Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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Aufregung und Veränderung rief die Nachricht von der Verlobung am Hofe zu Prag hervor. Rudolf nämlich hatte sich nie entschließen können, die spanische Braut zu heiraten, aus Scheu vor jeder Fessel sowohl, wie weil ihr fester und gebietender Charakter ihm ein unbestimmtes Gefühl von allerlei zu nehmenden Rücksichten einflößte, dann auch, weil er das gewohnte Zusammenleben mit einer Frau aus geringerem Stande, die ihm mehrere Kinder geboren hatte und die jede seiner Launen und Begierden gehen ließ, durchaus nicht hätte aufgeben mögen. Andererseits war ihm das Bewußtsein wert, die Prinzessin jeden Augenblick heimführen zu können, und es schien ihm nicht anders, als hätte sie eine frevelhafte Treulosigkeit begangen, sein Bruder aber sich ein Stück von seinem Besitztum angeeignet. Der Schmerz wurde dadurch verbittert, daß Rudolf durch seinen Kammerdiener Matkowsky einige Einzelheiten der vom Minister Rumpf geführten diplomatischen Verhandlungen erfuhr, die der Vermählung vorangegangen waren. Rumpf, von welchem man wußte, daß er das ganze Vertrauen des Kaisers besaß und das Treiben am Hofe durch und durch kannte, hatte dem spanischen Gesandten mitgeteilt, von einer Heirat mit dem Kaiser müsse die Prinzessin gänzlich absehen, er könne keinen Entschluß fassen, lasse alles gehen, wie es wolle, kümmere sich nur um sein leibliches Wohlergehen und etliche Liebhabereien und sei überhaupt zum Regieren unfähiger als ein abgerichteter Pudel.

      Rudolfs Erstaunen über diese Beleidigung seiner Majestät ging in einen Zorn über, den er anfänglich nur im Blute des Schuldigen kühlen zu können glaubte, indessen beschwor ihn Matkowsky selbst, von einem Hochverratsprozeß abzusehen, der die verkleinernde Äußerung des Ministers weiterverbreiten würde. Demnach begnügte sich Rudolf damit, den Nichtsahnenden mit allen Zeichen der Ungnade zu entlassen, so daß er sich vor Untergang der scheinenden Sonne aus Prag zu entfernen habe. Diese nachdrückliche Justiz, die sich niemand zu erklären wußte, verbreitete Schrecken und unbestimmte Erwartung; aber es folgte zunächst nichts als eine große Stille. Da für den gestürzten Minister, durch dessen Hand alle Geschäfte gegangen waren, nicht sogleich ein Ersatz zur Stelle war, blieb alles liegen; der Kaiser erteilte weder Audienzen noch unterzeichnete er Erlasse und Handschreiben, und man hätte glauben können, er sei gestorben, wenn sich nicht hie und da sein blasses Gesicht an einem Fenster des Schlosses gezeigt hätte. Der Böhme Matkowsky war der einzige, den er jederzeit gern um sich hatte, und ihm erzählte er unter Tränen, wie er seit seinen Jünglingsjahren die Prinzessin Isabella geliebt habe, wie aber ihr Vater, Philipp II., sich geweigert hätte, ihm das Herzogtum Mailand als Mitgift zu geben, worauf er als Kaiser und Mehrer des Reichs hätte bestehen müssen.

      Matkowskys williges Zuhören und herzliche Rührung taten ihm wohl, so daß er seinerseits dessen Berichte gern annahm, der, als Böhmischer Bruder ein gewissenhafter Bekenner der evangelischen Religion, beteuerte, seine Glaubensgenossen blickten auf den Kaiser wie auf ihren Heiland und trügen seine Ungnade ergeben, während er für die Katholiken nur ein Mittel wäre, dessen sie sich bedienten, um zu herrschen, und dessen sie sich zu entledigen versuchen würden, wenn er ihnen nicht in allem zu Willen wäre.

      Eines Abends begab sich der Kaiser in ein gewisses Turmstübchen, wo seine Goldmacher und Künstler arbeiteten, unter denen er sich mit Vorliebe aufzuhalten pflegte. Er saß mit halbgeschlossenen Augen in einem Lehnstuhl, während die Männer unter sich fortplauderten, weil sie wußten, daß ihm das angenehm war. Der Glasschneider Lehmann und sein Schüler Georg Schwanhard waren damit beschäftigt, eine Ansicht der Stadt Nürnberg in einen Pokal zu schneiden, obwohl die feine Arbeit beim Kerzenlichte für ihre Augen anstrengend sein mochte, einer knetete und mischte Wachs an einer Flamme, und ein anderer sortierte einen Haufen Edelsteine. Eine Tochter des Kaisers, ein üppiges blondes Mädchen, saß auf einem Schemel neben dem Ofen des Goldmachers und starrte verträumt in die Pfanne, wo sein blankes Gemenge brodelte. Durch ein offenes Fenster strömten die Düfte des Sommers und der unendliche Gesang einer in den dicken Gebüschen des Burggrabens verborgenen Nachtigall. Meister Vianen, der dem Fenster zunächst saß, erzählte halblaut, daß er sich lange bemüht habe, eine künstliche Nachtigall herzustellen, daß das Vöglein aus Silber und Schmelz ihm auch nett gelungen sei, daß aber die Flöte, die er hineingesetzt habe, dem süßschmetternden Ton des wirklichen Tieres nicht gleichgekommen sei, was ihm jetzt besonders auffalle, da er es höre. »Du wärest der Herrgott,« sagte Kaspar Lehmann, »wenn du eine lebendige Stimme machen könntest, die aus einem lebendigen Herzen kommt.« Gerade jetzt wurde der wohllautende Gesang durch ein schrilles Glockenzeichen unterbrochen, das den Kaiser zusammenfahren machte; Matkowsky erklärte, es komme aus dem Kapuzinerkloster, das unterhalb des Schlosses neu errichtet worden sei. Zu viele Maulwurfshügel schadeten dem Felde, sagte Lehmann leise lachend; aber wenn die Kapuziner auch Bettler und Müßiggänger wären, so gingen sie doch wenigstens nicht mit Gift und Dolch um wie die Jesuiten.

      So ungefährlich wären die Kapuziner auch nicht, sagte Matkowsky, er habe von seinem Vater greuliche Geschichten darüber erzählen hören. Zu der Zeit, als in Znaim ein Kapuzinerkloster gegründet worden sei, habe es sich begeben, daß der Sohn eines evangelischen Ratsherrn, der diese Gründung bekämpft gehabt habe, von einer sonderbaren Krankheit befallen worden sei, gegen die kein Arzt etwas habe ausrichten können. Allmählich sei es allen aufgefallen, daß der Kranke immer zu der Zeit von den Krämpfen heimgesucht worden sei, wenn der Chorgesang im neuen Kapuzinerkloster begonnen habe, das dem Hause des Ratsherrn benachbart gewesen sei. Dieser, ein beherzter Mann, habe sich denn einmal zur Nachtzeit in das Kloster geschlichen und sei ungesehen durch den dunklen Kreuzgang bis an das Chor der Kirche gekommen. Da wären die Mönche beim trüben Licht eines Lämpchens unter dem Altar um ein Wachsbild gehockt und hätten mit hohler Stimme Beschwörungen gesungen, und bei gewissen Stellen hätten sich alle erhoben und mit langen Nadeln in die Figur hineingestochen. Nach und nach hätten sich die Augen des Ratsherrn an die Dunkelheit gewöhnt, und da hätte er erkannt, daß das wächserne Bild ihn selbst darstelle, worauf ihn anfänglich das Entsetzen so gelähmt hätte, daß er sich nicht von der Stelle hätte bewegen können, obwohl ihm von der Anstrengung der Schweiß in Bächen über die Stirne geronnen sei. Endlich habe ihn ein Stoßgebet freigemacht, so daß er sich habe retten können, aber im Laufen habe er die höllischen Kapuziner hinter sich her klappern hören, und zu Hause angekommen, sei er in Krämpfe verfallen und stracks gestorben, nachdem er noch habe erzählen können, was ihm begegnet sei.

      Während des Gesprächs, das die Erzählung angeregt hatte, stand der Kaiser plötzlich auf und streckte mit angstvoller Gebärde den Arm nach dem Fenster aus, worauf Matkowsky zu ihm eilte und ihn dicht an das Fenster zog in der Meinung, Rudolf fühle sich engbrüstig und bedürfe frischer Luft. Der Kaiser jedoch wandte sich voll Schrecken fort und befahl Matkowsky, er solle ihn in den sogenannten Kaisersaal hinunterführen, der im unteren Geschoß lag und wo seine Sammlung von Kunstgegenständen und Kuriositäten aufgestellt war. Die Tochter, für die der prächtige Saal, der sich ihr nur selten auftat, etwas besonders Anziehendes hatte, sprang auf und wollte, sich an den Kaiser drängend, mitgenommen werden; aber er stieß sie von sich und befahl ihr, heimzugehen und sich zu Bette zu legen. »Warum ist sie hier?« fragte er böse. »Ich habe gesagt, daß ich das Hurenvolk nicht um mich sehen will.« Unten im Saale wühlte er, während Matkowsky mit einer Fackel leuchtete, unter einem Haufen von Korallen, Erzstücken, Wurzeln und anderen Seltsamkeiten. Er suche die Meernuß, sagte er, die der Doria ihm kürzlich zugeschickt habe und die den, der sie bei sich trage, gegen Zauberei beschütze. Matkowsky, der ängstliche Blicke auf die Schatten warf, die von ihren Gestalten auf die weiße Wand fielen, murmelte indessen Gebete und flehte den Kaiser an, einzustimmen, denn das sei das wirksamste Mittel.

      Endlich gelang es ihm, den Erschöpften zu Bette zu bringen; aber am folgenden Abend begann die Unruhe von neuem und so heftig, daß er selbst nach einem seiner Leibärzte verlangte. Doktor Altmanstetter verordnete dem Kaiser ohne Besinnen einen starken Schlaftrunk, denn Schlaf sei das einzige, was ihm fehle. Rudolf sah ihn erschreckt an und sagte: Trinken? Er könne ja nicht trinken, da ihm der Bauch nach vorne und die Brust nach hinten stehe. Ob er es nicht bemerkt habe? Die Kapuziner hätten ihn so verdreht. »Die Sache wollen wir unverweilt ins reine bringen!« sagte Doktor Altmanstetter lachend, nahm den Kaiser um den Leib, drehte und rollte ihn mehrmals hin und her und stellte ihn dann fest auf die Beine, indem er triumphierend ausrief: »Nun fehlt kein Haarbreit mehr an der rechtmäßigen

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