Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch

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Schlick war der Meinung, man sei zu weit gegangen, um noch zurück zu können, und wenn sie nur erst ein richtiges Haupt hätten, besonders wenn es der Kurfürst von Sachsen wäre, könne noch alles gut werden. Das große Blutvergießen angehend, könne ja auch das Blut ihrer Feinde damit gemeint sein, und obwohl er für seine Person nicht blutdürstig sei, müsse man doch Gott schalten lassen und ihm Beifall geben.

      Diese Aussicht ermunterte Wilhelm von Lobkowitz wieder, und die Verhandlungen nahmen ihren Fortgang, wobei freilich die Aussicht, den Kurfürsten von Sachsen zu gewinnen, bald schwand; denn da der Kaiser ihm für seinen Beistand, ebenso wie die Böhmen, den Besitz der Lausitz versprach, fiel auch diese noch in die Waagschale der altbewährten Politik, und über einige von seiner Frau angeregte Gewissensbedenken half ihm der Hofprediger Hoë hinweg, indem er ihm erklärte, ein guter altdeutscher patriotischer Reichsfürst müsse selbst diese zuweilen dem Reichsoberhaupt zum Opfer bringen.

      *

      Während der junge Kurfürst von der Pfalz in seine Frau noch immer sehr verliebt war, erregte sie oft den Unwillen seiner Räte und Geistlichen durch ihr undeutsches und unbedachtsames Betragen. Sie bediente sich nur der französischen Sprache, zeigte auch keine Lust, das Deutsche zu lernen, was vielen, trotz der Vorliebe für französisches Wesen, einer deutschen Fürstin doch nicht ganz anständig schien. In der Bibel wollte sie nicht lesen, denn die kenne sie nun, begnügte sich auch nicht mit Virgil oder Horaz, sondern unterhielt sich mit französischen Romanen. Besonderen Anstoß erregte es, daß sie einmal während des Gottesdienstes spazieren gefahren war, ja man erzählte sich, sie habe einmal, als ihr der Finger geblutet habe, einen Wachsfinger in eine katholische Kirche geopfert, um zu versuchen, ob es helfe. Der Kurfürst ermannte sich nicht dazu, ihr deswegen Vorhalte zu machen, ja er ließ sich selbst, vorzüglich auf Reisen, mancherlei Mutwillen und Exzeß entschlüpfen. Als er bei Gelegenheit eines Unionstages in Nürnberg war, nahm er mit der Kurfürstin an einer Geschlechterhochzeit teil, und da er beim Dunkelwerden gerade mit der Braut tanzte, sagte er ihr, sie wollten miteinander um die Kirche tanzen, das sei pfälzische Sitte, und führte sie wirklich tanzend um die Lorenzkirche herum, nicht ohne einige Eifersucht des Bräutigams und der Kurfürstin.

      In Nürnberg befand sich damals in einer angesehenen Familie ein weißer singender Fink, der als eine Rarität in der Stadt berühmt war, und da Elisabeth neugierig war, ihn zu sehen, und ihn zu besitzen wünschte, erhandelte ihn Friedrich. Sie wurde seiner bald überdrüssig, er hingegen brachte viele Stunden damit zu, ihn zu necken oder ihn pfeifen zu lassen, trug ihn auf der Hand oder Schulter mit sich herum und war untröstlich, als er starb. Sein Zimmer sei ihm ohne den Vogel verödet, sagte er, es sei ihm recht, wenn es nach Prag ginge, damit er eine andere Welt sähe.

      Seine Mutter tadelte ihn, er könne wohl einen anderen Vogel bekommen, nicht aber ein anderes Fürstentum, wenn er das seine verließe.

      Er bekomme ja im Gegenteil ein neues, meinte Friedrich, und als verlautete, der Herzog von Savoyen gehe ernstlich damit um, die böhmische Wahl anzunehmen, kam es ihm vor, als habe er sich etwas Kostbares aus der Hand gehen lassen. Der Herzog von Savoyen hatte ein ansehnliches Projekt über die österreichischen Erblande, die nach erfolgter Abschaffung der Habsburger verteilt werden sollten, und zwar so, daß das Elsaß und die österreichischen Vorlande, nämlich der Breisgau, an Pfalz kämen; aber während die pfälzischen Räte diesen Zuwachs viel wünschenswerter fanden als das entlegene Böhmen, verdroß Friedrich das Anerbieten, das doch nur eine Lockspeise sei, um ihn von dem weit wichtigeren Böhmen abzulenken. Er wollte, daß die Böhmen vor dem unzuverlässigen, falschen und aufschneiderischen Savoyer gewarnt und ihnen hingegen die Vorzüge der pfälzischen Wahl eindringlich vorgestellt würden.

      Er und Elisabeth ließen sich oft von Anhalt die Herrlichkeiten Prags schildern, namentlich was er von der berühmten Kunstkammer Kaiser Rudolfs, seinen Kleinodien und Juwelen gehört und gesehen hatte. Dazu drängen, sagten sie beide, wollten sie sich nicht; aber wenn die Wahl Friedrich träfe, wollten sie es als einen Fingerzeig Gottes ansehen und ihm folgen.

      Die verwandten und verbündeten Fürsten, bei denen unter der Hand angefragt wurde, rieten ab und warnten, sogar Moritz von Hessen, welcher als einziger für die Annahme der böhmischen Krone stimmte, sprach sich nachdrücklich dahin aus, es könne nur geschehen, bevor Ferdinand von Österreich Kaiser sei, Friedrich müsse also zunächst dazutun, daß die Kaiserwahl verschoben werde oder, falls dies nicht möglich sei, daß Ferdinand nicht gewählt werde. Der Augenblick, sich der Habsburger zu entledigen, sei jetzt da, nie würde er vielleicht wiederkehren, die ihn jetzt nicht benützten, würden die Folgen zu tragen haben.

      Unterdessen tat auch Ferdinand das Seinige, um zum Ziele zu kommen. Sowie Matthias im März, mitten aus den vergeblichen Versöhnungsversuchen mit den Böhmen heraus, gestorben war, schickte er einen seiner vertrautesten Diener, den Liechtenstein, nach Bayern und an die geistlichen Höfe, um für ihn zu werben. Der Gesandte führte eine Schrift mit, in der Ferdinands besondere Tauglichkeit zu einem römischen König und deutschen Kaiser auseinandergesetzt war, wie er nämlich vor allen anderen Fürsten mit den Tugenden der Sanftmütigkeit, Aufrichtigkeit, Holdseligkeit, Ehrbarkeit, Arbeitsamkeit, Erfahrenheit in Sprachen, Dexterität in Ratschlägen, Fazilität in Audienzen und vielen anderen ausgestattet sei. Dazu kamen mündliche Versprechungen, welche namentlich auf den Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, und seinen Familienanhang großen Eindruck machten, so daß dieser Fürst mit allem Nachdruck für die habsburgische Wahl eintrat. Viel schwieriger war es für Ferdinand, den Vetter von Bayern auf seine Seite zu bringen, der sogar, wenn er wollte, als ein Nebenbuhler und Mitbewerber auftreten konnte; denn diesem konnte er nicht, wie dem Metternich, ein halbes Hunderttausend Gulden oder ein Gütlein anbieten, sondern mußte um vieles tiefer in die Tasche greifen, die noch dazu leer war. Mit einem guten Einfall trug sich Ferdinand schon seit längerer Zeit: daß er nämlich das schöne, einträgliche Land Oberösterreich an Maximilian, der schon ein Auge darauf geworfen hatte, verpfänden könne, indem er sich damit zugleich, da es wegen der Religion in vollem Aufruhr war, einer Sorge und Arbeit entledigte. Wenn er dann später mit Maximilians Hilfe Kaiser geworden wäre und Böhmen wieder unterworfen hätte, würde es ihm nicht an Mitteln fehlen, das Pfand wieder einzulösen, indem die Konfiskationen der Rebellengüter seine Kasse reichlich füllen würden. Dies Projekt mußte allerdings in großer Heimlichkeit betrieben werden, denn die oberösterreichischen Stände, die nichts von der bayrischen Herrschaft wissen wollten, hätten es gegen ihn ausnützen können, wenn sie vor der Zeit davon erführen. Auf einen eigenhändigen Brief Ferdinands, in dem er Maximilian an ihre alte Freundschaft mahnte und ihn aufforderte, den Bund der Jugend neuerdings zu gegenseitigem Flor und Prosperieren zu bekräftigen, antwortete dieser, er wolle zunächst Oberösterreich als Pfand annehmen, sei auch bereit, Ferdinand in der böhmischen Sache zu helfen, wenn er sich dadurch auch Feinde im Reich machte, es müßten aber zuvor noch einige Punkte festgesetzt werden, über die er sich schriftlich nicht auslassen könne. Was die Kaiserwahl anbelange, so wolle er, Maximilian, sich ihm darin nicht in den Weg stellen.

      Den in Heilbronn tagenden Abgeordneten der Union redete Pfalz zu, daß die Kaiserwahl, wenn denn schon die Habsburger in diesem Turnier wieder siegen sollten, wenigstens verschoben werden sollte, damit das Vikariat länger dauerte und der böhmische Streit vorher zur Entscheidung käme. Indessen namentlich die Städte äußerten sich dahin, daß sie eine längere Vakanz nicht gern sähen und daß, wenn denn an einen evangelischen Freier für die Krone nicht zu denken wäre, das Haus Habsburg sich immerhin durch die lange Gewohnheit empföhle. Auch eine Unterstützung von Kurpfalz in der böhmischen Sache lehnten die Städte ab, weil sie sich in die Fürstenhändel nicht mischen wollten, bei denen sie doch nur um das Ihrige kämen. Bei diesem üblen Stande der Dinge wurde durch den Herzog von Zweibrücken, dessen Bruder im Dienste des schwedischen Königs stand, auf diesen als auf einen heroischen jungen Fürsten hingewiesen, der, wenn er in den Bund einträte, wohl in der Lage wäre, die evangelische Sache tüchtig zu sekundieren. Derselbe habe im Kampfe mit den Moskowitern und Polen ausnehmenden Kriegsverstand und Tapferkeit gezeigt, dabei auch jene Mäßigung an den Tag gelegt, die die Größe des wahren Staatsmannes ausmache.

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