Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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mußten und die auszufechten seine Macht allein nicht ausreichte. Von seinen drei Söhnen war der älteste ihm am meisten ungleich, ein hübscher junger Mann, der den Frauen gefiel, sowohl durch seine Beredsamkeit wie durch das verhaltene Selbstbewußtsein, das seine Erscheinung königlich umgab. Dessen Meinung war, daß man guttue, sich beizeiten nach wirksamer Hilfe in bezug auf Jülich umzusehen und sich deshalb mit Brandenburg und Kurpfalz in Verhandlungen einzulassen, während Herzog Philipp, sein Vater, mit den Reformierten nichts zu tun haben wollte. Er nannte sie Abtrünnige, deren Selbstüberhebung und Unabhängigkeitsgelüste etwas Teuflisches wären und die man ebenso bekämpfen müsse wie den Greuel des Papismus.

      Sein Vater habe zwar recht, sagte dagegen Wolfgang Wilhelm, doch müsse man die Politik vom Kirchlichen abtrennen. Sei Jülich erst einmal in seinen Händen, werde er natürlich das Luthertum dort einführen. Was schade es, wenn Reformierte zu diesem Zweck beitrügen? Heftig und entschieden auf seinem Willen zu bestehen, war indessen seine Art nicht, nur gelegentlich ließ er Eltern und Brüder etwas von seinen Wünschen und Plänen merken. Die Brüder waren zu bescheidener Unterordnung unter den ältesten erzogen; doch ertappte sich der zweite, August, zuweilen auf einem Gefühl des Mißtrauens, ja der Abneigung gegen ihn, das er im Bewußtsein seiner Sündigkeit zu bekämpfen suchte. Johann Friedrich dagegen, der viel jünger war, sah in Wolfgang Wilhelm die Verkörperung des Edeln, der Schönheit und Liebe, und er dachte nicht ohne seliges Beben an den Augenblick, wo es ihm gelungen war, seine wohlgeformte weiße Hand zu küssen, als sie sich gerade schön gebogen auf einer karminroten Damastdecke ausbreitete.

      Meistens beschäftigten sich Wolfgang Wilhelms Träume mit seinem künftigen Reich am Rheine; denn Neuburg hielt er für etwas Ungenügendes und Vorläufiges. Es wurmte ihn, daß er die Erbschaft mit Brandenburg teilen sollte, und da es ihm schwer möglich schien, den mächtigeren Fürsten ganz zu verdrängen, malte er sich aus, wie er sich durch Heirat mit einer brandenburgischen Prinzessin zum Herrn des Ganzen machen könne. Um seinen Vater mit der Heirat auszusöhnen, würde er sie zu seinem Glauben bekehren, was er sowieso für notwendig zum ehelichen Glücke hielt. Er beschloß, sich ihr Bild zu verschaffen, und suchte eine Gelegenheit, sie zu sehen; denn ohne Liebe wollte er nun einmal keine Ehe eingehen. Für alle Fälle schien es ihm gut, sich auch andere Fürsten warm zu halten, und da kam unter den Verwandten der Herzog Maximilian von Bayern in Betracht als derjenige, dessen Freundschaft am meisten nützen, wie seine Feindschaft am meisten schaden konnte. Dieser Einsicht verschloß sich Herzog Philipp Ludwig nicht; doch schien ihm in dem Verkehr seines Sohnes mit dem erzkatholischen Vetter etwas Hochbedenkliches zu liegen. Er hatte darüber mit seinem Vertrauten, dem Hofprediger Heilbrunner, eine lange Unterredung, in der er sagte, sie hätten nun gottlob in seinem Lande den Irrglauben vollständig ausgerottet, die Saat des Lutherischen Wortes sei herrlich aufgegangen, so daß Gottesfurcht und gute Sitte bei den Untertanen herrsche, soweit es die menschliche Schwachheit zulasse. Ob er nicht ein gefährliches Beispiel gebe, wenn er seinem ältesten Sohn erlaube, sich da, wo des Teufels Unkraut am üppigsten wuchere, vertraulich umzutreiben, das Gift, das die alte Hure von sich gebe, einzuatmen, wohl gar abergläubischen und gottesschänderischen Gebräuchen scheinbar beifällig beizuwohnen? Ob er das vor seinem Gott verantworten dürfe?

      Das sei alles nur zu wahr, antwortete sorgenvoll der Prediger; doch müsse der Herzog auch bedenken, zu welcher Glaubensfestigkeit sein Sohn erzogen sei und wie man nicht zu fürchten brauche, daß der Antichrist etwas über ihn gewinne, wie er vielmehr auf die Verstocktheit der Glaubensfeinde wirken könne, und daß der Mensch den feingesponnenen Plänen des Herrn nicht vorgreifen solle. Freilich dürfe es nicht so weit gehen, daß der junge Herr in Person dem Baalsdienst beiwohne, wovor er aber durch die Keuschheit seines Gewissens oder durch eine väterliche Verordnung bewahrt werden könne.

      Mit dementsprechenden Ermahnungen versehen, trat Wolfgang Wilhelm die Reise nach München an, wo er mit dem Herzog Maximilian gut auskam, obwohl dieser bald merken ließ, daß er sich die Bekehrung des jüngeren Vetters zum Ziel gesetzt hatte. Wolfgang Wilhelm widersprach ihm nicht mit hitzigem Eifer, wie die Lutheraner zu tun pflegten, sondern hörte achtungsvoll an, was Maximilian in Glaubenssachen vorbrachte, ohne von seinem Standpunkte abzuweichen, und nötigte den Gegner dadurch, mit seinem Gaste auch seinerseits vorsichtig und rücksichtsvoll umzugehen.

      Am liebsten hielt sich der alte Philipp Ludwig zum Herzog von Württemberg, von dem ihn keine gleichartigen Ansprüche trennten, während das gemeinsame Bekenntnis des Luthertums sie verknüpfte; aber es war schwer, dem Herzog Friedrich beizukommen, der von besonderen Grundsätzen beherrscht war, die Philipp August nicht durchschauen konnte. Um wegen der Ablösung der österreichischen Lehensrechte sich die Gunst des Kaisers zu erhalten, hielt er sich beiseite, wenn die Glaubensgenossen etwas unternehmen wollten, um ihre Rechte zu wahren, wollte es aber doch nicht mit ihnen verderben und verwickelte sich dadurch oft in Widersprüche. Einmal brachten es die Umstände dahin, daß der Markgraf von Baden ihm gewisse Gebietsteile abzutreten versprach, wenn er einen Vertrag mit Neuburg abschlösse, worauf jener, Herzog Friedrich von Württemberg, ohne Besinnen einging, um sich die billige Erweiterung nicht entgehen zu lassen. Auch wäre ihm das Neuburger Bündnis recht gewesen, wenn nicht Neuburgs Verfeindung mit Kurpfalz dazwischengestanden hätte, dem Württemberg schon durch Verträge verpflichtet war. Wie nun die neuburgischen Gesandten nach Stuttgart gereist kamen, um den Vertrag abzuschließen, an welchem Philipp August viel gelegen war, entwich Herzog Friedrich rasch auf sein Schloß Tübingen, und als sie ihm dahin folgten, auf ein anderes, und so fort, bis sie es aufgaben und unverrichteter Sache und sehr erstaunt nach Neuburg zurückkehrten.

      Mit der Feindschaft zwischen Pfalz-Neuburg und Kurpfalz hatte es folgende Bewandtnis: Bei der zunehmenden Hinfälligkeit des Kurfürsten Friedrich mußte man, da sein Sohn und Nachfolger noch im kindlichen Alter stand, beizeiten in Heidelberg an die Vormundschaft denken, die nach alten Verträgen dem neuburgischen Vetter zustand. Die Pfälzer hielten es aber für bedenklich, dadurch dem Luthertum eine Pforte zu öffnen, und wandten sie dem reformierten Herzog von Zweibrücken zu, mit dem Kurpfalz ohnehin im engsten Einvernehmen stand. Eine so gewaltsame Verkürzung seiner Rechte kränkte den Herzog von Neuburg um so mehr, als er sich in der Tat Rechnung darauf gemacht hatte, diese Gelegenheit zur Ausbreitung des lutherischen Bekenntnisses zu benutzen.

      Außer der Jagd und den Trinkfesten nahmen Liebessachen die Zeit Herzog Friedrichs von Württemberg in Anspruch. Er hatte mehrere Jahre mit einem ehemaligen Hoffräulein seiner Frau gelebt, die ihm bereits langweilig zu werden anfing, als er die fünfzehnjährige Tochter eines Sängers aus seiner Kapelle sah, deren spröde Jugend ihn entzückte und die zu voller Blüte anzufachen er sich sofort unwiderstehlich getrieben fühlte. Mit der Entlassung der bisherigen Geliebten wurde der Hofprediger betraut, der sich denn auch seufzend anschickte, die Frau in Kenntnis zu setzen. Sie solle sich, riet er ihr, zu ihrer Familie begeben oder sonst einen entlegenen Ort wählen, wo sie in der Stille weilen könne; denn in der Nähe des Herzogs sei ihres Bleibens nicht länger, ihre Gegenwart sei ihm unleidlich, weil sie ihn an begangenes Unrecht erinnere. Es bleibe ihr somit nichts anderes übrig, als den Willen des Herzogs zu respektieren und sich zu bessern.

      Die fassungslose Dame war den Ratschlägen und Vorstellungen des Predigers nicht zugänglich und wußte sich den Zutritt zum Herzog zu erzwingen. Dieser fing an mit kurzen, schnellen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen und laut über ihr ungehorsames, widerspenstiges, unartiges Wesen zu klagen. Unmöglich sei es, mit einem solchen Weibe zu leben, zu lange schon habe er es ertragen, anstatt ihm dankbar zu sein, habe sie ihn unglücklich gemacht; wenn er nicht schleunig von ihr befreit werde, müsse er zugrunde gehen. Indem sie sich auf den Boden warf und seine Füße umschlang, erinnerte sie ihn unter Tränen an seine Liebesschwüre, vergangenes Glück und dergleichen, wie er an einem lieblichen Frühlingsabend unter einem blühenden Birnbaum sie, die Verzagte, an sich gezogen und sich verschworen habe: die Zunge solle ihm verfaulen, wenn er je ein unholdes Wort zu ihr spreche!

      »Ja,« schrie der Herzog wütend, »damals liebte ich dich, und jetzt hast du meine Liebe verscherzt, das ist ein Unterschied!« Wenn sie sich jetzt in anständiger Verborgenheit halten und ihre Zunge hüten wolle, fuhr er ruhiger fort, wolle er etwas für sie tun; führe sie aber fort, ihn

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