Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch
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Des weiteren erzählte der Herzog von Zweibrücken, daß ihm soeben Bericht von einer wunderbaren Begebenheit aus Schweden gekommen sei: Der junge König habe sich mit seinem Kanzler, dem durch seine Weisheit und Gelehrsamkeit bekannten Grafen Oxenstierna, in einem königlichen Schlosse aufgehalten, als am späten Abend Feuer ausgebrochen sei und nach Art dieses höllischen Elementes rasch um sich gegriffen habe, so daß alsbald das ganze Gebäude lichterloh gebrannt habe. Die beiden Herren hätten miteinander bei der Arbeit gesessen und der König daneben auf der Laute geklimpert, sie hätten keinen unzeitigen Schrecken gespürt, sondern sich schnurstracks aus dem Fenster geschwungen, wobei der König seinem Kanzler noch hilfreich beigestanden hätte. Nachdem sie so dem Feuer entronnen wären, hätten sie noch durch den Burggraben waten müssen, der voll Schmutz und Wasser gewesen sei, so daß es ihnen fast an den Hals gestiegen wäre, und als sie drüben angekommen wären, hätte der König auf sich selbst gescholten, weil er die Laute, die er bei der Flucht unwillkürlich in der Hand behalten, über sich zu heben vergessen hätte und sie nun durch die Nässe verdorben sei. Der Kanzler hätte einen Schnupfen davongetragen, der König aber sei ganz unversehrt geblieben, worüber die Prediger in Schweden viel gepredigt hätten, und auch sein, des Herzogs von Zweibrücken, Hofprediger hätte sich fein auf der Kanzel ausgelassen, wie der protestantische Held nunmehr durch Feuer und Wasser gegangen sei, um erprobt und geläutert, gleichsam als ein Erzengel, den abgöttischen katholischen Drachen zu zertreten.
Trotz des großen Eindrucks, den diese Berichte von dem jungen Schwedenkönig machten, fehlte es nicht an Bedenken gegen ein etwaiges Bündnis: so wollten die Städte gehört haben, daß der König statt mit gutem gemünztem Gelde mit Kupfer zu zahlen pflege, weil dies schlechte Metall in den schwedischen Bergen überflüssig zu finden sei; bemerkten auch, daß Bündnisse mit auswärtigen Potentaten nach der Goldenen Bulle verboten seien und also zwiespältig und skrupulös zu unternehmen wären. Die Fürsten wollten sich darauf weniger einlassen, deuteten aber an, daß der König von Schweden zur Zeit noch mit Moskowitern und Polen engagiert sei, auch mit dem König von Dänemark überquer stehen solle, mit dem man es, als mit einem schwerreichen, gewalttätigen Monarchen, der mit vielen Reichsfürsten verschwägert und selbst Reichsglied sei, nicht verderben dürfe. Inzwischen wollte man den jungen Herrn von Schweden nicht aus den Augen lassen und empfahl dem Herzog von Zweibrücken wie auch dem Landgrafen Moritz von Hessen, welche beide zu seiner Verwandtschaft gehörten, ein gutes Vernehmen mit ihm zu erhalten.
Ungehindert wurde nun die Kaiserwahl ausgeschrieben, und Ferdinand begab sich, nachdem er mit vieler Mühe und nachdrücklichen Pressuren das nötige Geld zusammengeborgt hatte, prächtig ausgerüstet nach Frankfurt. Gleichzeitig schleppte sich über die nach Frankfurt führende Landstraße ein schwerer, mit vier Pferden bespannter und von vielen Bewaffneten geleiteter Wagen, in welchem sich nebst zwei Offizieren und zwei Ratspersonen eine auf 140 000 Gulden geschätzte Krone befand. Diesen bedeutungsvollen vergoldeten Wagen zu sehen, war überall ein großes Zusammenlaufen des Volkes, und in Rotenburg, wo die Kutsche bei einbrechender Dunkelheit einzog, fiel es müßigen Leuten ein, zu ihrer festlichen Begrüßung Raketen abzubrennen, welche gerade vor den Füßen der Pferde platzten und zischend in die Luft fuhren. Die erschrockenen Tiere scheuten und bäumten sich, worüber die Kutsche auf die Seite fiel, der Schlag sich öffnete und die Krone in einen neben der Straße hinlaufenden Graben sprang, ohne daß die selbst übereinandergeworfenen Beisitzer es hindern konnten; freilich konnte dieser Vorgang nicht deutlich wahrgenommen werden, weil die Eskorte sich sofort mit gezogener Waffe zum Schutze um das so elend entblößte und ausgesäte Reichskleinod aufstellte.
Dieser Unfall wurde zwar nach Möglichkeit verschwiegen, erregte aber bei denen, die davon hörten, großes Bedenken, wie auch mehrere andere Unzuträglichkeiten, die anläßlich der Kaiserwahl vorfielen, als üble Vorzeichen gedeutet wurden. So verfuhren die Quartiermeister, welche den Kurfürsten und ihrem Gefolge Herberge anzuweisen hatten, so grob und unbedacht, daß sie eine Wöchnerin, die erst vor wenigen Stunden geboren hatte, aus ihrem Zimmer schafften, worauf sie unaufhaltsam von ihrer wehklagenden Familie hinwegstarb. Dadurch wurde der Frankfurter Pöbel noch mehr aufgereizt, der sowieso kein Herz für die Kaisersache hatte, weil bei der letzten Rebellion des Volkes gegen das Patriziat der Kaiser für dieses Partei genommen und die Empörer grausam bestraft hatte. Ferner sollte Moritz von Hessen, der sich vorgenommen hatte, die Wahl des Erzherzogs Ferdinand auf irgendeine Art zu hintertreiben, als er zur Stadt hinaus mußte (denn es war Gesetz, daß alle Fremden, mit Ausnahme der Kurfürsten und ihres Gefolges, an den Tagen der Kaiserwahl das Gebiet der Stadt Frankfurt verlassen mußten), bitterböse Drohworte ausgestoßen haben; dieses Fürsten notgedrungener Abzug erregte aber nicht Teilnahme, sondern Schadenfreude des Volkes, weil er sich damals gleichfalls der Rebellion nicht angenommen hatte.
Das größte Aufsehen gab es, als am Tage nach erfolgter Wahl der Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, indem er aus seiner Kutsche aussteigen wollte, von einem Hunde ins Bein gebissen wurde und als ein Schwerverletzter in sein Bett getragen werden mußte. Er nahm es sich um so mehr zu Herzen, als er hauptsächlich die Wahl Ferdinands betrieben und zum Effekt gebracht hatte und ihm nun dieser unverhoffte Hundebiß wie ein strafendes Gotteszeichen vorkommen wollte, weil er etwa um persönlichen Vorteils willen das Wohl des geliebten Vaterlandes zurückgestellt hätte. Daß es mit dem Hunde eine besondere Bewandtnis hatte, darauf deutete die Natur der Wunde, die nicht zuheilen wollte, wie auch, daß man den Hund mit eingezogenem Schwanze davonlaufen und nachher gar nicht mehr gesehen hatte. Einige Ärzte äußerten die Befürchtung, der Hund möchte toll gewesen sein, was die Angst und Ratlosigkeit noch vermehrte. Nach allgemeiner Aussage befand sich ein gelehrter Jude in Frankfurt, der gegen den Biß toller Hunde ein geheimes Mittel kenne, aber der Kurfürst zweifelte, ob er sich von einem solchen dürfe behandeln lassen, und bot ihm viel Geld, falls er vorher zum Christentum übertreten wollte. Der Jude antwortete höhnisch, er sei dazu bereit, wenn der Kurfürst hernach aus Dankbarkeit den jüdischen Glauben annehmen wollte, so sei auf beiden Seiten nichts gewonnen und nichts verloren; Geld habe er genug, verlange auch keine Bezahlung für die Kur, die er nur vornehmen würde wegen des Vergnügens, einen so treuen Vasallen des Kaisers gesund zu machen. Hingegen gelang es, die Frau des Juden zu bestechen, daß sie ihrem Manne an dem betreffenden Tage ein geweihtes, mit allerlei Sprüchen und Amuletten hergerichtetes Hemd anpraktizierte, in welchem er den Erzbischof ohne Schaden untersuchte, einsalbte, mit heilsamen Tropfen versah und so weit wieder herstellte, daß er nach Hause reisen konnte. Doch wurde der einst so schöne, majestätische und heitere Fürst die schwermütigen Gedanken nicht wieder los, befürchtete auch immer den Ausbruch der Hundswut und strafte sich selbst, daß er aus Sorge um sein gemeines irdisches Leben sich von einem Juden hatte kurieren lassen, der den Heiland gekreuzigt hatte.
Großes Ärgernis gab ein Mann, der in Tracht und Gebärden eines Quacksalbers während der Wahltage allerlei Gegenstände an die Meistbietenden verkaufte, worunter eine aus Blech verfertigte und mit buntem Glas verzierte Krone war; dieselbe war so nett und künstlich gemacht, auch würzte der Mann den Handel mit so gefälligen Späßen, daß er eine große Summe Geld damit erzielte. Der, welchem sie zugeschlagen wurde, band die Krone einem schäbigen Pudel auf den Kopf, der damit durch die Straßen lief, bis der Rat dem Unfug ein Ende machte, ohne aber der Schuldigen habhaft werden zu können. Der Verdacht fiel auf die in Frankfurt ansässigen Niederländer, die auch die letzte Rebellion angezettelt haben sollten, weil die reichen Bürger und Handelsleute sie wegen des Wettbewerbs und anderer Mißstände nicht leiden wollten.
Der nunmehrige Kaiser Ferdinand ließ sich alles dies nicht anfechten, sondern nahm die unter so großen Schwierigkeiten erfolgte Wahl als ein Zeichen Gottes, daß er wegen anererbter und angeborener Tugenden zum Weltregiment und namentlich zur Wiederherstellung der katholischen Religion auserlesen sei und ebenso wunderbar zum Siege über die Böhmen werde geführt werden. Zunächst reiste er zu besserer Befestigung der Freundschaft und Abmachung gegenseitiger Vertragsleistung nach München, wo der Herzog den hohen Gast ehrenvoll empfing, ihm seine Residenz und Kunstschätze zeigte, sich aber in