Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch страница 56
*
Es befand sich damals ein Abgesandter der holländischen Staaten in Prag, ein ruhiger, bedächtiger Mann, der, so behaglich man auch mit ihm plaudern konnte, über die politischen Fragen sich nie recht ausließ, und selbst bei Banketten, wo ein jeder sich aufknöpfte, einer Schnecke gleich, die die Fühler einzieht, vorsichtig in sich zurückkroch, wenn man ihn ausholen wollte.
»Wenn Ihr, meine Herren, betrachtet und nachahmt, was wir getan haben,« sagte er einmal, »so kann es Euch gewiß nicht fehlen. Wir haben vierzig Jahre lang wie ein Wall vor unserm Hause gestanden, und wenn einer gefallen ist, ist ein anderer in die Lücke getreten. Freunde haben wir nicht gehabt als das Meer, das wir wie einen Löwen mit Blut sättigten und das uns unsere Feinde verschlingen half. Wir führten in einer Hand das Ruder, in der anderen das Schwert, waren Kriegsleute und Handelsleute zugleich, ließen uns Bettler und Krämer schelten und sind frei und reich dabei geworden.«
Ja, sagten die böhmischen Herren, ihre Lage sei nicht so günstig, sie wären kein Meervolk, könnten auch zu keiner Eintracht kommen, weil bei der langen habsburgischen Herrschaft deutsche und böhmische Nation, katholischer und hussitischer Glaube nebeneinander aufgegangen sei. Die Städte wären selbstsüchtig und eifersüchtig, wollten für die gemeine Freiheit nichts tun und nichts geben, die Söldner wären ein habgieriges, ehrloses Volk, das sich ohne Geld nicht rührte. Man sollte zahlen und zahlen und könnte sich doch nicht selbst zugrunde richten.
Ob sie denn ihre Untertanen nicht bewaffneten? fragte der Gesandte. Ja, wer denn inzwischen ihre Güter bestellen sollte? war die Antwort. Freilich ließe hie und da einer seine Bauern zu Feld ziehen, aber im ganzen sei es nicht geraten, ihnen Waffen in die Hand zu geben, die sie leicht gegen den eigenen Herrn gebrauchen könnten. Den Bauern gehe es zu gut, darum wollten sie höher hinaus und zögen sich gern hinter den Kaiser, um unter seinem Schutze sich ihren Fronden zu entziehen. Der Kaiser drangsaliere zwar seine eigenen Bauern wie einer, bei den fremden aber spiele er den Schutzherrn; darum sei es eine bewährte Erfahrung, daß man mit den Bauern nicht gegen den Kaiser ziehen könne.
Nun, sagte der Gesandte, der den Auftrag hatte, die Böhmen auf alle Fälle bei der Kriegslust zu erhalten, die hochmögenden Herren befänden sich zwar augenblicklich im Frieden mit Spanien und könnten sich nicht geradezu gegen den Kaiser einlassen, aber das Evangelium ließen sie doch nicht im Stich, wenn es anginge, und wären gottlob imstande, die gute Sache mit Geld zu unterstützen, wenn sie guten Willen und Ausdauer sähen.
Auf diese Vertröstung des geldmächtigen Hollands taten sich die Böhmen viel zugute, doch unterließen sie nicht, sich auch nach anderer, tatkräftigerer Unterstützung umzusehen, die sie hauptsächlich in einem geeigneten König zu finden hofften. Ein König, der Geld und Kredit hätte, meinten sie, würde ihnen mehr nützen als schaden, vorausgesetzt, daß sie seine Rechte in einem der Krönung voraufgehenden Vertrage tunlichst einschränkten. Die meisten von ihnen hielten eine aristokratische Republik mit monarchischer Spitze für die beste Staatsform, da namentlich in Kriegszeiten eine einheitliche Leitung vorteilhaft sei. Welcher Fürst für das Amt in Betracht komme, darüber gingen natürlicherweise die Ansichten auseinander. Graf Thurn und Graf Schlick, welche Lutheraner und deutscher Abkunft waren, stimmten für den Kurfürsten von Sachsen, weil er einer der mächtigsten evangelischen Fürsten und ihr Nachbar sei, vor allem aber, weil er mit dem Kaiser gut stehe und derselbe sich nicht leicht mit ihm verfeinden würde. Die Kalviner dagegen, die bei weitem in der Mehrzahl waren, wollten lieber einen König ihres Glaubens und brachten den Kurfürsten von der Pfalz in Vorschlag, der eine weit mutigere und entschlossenere Politik verfolge als der Sachse und durch seine Verwandtschaft mit England und Schweden sowie durch andere gute Verbindungen, mit den Staaten, der Union und der Schweiz, Nutzen bringen könne. Während diese beiden Fürsten zunächst noch kein Zeichen von Bereitwilligkeit verrieten, gab ein anderer große Geneigtheit zu verstehen: das war der Herzog von Savoyen, ein unruhiger, nach Vergrößerung trachtender Mann, der durch die Nachbarschaft mit Mailand oft in Streit mit Spanien geriet und als ein natürlicher Feind dieser Macht und Österreichs zu betrachten war. Er empfahl sich hauptsächlich durch fabelhaften Reichtum, der ihm zugeschrieben wurde, und wenn er auch katholisch war, so bekannte er sich doch als Feind des Papstes und behauptete, von Vorurteilen gegen Andersgläubige frei zu sein.
Die pfälzischen Räte vernahmen von der etwa möglichen Wahl ihres Herrn auf den böhmischen Thron nicht gerne, der doch ein wenig allzu unsicher und gleichsam am Rande eines Vulkanes stand. Es war einmal nicht zu leugnen, daß Ferdinand bereits erwählter böhmischer König war, und vorauszusehen, daß er nicht gutwillig einem andern Platz machen würde. Wurde er Kaiser, so war es vollends eine heikele Sache für einen Reichsfürsten, seinem Oberhaupt im offenen Krieg entgegenzutreten, und verlor er leicht seine Bundesgenossen im Reiche. Nun hatten freilich nicht nur Pfalz, sondern auch andere ansehnliche Reichsfürsten längst beschlossen, diesmal die Kaiserkrone vom Hause Habsburg abzuwenden; allein noch hatte man sich nicht auf einen andern Kandidaten geeinigt, geschweige denn, daß ein solcher gewonnen wäre. Da von einem evangelischen Kaiser doch abgesehen werden mußte, die Kalviner sich einen lutherischen auch nicht einmal gewünscht hätten, zielte die pfälzische Politik noch immer auf den wittelsbachischen Vetter, den Herzog von Bayern, ab, und der Rat Camerarius reiste eigens nach München, um die Stimmung des verschlossenen und vorsichtigen Herrn zu erforschen. Jocher, des Herzogs erfahrenster Rat, mit dem Camerarius verhandeln mußte, wußte genau, daß sein Herr auf den Antrag der Evangelischen nicht eingehen würde; seine Aufgabe bestand nur darin, ihre etwaigen geheimen Anschläge in Erfahrung zu bringen und, wenn möglich, einen Vorteil für den Herzog herauszupressen, also zwar nicht anzunehmen, sich aber den Abschlag auch nicht gleich herauswischen zu lassen.
Vertraulich erzählte Jocher, wie schon im vergangenen Jahre Ferdinand ihn um Hilfe angegangen und ihm Oberösterreich habe verpfänden wollen, das ihnen seiner Lage wegen natürlich anstehen würde. Sie hätten sich aber darüber noch nicht vernehmen lassen, denn es kaufe niemand ein Pferd, das ihm von selbst in den Stall liefe. Auch ohne das würde der Herzog sich jedenfalls gründlich bedenken, ob es rätlich für ihn sei, die Macht Österreichs zu stärken; denn er sei doch auch ein Reichsfürst, und die fürstliche Libertät, die durch Österreich und Spanien gefährdet würde, liege ihm wie jedem guten Deutschen am Herzen.
Hieran knüpfte Camerarius, zählte die Schäden auf, die der habsburgische Dominat dem Reiche gebracht habe, und mahnte, was für eine hohe Aufgabe es sei, und nur von einem klugen und mächtigen Fürsten wie Maximilian zu erfüllen, die alte Kaiserherrlichkeit wieder herzustellen.
Ja, sagte Jocher lachend, Kaiser und Reich ständen nicht gut in einem Ofen, wo eins aufgehe, schrumpfe das andre zusammen. Bei jeder neuen Wahl werde ein Stein aus der Kaiserkrone genommen und dafür ein Dorn eingesetzt, und so sei schon eine Dornenkrone daraus geworden, die einen doch nicht zum Heiligen mache, obschon sein Herr eine gewisse Anlage dazu habe. Auch Camerarius lachte und fragte, was für ein Herr der Herzog im täglichen Umgange