Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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Lüge, Abgötterei und Ruchlosigkeit aller Art, so daß es ihn nicht wundernehmen würde, wenn Gott sie allesamt mit einem Staupbesen wie Sodom und Gomorrha von der Erde fegen sollte.

      Es sei im Plutarch zu lesen, erzählte Bernegger, daß vor der Verschüttung der Städte Herkulaneum und Pompeji durch den Vesuv ein rotgeschwänzter Komet mehrere Monate am Himmel gestanden habe. Auch jetzt vernehme man wieder von einem Rumoren und Zischen im Innern des Vesuvs, und sei es ja wohl möglich, daß die durch den Kometen in der Sternenwelt hervorgerufene Unordnung sich im Bauche des Erdplaneten spiegle.

      Einer der Schüler bemerkte, daß Italien der Sitz des Antichrist sei und die geweissagte Katastrophe also füglich dort Platz greifen könnte, vielleicht stehe gar der Umsturz der päpstlichen Tyrannei bevor.

      Bernegger schüttelte den Kopf; Venedig habe den Stuhl des Papstes wohl ein wenig ins Wanken gebracht, aber nun stehe er fester als zuvor.

      Die Böhmen seien doch aber in Aufruhr und wollten einen evangelischen König, sagte der Schüler. Wenn sich alle österreichischen Länder ihnen anschlössen, so könne etwa noch von dort aus die gereinigte Kirche über ganz Europa wachsen.

      Er möchte lieber wünschen, sagte Bernegger, das Feuer bliebe auf Böhmen beschränkt und man könnte, wie man bei Waldbränden zu tun pflegte, durch Ausroden ringsum eine Insel aus dem Lande machen, von der die Funken nicht anderswohin übersprängen und zündeten. Schließlich aber könnten sie auf alle Fälle Gott danken, daß sie in der freien Stadt Straßburg wie auf einem glückseligen Eiland säßen, hinter dessen guten Mauern und Rechten man den Kriegsschwall nur wie fernes Meerbrausen höre.

      In der Stadt Straßburg, murrte der Turmwart, sei es auch nicht mehr, wie es sein solle, wer die Augen offen halte, könne auch hier den leidigen Teufel durch die Gassen schwänzeln sehen, und man müsse sich nur der Langmut Gottes verwundern, mit der er die gebührende Strafe noch immer verhalte.

      Bernegger, der wußte, daß er als Ausländer und Reformierter in der lutherischen Stadt mißbilligt wurde, bezog diesen Tadel nicht mit Unrecht auf sich und schwieg ein wenig kleinlaut, aber er faßte sich wieder und sagte lächelnd, sie wären sich wohl alle mannigfacher Unvollkommenheit und Übertretung bewußt, und so täten sie allesamt am besten, auf die Gnade Gottes zu hoffen, von welcher der Sternenbogen, der schon seit Jahrtausenden ungetrübt über der menschlichen Verworrenheit stehe, ein tröstendes Bild sei.

      *

      In der Mitte des Monats März wehte der Wind aus Süden und schien die Sonne so warm, daß die Ärzte dem Kaiser Matthias eine Ausfahrt empfahlen, von welcher er jedoch statt erheitert bitterböse zurückkam, so daß seine dünnen, von faltiger Haut umschlotterten Hände hin und her zitterten. Er pflegte nämlich bei Ausfahrten Zuckerwerk unter die Kinder auszuteilen, die seinem Wagen nachliefen, und als er nun aus dem Sack, den man ihm hingelegt hatte, ein Stück herausnahm, um daran zu lutschen, merkte er, daß es ein Kieselstein war und daß die ganze Tüte nur von solchen voll war. Es entstand ein Laufen unter der Dienerschaft, ein Koch schob die Schuld auf den Konditor, der es wieder auf seine Ausläufer ablud, und endlich wurde dem Kaiser gemeldet, es habe gerade an Geld gemangelt, und da sei der Gewürzkoch auf den Einfall mit den Kieselsteinen gekommen, weil es ohnehin nur für die heillosen Gassenbuben sei; er bitte nun aber demütig um Verzeihung und wolle sogleich aus seiner Tasche gutes echtes Zuckerwerk unter die liebe Jugend verteilen lassen. Das kleine zusammengeschnurrte Gesicht des Kaisers nahm wieder einen freundlichen Ausdruck an, indem er sich zufrieden erklärte, doch klagte er noch ein wenig über die böse Welt, mit der es nun schon so weit gekommen sei, daß man sogar die schuldlosen Kindlein betröge.

      Am folgenden Tage blies der Föhn so stark, daß der Kaiser keine Ausfahrt wagen konnte, und er lag kläglich von Schmerzen geplagt in seinem Bette, von den Ärzten vertröstet, daß sie mit dem verderblichen welschen Winde wieder vergehen würden. Zwei Räte statteten ihm Bericht von den Geschäften ab, wie sich der König Christian von Dänemark beschwere, daß der Graf von Schauenburg zum Reichsfürsten ernannt sei und sich obendrein Fürst zu Holstein nenne, was eine unleidliche Provokation für ihn als Herzog von Schleswig-Holstein sei. Ferner hielt sich der König über das Reichskammergericht auf, welches entschieden hatte, daß die Stadt Hamburg eine freie Reichsstadt sei, und ermahnte den Kaiser, den Übermut und die Anmaßlichkeit der hansischen Städte nicht aufkommen zu lassen, welche sich als eine selbständige Körperschaft gebärdeten und schweizerische und holländische Grundsätze ins Reich einführen wollten, wonach man denn die Fürsten ausstopfen und in die Raritätenkammer stellen könnte. Es wäre auch spöttlich für den Kaiser, daß sie sich hinter den edlen und hochberühmten Reichsadler wie hinter einem Medusenschilde versteckten, ihn hernach aber gleichsam in den Hühnerstall sperrten, ihm die Federn ausrupften und kaum ein mageres Futterkorn gönnten.

      Andererseits beklagte sich die Stadt Hamburg, daß der König ihr ungewohnte Zölle abfordere, daß er in öffentlichen Erlassen den guten altdeutschen Elbstrom als den seinigen ungescheut bezeichnet habe und daß er schließlich ihr gegenüber eine neue Stadt gegründet und mit großen Begünstigungen ausgesteuert, ihr also gleichsam als eine Falle auf die Nase gesetzt habe, um ihr das Futter wegzuschnappen. Die Stadt Hamburg hoffe, daß der Kaiser sie nicht so jämmerlich werde verschrumpfen und aussaugen lassen, um so mehr, als sie Türken- und andere Reichssteuern stets pünktlich bezahlt habe und nicht einmal ein Bauer seiner Kuh das Heu ausgehen lasse.

      Der Kaiser sagte schmunzelnd, da wären zwei Enten, die an einem Frosch schluckten, und das beste wäre, keine bekäme ihn, da sie beide schon frech genug wären. Die Räte lachten und waren derselben Ansicht, doch meinten sie, daß der Däne als hochmütiger und unternehmender Fürst ganz besonders zu fürchten sei; sie hatten ein Mahnschreiben an ihn aufgesetzt des Inhalts, der Kaiser verwundere sich höchlich, daß der König von Dänemark so impertinent sein wolle, sich etwelcher Verachtung des heiligen Reiches zu unterstehen und den nordischen Meerstädten die uralte Handelsfreiheit zu verkürzen, welchen Schaden er verhoffentlich bald abstelle, da der Kaiser sonst zu solchen Mitteln greifen müßte, die der König nicht gern sehen würde. Den Schauenburger betreffend würde der Kaiser diesen eindringlich ermahnen, sich ungebührlicher fremder Titel zu enthalten, sich vielmehr in dieser und anderer Hinsicht wie ein ehrliebender deutscher Reichsfürst erfinden zu lassen.

      Daß König Christian sich des Grafen von Oldenburg annahm, der den Erzbischof Friedrich Adolf von Bremen verklagte, weil er seit vielen Jahren mit seiner Schwester verlobt sei, aber die Heirat zu effektuieren sich beharrlich weigere, wodurch er und seine Schwester vor aller Welt verächtlich gemacht würden, betrachteten die kaiserlichen Räte nur als einen Umschweif des Königs, um den Erzbischof von seinem Erzbistum zu bringen, in welches er bekanntlich seinen eigenen Sohn einschlüpfen lassen wollte. Er habe denselben über und über mit Gold beschmiert, damit er desto besser durch das Pförtlein einginge, aber die Domherren, wenn sie auch davon abgriffen, soviel sie könnten, hielten ihn doch sorglich auf der Seite, weil ihnen der dänische Hirtenstab zur Zeit noch etwas fremd vorkäme.

      Vielleicht, sagte der Kaiser, indem er über das ganze Gesicht lachte, wären dem König von Dänemark die Weiber ausgegangen, er solle ja ein Herkules in der Liebe sein, und wolle sich ein neues Jagdgebiet im Reiche gründen.

      Ja, sagten die Räte unter anhaltendem Gelächter, der König sei sehr amoros und halte sich auch für einen Adonis, sehe auch dergleichen aus auf den Bildern, die sein Gesandter bei seinem letzten Besuch in Wien verteilt habe. Das Frauenzimmer in Dänemark solle übrigens ausnehmend schön sein, nicht fett wie das hiesige, sondern zart und blond, dazu verliebter Natur und treulos, weil sie in ihrer Unmäßigkeit mit einem Manne nicht genug hätten.

      Wenn Dänemark nicht so weit entfernt und nicht ketzerisches Land wäre, möchte er wohl einmal dahin reisen und dem König zu Hilfe kommen, sagte der Kaiser, während die beiden vor sich niedersahen und kaum das Lachen verbeißen konnten.

      Hierauf sollte der Kaiser

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