Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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pflegten die Weiber, habe er sagen hören, mehr zu beißen als zu küssen. Dies gab wiederum zu Scherzen Anlaß; denn es war bekannt, daß Khlesl von den Frauen nichts wissen wollte, auch niemals mit ihnen zu tun gehabt hatte; aber heimlich waren alle einerlei Meinung darüber, wo der Schuß seinen Ursprung genommen hätte. Die Nachforschungen, die angestellt wurden, ergaben nichts, niemand wollte von der Sache etwas gesehen haben, und Khlesl kehrte mit bedrücktem Herzen nach Wien zurück.

      Dort bereitete Maximilian schleunig die Gefangennahme Khlesls vor, wozu Ferdinand seine Einwilligung gab, um dem Kirchenfürsten wenigstens das Leben zu sparen. Der Umstand, daß Matthias gerade das Bett hütete, erleichterte es ihnen, unvermerkt die Vorbereitungen zu treffen: sie ließen nämlich einen verdeckten Gang von der Burg nach der Bastei errichten, durch welchen der verhaftete Kardinal in der Stille sollte abgeführt werden, damit nicht etwa das Volk zusammenliefe und ein Lärmen entstände.

      Als Khlesl am Vormittage zum Kaiser fahren wollte, kam gerade der Nuntius zu ihm und sagte, er solle doch heute nicht auf die Burg, es habe ihm häßlich geträumt und er fürchte, es werde ihm dort etwas Widerwärtiges begegnen. Nein, sagte Khlesl, er habe niemals etwas auf Träume gehalten; daß seine Feinde Widriges im Sinne hätten, wisse er wohl; aber er vertraue auf den Kaiser, der werde seinen treuen Diener nicht unbeschützt lassen. Er wolle nichts gegen den Kaiser oder sonst jemand anbringen, sagte der Nuntius; aber es liefe doch in dieser Zeit viel Haß und Widerwillen unter, und sich der Gefahr nicht auszusetzen wäre nicht Feigheit, sondern Klugheit. Wolle aber Khlesl durchaus fahren, so solle er ihn mitnehmen und in seiner Herberge absetzen. Als der Wagen in einer engen Gasse durch eine Herde Schweine etwas aufgehalten wurde, sagte der Nuntius wiederum, daß dies ein merkliches Zeichen wäre, und Khlesl beugte sich aus dem Wagenfenster, um dem Kutscher zuzurufen, er solle umkehren; da jedoch im selben Augenblick der Wagen weiterfuhr und Khlesl durch den Ruck auf den Sitz zurückgeworfen wurde, schüttelte er den Kopf und sagte traurig, er wolle es nun seinen Lauf nehmen lassen.

      Im Flur der Burg standen Bewaffnete, welche nicht zur Leibgarde des Kaisers gehörten und den Kardinal nicht in der üblichen Weise grüßten, was ihm einen peinlichen Eindruck machte; aber er faßte sich und stieg die Treppe hinauf, die zu den Gemächern des Kaisers führte, dessen Nähe ihn doch auch wieder beruhigte. Im Vorgemach trat ihm sogleich ein Vertrauter der beiden Erzherzöge entgegen und forderte ihn kurz auf, Hut und Mantel abzulegen, dagegen einen bereitliegenden schwarzen Umhang zu nehmen und den wartenden Offizieren, Dampierre und Collalto, zu folgen. Er erhebe Protest, sagte Khlesl, im Namen des Kaisers und des Papstes, hatte aber kaum ausgesprochen, als Dampierre ihn unter Schimpfworten hart anfuhr, er solle gehorchen, sonst werde man Gewalt mit ihm gebrauchen. Khlesl, der vor Schrecken zitterte, überlegte blitzschnell, ob er versuchen solle, zum Kaiser durchzudringen, oder ob sonst ein Entrinnen möglich sei; aber da er nirgends eine Zuflucht vor der Übermacht sah, ließ er sich ohne Widerrede umkleiden und von den beiden Offizieren durch den verdeckten Gang treiben, an dessen Ende eine Kutsche bereitstand, die ihn in schneller Fahrt durch Steiermark nach Tirol brachte.

      Nachdem der Kardinal auf diese Weise entfernt war, erübrigte noch, das Geschehene dem Kaiser beizubringen. Maximilian und Ferdinand traten an sein Bett, teilten ihm mit, daß dem Kardinal an seinem Leibe kein Schaden zugefügt werden solle, daß sie ihn nur in festem Gewahrsam halten würden und daß dieses zum Besten des Kaisers und der Gesamtfamilie nötig sei. Solange Khlesl regiere, würde es nie zum Kriege kommen, und die böhmischen Herren würden zuletzt den Kaiser selbst zum Fenster hinauswerfen. Ob er dazu stillhalten wollte? Er solle auch bedenken, daß sie zu Kaiser Rudolfs Lebzeiten ebenfalls das Wohl der Gesamtfamilie im Auge gehabt hätten, sich nicht wundern, wenn sie jetzt auf das gleiche abzielten, und solle der Welt gegenüber sich so anstellen, als sei Khlesls Gefangennahme auf seinen Befehl geschehen.

      Während Matthias schweigend zu weinen anfing, jammerte die Kaiserin laut, Khlesl sei ihr einziger Freund gewesen, sie wisse recht wohl, worauf die Erzherzöge abzielten, nämlich auf ihres Mannes Krone, der ihnen zu lange lebte. Das wollten sie Gott anheimstellen, sagte Maximilian, und Ferdinand fügte hinzu, sein Gewissen sei rein, sie wollten Matthias vielmehr die Krone fester aufs Haupt drücken. Matthias rief kläglich, er begehre ihrer Hilfe nicht, Khlesl sei sein wahrer Bruder und Freund, den wolle er wiederhaben; allein er hatte das Gefühl, daß offenes Widerstreben ihm nur selbst Gefahr bringen könnte, und fügte sich in das Unvermeidliche.

      *

      Im Spätherbste des Jahres 1581 fand in dem niederländischen Orte Vaux das Begräbnis des Maximilian von Longueval, Grafen von Buquoy statt, der bei der Belagerung von Tournay an der Seite des Gouverneurs der Niederlande, Alexander Farnese, Herzogs von Parma, gefallen war. Von dem Fenster eines vornehmen Hauses sah sein zehnjähriger Sohn Karl Bonaventura den festlich trauernden Zug durch die enge Straße marschieren: voran schritt das Regiment des Grafen mit der florverhüllten Fahne, dann folgte der von Rittern getragene, von einem schwarzen Tuch verhängte Sarg, auf welchem sein Wappen, seine Orden und Ehrenzeichen lagen, dann sein mit schwarzem, nickendem Federbusch gekröntes Leibroß und die von ihm im Kriege erbeuteten, entfalteten Fahnen, worauf wieder Abteilungen von Soldaten und geistliche Körperschaften folgten, denen je eine Gruppe Trompeter voranging und sie mit langsamem, starkem Blasen ankündigten. Nachdem die Zeremonien vorüber waren, begrüßte Alexander Farnese die Witwe seines verstorbenen Freundes und erkundigte sich nach den Plänen für die Zukunft ihres einzigen Sohnes. Der herbeigerufene Knabe, der stumm mit heißen Backen und großen Augen auf die Straße gestaunt hatte, nahm tief aufatmend das Wort und sagte, dies sei ein herrlicher Tag gewesen; er wolle werden, was sein Vater gewesen sei, damit er einst mit ebensolcher Pracht zur Erde bestattet werde. Bei sich dachte der Kleine, er werde es vielleicht dahin bringen, daß auf seinem Sarge der Orden des Goldenen Vlieses, des höchsten in der Christenheit, liegen werde, der seinem Vater noch fehlte. Dem Herzog von Parma gefiel der freimütige Ehrgeiz des jungen Buquoy, und er begünstigte ihn, solange er noch lebte; sobald es anging, rückte der Jüngling in die Würden seines verstorbenen Vaters ein und erwarb sich im spanischen Kriege gegen Holland neue. Diesen berühmten Offizier wünschte Matthias, sobald er Kaiser geworden war, in seinen Dienst zu bringen, und gewann auch dazu die Einwilligung des Königs von Spanien sowie seines Bruders, des Erzherzogs Albert, der inzwischen als Gemahl der Tochter Philipps II., Isabella, Gouverneur der spanischen Niederlande geworden war. Buquoy selbst jedoch hatte keine Lust dazu; denn nachdem er im Jahre 1612 das Goldene Vlies erhalten hatte, war sein Ehrgeiz im wesentlichen befriedigt, abgesehen davon, daß die als kaiserlicher Feldmarschall bei den Kämpfen im Reiche etwa zu erringenden Lorbeeren ihm mit den seinigen verglichen etwas windig vorkamen. Wien samt der Hofburg und dem Kaiser machte ihm, wenn er an Brüssel dachte, einen zurückgebliebenen Eindruck: da war keine Aristokratie, denn die evangelischen Adligen zählte er nicht, sondern alles in allem ein knauseriges, bürgerliches Wesen. Indessen da die böhmische Revolution ausbrach, konnte er sich dem vereinten Drängen des Kaisers, des Königs von Spanien und des Erzherzogs Albert nicht mehr widersetzen und tröstete sich mit der Versicherung des letzteren, er werde die böhmischen Ratten bald abgefangen und ausgeschwefelt haben und könne dann reich belohnt zu Heimat und Familie zurückkehren, ließ sich auch den Titel eines kaiserlichen Rattenjägers, den ihm die Kameraden scherzweise anhängten, mit guter Miene gefallen.

      Auch am Wiener Hofe hörte er mit Geringschätzung von dem böhmischen Krawall sprechen, freilich auch mit Erbitterung im Kreise der Anhänger Ferdinands, während der Kaiser sich dahin äußerte, es handle sich nur darum, den Böhmen einen Ernst zu zeigen oder etwa eine kleine Niederlage beizubringen, damit sie sich zu einem anständigen Frieden bequemten. Da er nun nicht mehr ausweichen konnte, verkaufte Buquoy wenigstens seine Dienste teuer, nämlich er verlangte 2000 Gulden Gehalt für den Monat, außerdem eine Entschädigung von 13 000 Gulden im Jahre und endlich, beim Abschlusse des Vertrages, ein Geschenk von 6000 Brabanter Kronen. Freigebig wurden ihm dazu noch Aussichten auf liegende Güter in Böhmen gemacht, welche man den besiegten Rebellen abnehmen würde; denn man hoffte ihn durch großen Gutsbesitz an den Dienst des Kaisers zu fesseln.

      Zuversichtlich, aber weniger fröhlich als in seinen Jugendtagen zog Buquoy dem Kriegsschauplatze zu, von wo bald lauter böse Nachrichten einliefen. Er befinde in Böhmen alles

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