Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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aufmerksam und etwas ungeduldig; er hätte selbst zur Gemeinde gesprochen, wenn er es nicht für ziemlich gehalten hätte, an dem dem Gottesdienst geweihten Orte hinter dem dazu bestellten Geistlichen zurückzustehen. Seine hohe, elastisch aufrecht gehaltene Gestalt und sein Blick voll geistigen Feuers beherrschte die Zuhörer, so daß er den Eindruck gewinnen konnte, die Ausführungen seines Pastors hätten jedermann überzeugt.

      Vor der Kirche blieb er im Gespräch mit seiner Frau und seiner ältesten Tochter aus erster Ehe stehen und sah freundlich in die Runde, um diejenigen zu ermutigen, die etwa eine Frage stellen möchten. Als er einige bemerkte, die sich nähern zu wollen schienen, winkte er mit der Hand und forderte den nächsten auf, sich ohne Scheu zu erklären. Der Mann, ein Buchdrucker, sagte unter vielen Bücklingen, daß er belehrt zu werden wünsche, warum es denn sträflich sei, sich an Bildern zu erbauen, wofern man sie nicht anbete, was ein evangelischer Christ doch ohnehin nicht tue. Offenbar erfreut, daß er Gelegenheit bekam, seine Ansichten zu erörtern, sagte Moritz lebhaft und mit lauter Stimme: »Möge sich ein jeder an Bildern erfreuen, wenn sie gut gemalt sind und etwas Gutes darstellen; aber nicht in der Kirche und beim Gottesdienste, denn ein anderes ist die Kunst und ein anderes die Religion. Wir sind schwache Menschen und wider unser Wissen und Wollen geneigt, das Bild für das Wesen zu halten. Es steht geschrieben: ›Gott ist Geist, und die ihn anbeten, sollen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.‹ Das ist wohl zu begreifen, aber schwer ist es, danach zu leben. Wer möchte nicht vor bunten Bildern träumen und Gebete lallen? Wir sollen aber das Herz rein halten, die Gedanken hoch richten und nach Gottes Geboten tun.«

      Der Mann wagte diesen entschieden gesprochenen Worten keins entgegenzusetzen; auch blickte der Landgraf schon auf einen anderen, einen alten Mann bäuerischen Ansehens, der, aufgefordert zu sprechen, mit verlegenem Lächeln sagte: »Der Herr Landgraf wird alles am besten wissen; aber unser Herr Pfarrer hat gesagt, wie der Luther das Abendmahl eingesetzt habe, so sei es gut, und dabei solle es sein Verbleiben haben.«

      Diese Worte schienen den Landgrafen zu ärgern, aber er zwang sich, gelassen zu bleiben, und erwiderte: »Nun, mein Sohn, so vernimm meine Meinung gegen die deines Pfarrers. Gottes Allmacht kann Wunder tun, wenn er will, und ein Wunder ist es, daß ein im Fleische Geborener ohne Sünde war; aber Brot, das wir als Brot gebacken haben, bleibt Brot, denn Gott treibt keinen Schabernack mit uns. Glaubst du, er würde den himmlischen Leib seines Sohnes durch deinen schmutzigen Bauch gehen lassen? Wir sollen die Worte Gottes nicht nach unserer lockeren, schelmischen Phantasie auslegen, sondern sie so annehmen, wie er sie vor unseren Sinnen und unserem denkenden Geiste ausgebreitet hat.«

      Damit ließ er den Bauern, der fortfuhr, dreist oder verlegen zu lächeln, stehen und entfernte sich mit so schnellen Schritten, daß ihm Frau und Kinder kaum folgen konnten. Der Anblick eines Elefanten, den ein fremdartig orientalisch gekleideter Mann, die Trommel schlagend, eben auf den freien Platz vor dem Schlosse führte, stellte seine Laune sofort völlig wieder her. Er ließ den Mann durch einen Diener in den Schloßhof holen und rief selbst seine Tochter, seine ältesten Söhne und deren Hofmeister, den Züricher Grob, herbei, um ihnen das fabelhafte Tier zu zeigen. Die Mittagssonne überstrahlte den steingrauen Koloß, auf dessen gewölbtem Rücken ein kleiner Affe saß und an einem Apfel knabberte. Zuerst ließ sich der Landgraf von seinen Kindern die deutschen und lateinischen Namen sowie die Heimat der Tiere sagen, und nachdem er befriedigende Antwort erhalten hatte, forderte er Grob auf, sie nach seinem Wissen weiter über den Elefanten zu belehren, worauf dieser einige Beispiele von seiner Klugheit gab und über Nutzen und Verwendbarkeit des Elfenbeins berichtete. In Nürnberg allein würden jährlich viele tausend Pfund durch geschickte Kammacher, Drechsler und Bildhauer verarbeitet. Auch das Äfflein, fügte er schmunzelnd hinzu, sei nicht durchaus zu verschmähen, wenigstens behaupteten einige Reisende und Kuriositätensammler, daß sich in seinem Leibe zuweilen ein köstlicher Stein, der Bezoar simiarum oder Affenstein, finde, den die Apotheker teuer verkauften. Wie der Elefant auf ein Zeichen seines Herrn die Knie bog, gleichsam als ob er eine Reverenz vor dem Landgrafen mache, sagte dieser lebhaft, nun sehe man, wie unwahr es sei, was viele behaupteten, daß der Elefant keine Gelenke in den Beinen habe; er hoffe, es werde sich ein Gelehrter in Gießen oder Marburg finden, der etwas Gründliches darüber schreibe, damit nicht Märchen statt Naturwissenschaft verbreitet würden. Gleichzeitig winkte er mehreren jungen Leuten von Adel, die auf dem Schloßhofe spielten, und fragte, als sie mißtrauisch näher kamen, den einen von ihnen, ob er wisse, wie dies Tier heiße und woher es komme. Der Junge schüttelte verdrossen den Kopf, und auch die übrigen, die hinter ihm standen, schwiegen. Ob er wisse, wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheide? Ob er wisse, zu welchem Zweck man die Natur und ihre Eigenschaffen studiere? Ob er wisse, wozu man überhaupt etwas lerne? fragte der Landgraf schnell hintereinander, wobei er spöttisch lachte, so daß seine langen, gelben, etwas schief stehenden Zähne sichtbar wurden. Anstatt aller Antwort warf der junge Mensch einen feindselig tückischen Blick auf Moritz, der eben den Führer durch Zeichen aufforderte, er möchte den Elefanten knien lassen, damit sie aufsitzen könnten. Ober er nicht Lust hätte, einen Ritt zu tun? fragte er dann den Jungen; er wisse ja gut mit Pferden umzugehen, so solle er wenigstens diese einzige Kunst, deren er mächtig sei, zeigen. Dieser erschrak und machte Miene davonzulaufen, als plötzlich der Affe mit seinem angefressenen Apfel nach ihm zielte und ihn gerade auf die Backe traf. Während der Landgraf und der Hofmeister in helles Gelächter ausbrachen, heulte der Getroffene, das sei der Teufel, der Teufel habe ihm den Hals umgedreht, er wolle es seinem Vater sagen, er sei verloren, und mehr dergleichen. Wieder ernst werdend, gebot ihm der Landgraf Schweigen und hielt eine Ansprache über die Unwissenheit und ihre Folgen, Aberglauben und Furchtsamkeit und daß gerade der adelige Stand, der über die anderen zu herrschen sich anmaße, diesen Vorzug durch Bildung zu verdienen suchen müsse. Es sei jetzt meistens so, daß ein gemeiner Bürgerknabe die Söhne der Adligen belehren könne, das müsse anders werden, angeborene Würde tauge nur, wenn sie durch Tugend und Wissen besiegelt werde.

      Nachdem er geendet hatte, wandte er sich wieder an seine Kinder und forderte sie auf, den Elefantenführer aus ihrem Taschengeld zu beschenken, tadelte den Erstgeborenen, Otto, der das seinige bereits für seidene Strümpfe ausgegeben hatte, und umarmte die zarte Elisabeth, die reichlich geben konnte. Der Mann wurde samt seinen Tieren aus der fürstlichen Küche gut bewirtet und dem Gesinde gestattet, die Fremdlinge in Augenschein zu nehmen.

      Am nächsten Sonntag zeigte es sich, daß eine größere Abneigung gegen die reformierte Ordnung bestand, als der Landgraf gemeint hatte; denn während er auf einer kleinen Reise abwesend war, brach in der Hofkirche beim Gottesdienst ein Tumult aus, dem beinahe die amtierenden Geistlichen zum Opfer gefallen wären. Dies war für Moritz um so peinlicher, als er es grundsätzlich mißbilligte, in Angelegenheiten des Glaubens die Untertanen zu zwingen, und doch im Dienste der Wahrheit und Ordnung vorwärtskommen wollte. Vorzüglich erbitterte ihn der allgemeine Widerstand der Ritterschaft, von der er am ehesten erwartet hatte, sie würde ohne Weiterungen seinem Beispiel folgen als die dem Throne am nächsten Stehenden und ihm am meisten Verpflichteten.

      Indessen entmutigten ihn solche Erfahrungen nicht, sondern regten ihn an, seine Tätigkeit zu verdoppeln. Stets sah man den unermüdlichen Mann beschäftigt: in der von ihm gegründeten Ritterschule, wo er die Aufsätze der Schüler verbesserte und besprach, im Gespräch oder Briefwechsel mit Gelehrten aller Art, auf der Reise in den verschiedenen Teilen seines Landes oder an den Höfen glaubensverwandter Fürsten, um sie zur Wachsamkeit anzuspornen. Die Aufmerksamkeit auf das nahe Jülich gerichtet, mahnte er die Ansprecher, welche hauptsächlich in Betracht kamen, sich über das schöne Erbe nicht zu verfeinden, sondern sich zu gemeinsamer Besitzergreifung zu verbinden, damit nicht ein Dritter zum Schaden des evangelischen Glaubens es an sich reiße. Einstweilen verpflichteten er und Kurpfalz sich, Brandenburgs gerechten Anspruch zu unterstützen; schwieriger war es, mit dem alten Herzog von Pfalz-Neuburg ins reine zu kommen.

      In dem stattlichen Schlosse zu Neuburg an der Donau waltete dieser lutherische Fürst ehrbar und bedächtig, den Welthändeln im ganzen abgeneigt und der reichen Erbschaft, die ihm durch seine Jülich-Clevesche Gemahlin zufallen sollte, mit ebensoviel Mißtrauen wie Begehrlichkeit entgegensehend. Da sein Ländchen ihm nur eine geringe Summe an jährlichen Einkünften abwarf, hätte er

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