Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen. Kai Fritzsche
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In meinem Buch Praxis der Ego-State-Therapie (Fritzsche 2018a) habe ich die Konzeption der Ego-State-Therapie und die Möglichkeiten ihrer Anwendung in der Praxis beschrieben. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage 2013 habe ich diesbezüglich viele erfreuliche und bestärkende Rückmeldungen erhalten und mich über das große Interesse der Leserinnen und Leser sowie über deren vielfältigen Einsatz der Ego-State-Therapie in der Praxis gefreut. Dabei wurden auch die Wünsche nach einer traumatherapeutischen Vertiefung laut, da eine solche in dem Buch nicht enthalten war. Es brauchte einige Zeit, bis aus der Idee ein konkretes Projekt wurde, dessen Ergebnis nun in Ihren Händen liegt.
Das Buch soll zwei Aufgaben erfüllen. Zum einen möchte ich eine umfassende Konzeption der Behandlung von Traumafolgestörungen mit Ego-State-Therapie vorstellen und zum anderen konkrete Interventionen praxisnah erläutern, die aus dieser Konzeption abgeleitet sind. Es geht in diesem Buch also um die Fokussierung auf ein Störungsbild, das der Traumafolgestörungen. Dieses Störungsbild zeichnet sich durch eine sehr große Bandbreite aus. In Anbetracht des Ausmaßes dieser Bandbreite ist es anspruchsvoll, die Besonderheiten der verschiedenen Traumafolgestörungen und deren Behandlung in einer Publikation zu vereinen bzw. die Grundkonzeption auf die Heterogenität der Störungen zu beziehen. Dies stellte für mich jedoch ein wichtiges Anliegen und den Reiz des Projektes dar. Die vorgelegte Behandlungskonzeption lässt sich an die Verschiedenartigkeit der unterschiedlichen Traumafolgestörungen anpassen. Insofern werden nicht alle Behandlungsschritte in der gleichen Gewichtung und im gleichen Umfang zur Anwendung kommen, sondern für den jeweiligen Fall nach einer spezifischen Indikation modifiziert. Dabei ist es mir besonders wichtig, die Vielfalt der Ego-State-Therapie zu zeigen und diese in den Interventionen deutlich zu machen. Es gibt im Konzept der Ego-State-Therapie nicht »das eine Vorgehen«. Es zeichnet sich durch einen hohen Grad an Komplexität und Flexibilität aus. Für Lernende ist dieses Charakteristikum zuweilen mit Irritationen und Mühen verbunden. Es bietet jedoch sehr wichtige und konstruktive Handlungsspielräume, die den Besonderheiten der Behandlungsfälle gerecht werden. Die Konzeption soll sich an die Patientinnen und Patienten anpassen können und nicht umgekehrt. Die Praktikabilität der Konzeption wird besonders in seiner klinischen Anwendung deutlich. Es werden fünf verschiedene Interventionen vorgestellt und ausführlich erläutert. Diese Interventionen sind auf verschiedene Erlebensebenen, Wirkmechanismen und Verarbeitungswege bezogen. Sie reichen von der hypnotherapeutischen Arbeit über die Stühle-Arbeit bis hin zur körperfokussierten Arbeit. Die Interventionen lassen sich einzeln oder in Kombination miteinander anwenden, was die Nutzungsmöglichkeiten noch erweitert.
Die Grundkonzeption der Behandlung von Traumafolgestörungen sowie die davon abgeleiteten Interventionen stützen sich auf meine über 20-jährigen praktischen Erfahrungen, in denen ich vor allem mit Patientinnen und Patienten arbeitete, die unter Traumafolgestörungen litten. Wie bei vielen Kolleginnen und Kollegen auch, bestand der Schwerpunkt meiner Arbeit zu Beginn meiner Laufbahn aus der Behandlung von Traumafolgestörungen in Zusammenhang mit Typ-1-Traumatisierungen. Mit der Zeit veränderte sich dieser Schwerpunkt und ich behandelte zunehmend komplextraumatisierte Patientinnen und Patienten. Mein Interesse galt dabei stets der Integration von Konzepten und Interventionen. Die Notwendigkeit eines integrativen Ansatzes der Behandlung von Traumafolgestörungen wurde mir immer deutlicher. Die Ego-State-Therapie sollte den Rahmen für eine derartige integrative Konzeption darstellen. Nachdem ich 2003 auf die Ego-State-Therapie gestoßen war, prägte sie meine Arbeit. Seit dieser Zeit verfolgte ich den Ansatz, entwickelte ihn zunehmend selbst weiter und begann, ihn zu unterrichten sowie entsprechende Publikationen zu erstellen. Die Ego-State-Therapie innerhalb eines Institutes mit der durch Maria Schnell vertretenen Hypnotherapie nach Milton Erickson vereinen zu können, ist eine besondere Freude, die ich mit einer stetig wachsenden Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltungen des Instituts für klinische Hypnose und Ego-State-Therapie (IfHE) sowie vieler weiterer Institute und Institutionen teile, in denen ich unterrichte. Die Erfahrungen, die ich insbesondere im Rahmen des Zertifizierten Curriculums für Ego-State-Therapie sammeln kann, sind für mich sehr wertvoll. Für den regen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen bin ich überaus dankbar.
Der Bereich der Konzepte und Behandlungsvorschläge für die Therapie von Traumafolgestörungen ist unübersichtlich geworden. Die »Landschaft ist dicht besiedelt« und die Navigation mitunter schwierig. Soweit es mir möglich war, habe ich versucht, Konzepte und Interventionen einzubeziehen bzw. auf sie zu verweisen. Mir ist klar, dass dies nicht vollständig realisierbar ist und nicht alles Erwähnung finden kann. Das vorliegende Konzept bietet die Möglichkeit der Integration von Ansätzen. Es verleibt sich diese Ansätze nicht ein, sondern es nutzt sie zur Umsetzung eines fundierten und konzeptgeleiteten Behandlungsplans. Für diese Integration sehe ich ein großes Potenzial. Ich freue mich darauf, weitere Anregungen zu erhalten und neue Vorgehensweisen zu erlernen, von denen ich möglicherweise wieder einige Aspekte in meine Grundkonzeption einfließen lassen kann. Die konzeptionellen Impulse sind aus der Perspektive eines integrativen Modells unerlässlich.
Aus dem Projekt, die Praxis der Ego-State-Therapie für den Bereich der Behandlung von Traumafolgestörungen zu vertiefen, ist ein Handbuch im vorliegenden Umfang geworden. Es gab derart viele wichtige Aspekte, dass ein reduzierteres Format nicht mehr sinnvoll erschien. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert.
Der erste Teil bietet eine aktuelle Orientierungsmöglichkeit im Bereich der Traumafolgestörungen sowie hinsichtlich der relevanten Konzepte des Ego-State-Modells. Beide Bereiche weisen eine dynamische Entwicklung auf. Beispielsweise stellt das Erscheinen der ICD-11 eine wichtige Neuerung dar, die Auswirkungen auf die praktische Arbeit hat. Ebenso wichtig erscheinen mir die fortlaufenden Daten zur Wirksamkeit von spezifischen Prozessen und Interventionen sowie die Vorschläge zur Kombination von Ansätzen. Durch meine therapeutische Arbeit und Lehrtätigkeit befindet sich meine Konzeption der Ego-State-Therapie »in Bewegung« und wird durch viele Impulse beeinflusst. Insofern stellt die Orientierung im Bereich der Ego-State-Therapie auch eine Aktualisierung dar.
Der größte Teil des Buches, der zweite Teil, ist der praktischen Anwendung gewidmet. Zunächst wird die Grundkonzeption zur Behandlung von Traumafolgestörungen mit Ego-State-Therapie erläutert. Anschießend werden fünf verschiedene Interventionen vorgestellt. Die einzelnen Kapitel werden durch Übersichten, Checklisten, Interventionsbeispiele und Verweise auf Alternativen ergänzt. Für jede der fünf Interventionen wird jeweils eine Struktur angegeben, die einen Überblick über die Behandlungsschritte ermöglicht. Die Strukturen bieten einen Leitfaden für die Praxis, eine Unterstützung der Umsetzung im therapeutischen Alltag sowie eine Modifikationshilfe für die Anpassung an die Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalls. Zusätzlich wurden Fallbeispiele eingefügt, die die Arbeit in der Praxis verdeutlichen. Die Grenzen des Gesamtumfangs des Buches reglementierten die Anzahl und Ausführlichkeit der Fallbeispiele. Die Erläuterung der einzelnen Behandlungsschritte hatte zunächst Vorrang. Aus diesem Umstand ergab sich bereits die Idee für ein weiterführendes Projekt, in dem Skripte, Fragen, Beispiele und Spezifika einzelner Traumafolgestörungen weiter vertieft werden.
Ich habe mich in diesem Buch für eine Sprache entschieden, mit der ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, häufig direkt anspreche. Das hat mit meinem Bedürfnis zu tun, Ihnen zu begegnen, vielleicht so, als würden Sie sich in einem meiner Seminare befinden. Ich werde also die erste Person nutzen, ich werde Sie direkt ansprechen und nur teilweise die indirekte Rede verwenden. Hinsichtlich der Gender-Frage habe ich mich für die Variante der abwechselnden Verwendung der weiblichen und männlichen Form entschieden.
Wenn ich ein Buch über die Ego-State-Therapie zur Behandlung von Traumafolgestörungen schreibe, bin ich natürlich auch mit meinen eigenen Ego-States konfrontiert, die bei einem solch umfangreichen Projekt nicht lange auf sich warten lassen und mich während der Zeit des Schreibens begleiten. Als Erstes ist hier ein Anteil zu nennen, der meine Begeisterungsfähigkeit und Neugier repräsentiert. Ergreift anscheinend auf jede Idee zu, lässt sie nicht mehr los und möchte sie kreativ umsetzen. Als Nächstes tritt ein Anteil hervor, der sich als