend unterging. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde es ein wenig dunkler um mich herum. Noch schaffte ich es nicht, die Erinnerungen zuzulassen, und lenkte meine Gedanken zurück auf den heutigen Ausflug. Auf meine Arbeit, auf die Termine, die vor mir lagen, und darauf, was ich noch alles im Büro zu erledigen hatte.
„Was mache ich hier eigentlich?“, fragte ich mich selbst leise, nahm eine Handvoll Sand auf und ließ ihn langsam durch meine Finger rieseln. Während ich zuschaute, wie die winzigen Körnchen zurück auf den Strand fielen, spürte ich, wie sich etwas in mir bewegte. Mein Kopf wurde still … Alle Ablenkung verschwand, und ich kam dort an, wo ich hinwollte – und wovor ich mich gleichermaßen fürchtete.
„Zehn Jahre … Heute vor zehn Jahren“, murmelte ich und fühlte, wie sich meine Brust zuschnürte. Ich erinnerte mich an den Tag, als wäre es erst gestern gewesen, und der Schmerz in meinem Inneren, den ich an den meisten Tagen verdrängte, brach sich Bahn. Tränen sammelten sich in meinen Augen und liefen über meine Wangen, während ich immer wieder neuen Sand aufnahm und durch meine Finger rieseln ließ.
„Das hast du damals schon gemacht. Stundenlang …“ Für eine Sekunde war ich versucht, meine Tränen abzuwischen und ein Lächeln für Dylan aufzusetzen, doch etwas in seiner Stimme zeigte mir, dass es ihm ähnlich ging wie mir.
„Darf ich mich setzen?“, fragte er und ich zuckte mit den Schultern. Dann spürte ich mehr, als dass ich es sah, wie mein Bruder sich neben mir fallen ließ. Ohne ein weiteres Wort legte er seinen Arm um meine Schultern und zog mich an sich, so wie er es damals gemacht hatte. Endlich schaffte ich es, den Sand loszulassen, und legte meinen Kopf an seine Brust. Ich hörte seinen beruhigenden Herzschlag. Wie viele Nächte hatte ich diesen Herzschlag gehört, um überhaupt einschlafen zu können? Ich wusste es nicht mehr, es waren zu viele.
„Bist du okay?“, fragte Dylan und strich mir die langen Haare hinters Ohr.
„Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Es ist zehn Jahre her und noch immer fehlen sie