Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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nie mit Weibern zu tun hätte?

      Jocher zog die Augenbrauen hoch und war augenscheinlich von Ehrfurcht durchdrungen. »Nichts dergleichen«, sagte er; »der Mann würde ganz Bayern zu einem Kloster machen, wenn er Augen und Hände allerorten hätte. Aber Gott hat den Menschen aus Fleisch gemacht, das den Keim des Verderbens und der Fäulnis in sich trägt, und darf es nicht ans Licht, so wuchert es im verborgnen.« Laster und Vergnügen seien schwer zu trennen, und es seien unter den Beamten viele, die sagten, wenn des Herzogs Vergnügen die Arbeit sei, so könne er das doch nicht von jedem voraussetzen und verlangen, besonders da es ihnen nicht zugute komme. Zuweilen führe er der Gesundheit wegen aufs Land, und bei Festlichkeiten wolle er, daß es hoch herginge, aber das Lustigsein zähle er herunter wie einen Rosenkranz oder säge es weg wie einen Klafter Holz.

      Camerarius sagte, ihm gefielen die Menschen nicht, denen das Herz nicht einmal überlaufe. Für das Regiment möchte es freilich nützlich sein und besser taugen als die Natur seines jungen Herrn, der weder zur Arbeit noch zum Vergnügen die rechte Lust habe. Es sei immer, als ob er nur spiele oder noch nicht recht aufgewacht sei, und doch schliefe er bis in den hellen Tag. Übrigens sei er lieb und gut, trübe kein Wasser und nehme guten Rat an.

      Jocher meinte, er sei ja auch noch jung, oft müßten die Jahre den Organismus erst ein wenig schütteln, damit alles an seinen Platz käme.

      Das wäre zu wünschen, rief Camerarius; den feinen Verstand der Mutter hätte er, aber die Säfte wären träge, so wäre gewissermaßen ein gutes Mühlrad da, dem der Umschwung fehle, so daß das Korn ungemahlen bliebe. Zuweilen litte er auch an Melancholie, ließe sich aber leicht, namentlich durch das Söhnlein, zerstreuen.

      Auch sein Herzog sei melancholisch, sagte Jocher, es habe aber nichts auf sich, sondern sei ihm angeboren, wie einer etwa dunkelfarbiger als andre auf die Welt komme. Eigentlich lachen könne er nicht, das gebe ihm aber gerade etwas Heroisches. Alles in allem sei er ein großer Fürst, und keiner im Reich sei ihm zu vergleichen.

      Darum eben, sagte Camerarius, scheine er zum Kaiser bestimmt zu sein. Warum er denn die große Aufgabe nicht ergreifen wolle, für die Gott ihn geschaffen habe? Er sei der einzige katholische Fürst, für den die Stimmen der Evangelischen zu gewinnen sein würden. Und wie denn Jocher glaube daß er seinerseits sich zu den Evangelischen stellen würde?

      Jocher zuckte die Achseln. Die Gesetze würde der Herzog respektieren, sagte er. Aber da er Gesetz und Ordnung liebe, würde er kaum das Regiment in einem Reich zwiespältigen Glaubens übernehmen. Vielfältige Erfahrung lehre, daß dabei keine Ordnung möglich sei, schon wegen der geistlichen Fürstentümer. Ob die Kirche sich jemals gutwillig ihre Einkünfte würde entziehen lassen?

      Der Knoten wäre leicht zu lösen, meinte Camerarius, wenn alle protestantisch wären. Dann gäbe es keine geistlichen Fürstentümer mehr, jeder Fürst sei unabhängig vom Papste, Herr im eigenen Lande, und zwischen Fürst und Kaiser herrsche kein Mißtrauen mehr.

      Jocher wand sich vor Lachen in seinem Stuhle. In den katholischen Ländern, sagte er, herrsche nun einmal mehr Gehorsam, das sei erwiesen. Wo das hinaus wolle, wenn zuletzt ein jeder seine eigene Meinung hätte? Es sei viel besser und einfacher, wenn alle Evangelischen zur alten Kirche zurückkehrten, der Weg zum Stalle zurück sei immer leichter als hinaus. Ob Pfalz nicht den Anfang machen wolle?

      Entrüstet sprang Camerarius auf und rief aus, da könne eher der Rhein zurück- und in den Main fließen. Wer einmal die Freiheit geschmeckt habe, begebe sich nicht freiwillig wieder in die Dienstbarkeit.

      Ach, sagte Jocher, das sei eine geschwollene Rede. Es sei doch im Grunde einerlei, ob man diesen oder jenen Katechismus auswendig lerne. Ein gescheiter Mann denke sich dabei, was er wolle, und inzwischen werde der Pöbel im Zaum gehalten.

      »So gemütlich nehmen wir es nicht«, sagte Camerarius ruhiger. »Wenn es sich tun ließe, wäre ich für meine Person es zufrieden; aber es läßt sich nicht tun. Ich fürchte nur, daß wir über diesem Streiten alle in die Servitut Spaniens geraten.«

      »Wir nicht«, sagte Jocher breitspurig; sein Herzog hielte die Augen offen. Und wenn er Kaiser würde, täte er es gewiß, um Spanien einen Possen zu spielen.

      Im Grunde war es den pfälzischen Räten recht, daß das Projekt an Maximilians Abneigung scheiterte, wenn auch freilich kein anderer Kandidat vorhanden war, zu dem man mehr Vertrauen haben konnte; denn die Bewerbung des Herzogs von Savoyen war vollends eine verfängliche Sache. Als deren Verfechter erschien Graf Mansfeld, vom Turiner Hofe kommend, mit einem gründlichen Memorial, in welchem ausgeführt war, daß das Haus von Savoyen von dem altdeutschen Helden und Fürsten Wittekind abstamme, pures, lauteres deutsches Blut führe und wegen dieser Stammverwandtschaft wohl zur Kaiserwürde im Deutschen Reiche berufen sei; wie er den Katholischen von Haus aus gefällig, auch den Protestanten wegen seiner Feindschaft mit den Jesuiten wert sein müsse, daß er glücklich im Kriege sei und viel Geld habe.

      »Ich meine,« sagte Christian von Anhalt, nachdem das Memorial vorgetragen worden war, »wir könnten schließlich auch den Mogul von Persien zum deutschen Kaiser machen. Mir sollte es recht sein, wenn es der Religion und der Freiheit zunutze wäre.« Graf Solms sagte, ein Kaiser deutscher Nation müsse von deutschem Blute sein, und der Herzog von Savoyen sei trotz Wittekind ein Welscher, so gut wie die Habsburger Spanier wären. Camerarius sagte auf Befragen, er halte nicht dafür, daß der Herzog von Savoyen bei der Wahl durchzubringen sei. Er werde den Kurfürsten im allgemeinen fremd und absonderlich vorkommen. Mansfeld entgegnete ärgerlich, der Herzog sei reich genug, um sich den Kurfürsten vertraut zu machen. Mit Geld, einem Schwert und festem Willen ließe sich leicht ein deutscher Kaiser machen. Freilich müsse man wollen und die Bedenklichkeit fallen lassen. Die Sache blieb aber gleich daran hängen, daß der Herzog ein Land im Reiche zu besitzen wünschte, um etwas Sicheres unter den Füßen zu haben, und dies mit äußerster Vorsicht erwogen werden mußte. Man fand, es sei besser, dem Herzog zwar nicht alle Aussicht abzuschneiden, aber auch nichts Bindendes von sich zu geben, sondern ihn mit Verhandlungen hinzuhalten. Wenn man ihn dahin bringen könnte, die gute Sache nur mit Geld zu unterstützen, so wäre das vorzuziehen. Demgemäß wurde wieder eine Gesandtschaft an den Hof von Turin abgeordnet mit dem Auftrage, den Herzog bei guter Gesinnung zu erhalten, ohne aber seinem Ehrgeiz eine Brücke ins Reich zu schlagen.

      *

      Um die Gesinnung des Kurfürsten von Sachsen wegen der böhmischen Thronfolge zu erforschen, begab sich Graf Joachim Andreas Schlick, der ein Jugendgespiele Johann Georgs gewesen war, nach Dresden und erlangte auch nach einigen Weiterungen eine Audienz. Der Kurfürst dachte zwar nicht im Ernst daran, die Krone anzunehmen, wollte sie aber auch nicht geradezu ablehnen, einerseits, weil seine Stände größtenteils böhmisch gesinnt waren, sodann, um sich dem Kaiser kostbar zu machen, der in diesem Streite jedenfalls seiner Hilfe bedurfte. Er empfing deshalb den Grafen nicht allzu freundlich, und als dieser sich dreimal bis auf den Boden verneigte und darauf Gott anflehte, einen so großmütigen Herrn wie den Kurfürsten der Welt, dem Reich und der lutherischen Kirche zu erhalten, nickte er nur beiläufig, ohne den Blick von seiner Beschäftigung wegzuwenden. Auf einem vor ihm stehenden Tischlein nämlich lag ein Haufen sauber geputzter Gänseknochen, welche er auseinanderlas, ans Licht hielt und betastete. Nach einer Weile sagte er zu dem bescheiden wartenden Grafen, er gehe damit um, die Gänseknochen zu verwerten, denn bei einem fürstlichen Haushalt, an dem so viele Mäuler zehrten, müsse Sparsamkeit herrschen, davon hänge das Gemeinwohl ab; daran dächten freilich die adligen Herren nicht, die nur daherkämen, um zu fressen und zu saufen, und nicht fragten, woher es komme; ein gewisses Knöchlein, nämlich das Steißbein, werde verpulvert und komme dann in die Apotheke seiner Frau als ein vorzügliches schweißtreibendes Mittel, für die anderen habe er noch keine Verwendung, aber es werde ihm schon etwas einfallen.

      Nachdem er die landesväterliche Fürsorge des Kurfürsten gepriesen hatte, sagte Graf Schlick, er habe als Bube auf dem Gänsebrustknochen

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