Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch страница 61
So hoch hatte sich Ferdinand den Preis, den Maximilian fordern würde, doch nicht vorgestellt und hielt seinen Schrecken nicht zurück; nicht nur sämtliche evangelische Reichsfürsten würden sich dawidersetzen, meinte er, sondern auch alle Kurfürsten und vielleicht sogar der Papst und Spanien, denn ein solcher Besitzwechsel würde gemeinhin von niemandem gerne gesehen.
Dagegen sagte Maximilian, wenn der Kaiser es darauf ankommen lassen wollte, Böhmen zu verlieren, so sei das seine Sache, er könne seinem Lande die Lasten eines Feldzuges nicht aufbürden, wenn er nicht einer reichlichen Entschädigung sicher sei. Wollten die Reichsfürsten sich seines Vetters von der Pfalz wirklich annehmen, so sei ja er da, um sie zur Räson zu bringen, er befürchte es aber nicht, Worte wären heutzutage billig wie Sand, Taten aber selten und kostbar wie harte Edelsteine.
Von einer Jagd zurückkehrend, saßen die beiden Vettern in einer Nische des Schlosses zu Grünwald über der Isar, die ihre milchigen Wellen stürmisch zwischen den die steilen Ufer lockig krönenden, sanft hineinrauschenden Eichenwäldern hinführte. Ferdinand lobte die ausgedehnten Forste, die reiche Jagdgelegenheit und, zu einem gegenüberliegenden Fenster tretend, die weißen Gehöfte eines Kirchdorfs, die wie Inseln aus einem Meer golden wogender Äcker ragten; das Himmelsgewölbe stand rund wie eine tönende, kristallene Glocke über dem ebenen Hochland. »Der Boden ist steinig,« sagte Maximilian, »Obst und Wein trägt er nicht, aber Brot genug in Friedenszeiten.« Das könnte ihn die Pfalz leicht kosten, bemerkte Ferdinand, ohne Krieg würde es dabei nicht abgehen. »Der Krieg soll viele Länder der anderen fressen, ehe er an meines kommt«, sagte Maximilian stolz; »daraufhin wag ich es.« Recht habe er, sagte Ferdinand lachend, während sie sich zu einem Trunk Bier wieder in die Nische setzten; den Allzubedenklichen gerate nichts. Es möge immerhin ringsum ein wenig krachen, in diesen Fluren würden Rebhühner und Hasen nicht ausgehen noch ihnen die Lust, sie zu jagen. Sie hätten ein gutes Gewissen und wollten sich den frohen Tag nicht durch Sorgen um die Zukunft vergällen.
Nachdem die beiden Fürsten in der Hauptsache einig geworden waren, setzten die Räte einen Vertrag auf, in welchem der Handel mit Oberösterreich, der Pfalz und der Kurwürde einzeln festgesetzt wurde, nicht ohne gegenseitige Verpflichtung, die äußerste Heimlichkeit darüber zu bewahren.
*
Als der Kurfürst von der Pfalz zum König von Böhmen erwählt war und trotz des Abratens seiner Mutter, seiner Räte und der Verwandtschaft die Krone angenommen hatte, trat er mit seiner Gemahlin die Reise nach Prag an und wurde an der böhmischen Grenze von dem kalvinischen Grafen Wenzel von Budowa und einigen anderen Herren empfangen, die ihm von da bis zur Hauptstadt das Geleite gaben. Eines Tages kam die vergoldete Kutsche, in der Elisabeth mit ihrem Söhnlein und einer Kammerfrau saß, aus einem Walde auf eine weite Lichtung, die im festlichen Sonnenfeuer der ersten Oktobertage brannte. Die Kurfürstin, die es in dem feuchten Walde ein wenig gefröstelt hatte, lehnte sich fröhlich aus dem Wagenfenster und rief aus, daß sie an dieser einladenden Wiesentafel eine Mahlzeit einnehmen möchte, worauf Budowa, der neben dem Wagen herritt, sie einlud, sein Gast sein zu wollen, in einer Stunde werde ein ländliches Mahl gerüstet sein. Auf seinen Befehl hielten die Wagen, die seine Küche führten, und bald drehte sich fettes Geflügel am Spieße über knisterndem Reisigfeuer, während anderswo blitzendes Silberzeug auf schwerem Damast gedeckt wurde und die kurfürstliche Familie mit ihrem Gefolge sich auf mitgebrachten Teppichen lagerte. Budowa wies dem fürstlichen Paare einen spitzen Kirchturm, der ein paar Meilen entfernt aus einer Mulde aufragte, erzählte, daß der Krieg dort gehaust habe, daß das Dorf ausgebrannt und zur Zeit noch verödet sei, und zeigte die vertretenen Felder, aus denen geschwärzte Strünke von Rüben und wüste Halme starrten. Zwischen diesem Gestrüpp bemerkte man plötzlich ein paar kriechende Geschöpfe, die in der Erde wühlten und in denen bei schärferem Hinsehen menschliche Wesen zu erkennen waren; gerade in diesem Augenblick wollte der Mann eine Wurzel oder einen Knollen zum Munde führen, als das Kind danach griff, worauf er es auf die Hand schlug und es kreischend zurückwich. Elisabeth fragte erstaunt, was für Wilde das wären, sie hätte sie zuerst für Hunde oder Schweine gehalten. Budowa sagte, es würden Bauern sein, die der Krieg von Haus und Hof vertrieben hätte, dergleichen Gesindel triebe sich jetzt viel umher, und er rief ihnen in böhmischer Sprache zu, näherzukommen. Die Leute erschraken und wollten davonlaufen, wurden aber von Budowas Dienern eingefangen und herbeigeschleppt. Auf Budowas Befehl erzählte der Mann zitternd, ihre Hütten wären von Soldaten geplündert und verbrannt, sie wären in die Wälder geflohen und nun schon meilenweit von zu Hause entfernt. In der Nähe befänden sich Zigeuner, denen zögen sie nach, weil sie ihnen erlaubten, nachts an ihrem Feuer zu liegen, und ihnen auch hie und da etwas zu essen gäben; doch müßten sie auch für sie betteln oder ihnen sonst etwas mitbringen. Friedrich und Elisabeth ließen den Leuten Geld reichen, und Budowa schrie ihnen zu, sie sollten niederknien und ihrem König und ihrer Königin danken.
Graf Solms, der mißtrauischen und düsteren Blicks dabeigestanden hatte, sagte: »Gott verhüte, daß unsere Pfälzer Bauern einmal so den Pflug verließen, um Zigeunern nachzustreunen«, und wendete sich dann gegen Budowa mit der Frage, warum man den Leuten nicht Vieh und Werkzeug gebe, daß sie das Feld wieder bestellen könnten. Er wisse nicht, wem diese gehörten, antwortete Budowa; es gebe Herren, die sich nicht um ihre Untertanen kümmerten, außer daß sie ihnen das Blut auspreßten, und die Bauern wären auch so geartet, daß sie verwilderten wie das Vieh, wenn man sie nicht streng in Zucht und Ordnung hielte.
Das werde sich nun alles bessern, sagte Elisabeth; sie möchte aber gar zu gern eine Zigeunerin sehen und sich die Zukunft von ihr auslegen lassen. Sie hätte viel Wunderliches davon gehört und wolle wissen, was daran sei. Ein paar jüngere Hoffräuleins kicherten und unterstützten mit geflüsterten Bitten den Wunsch der Kurfürstin; eine ältere Frau dagegen sagte, man solle Gott nicht versuchen, solcher Vorwitz könne verhängnisvoll werden, wie ihre Mutter selbst erfahren habe. Diese sei in ihrer Jugend am Hofe des Herzogs von Brieg gewesen, der etwas rasch und dem Trunke ergeben, sonst aber ein guter Herr gewesen sei, und sie habe einmal an einer Jagd teilgenommen, als man im Gehölz ein altes Weib angetroffen habe, das im allgemeinen Geschrei gestanden habe, als könne es das Zukünftige weissagen. Der Herzog habe sie angehalten und ihr befohlen, ihm etwas zu prophezeien, und wie er denn grobe Späße geliebt habe, habe er hinzugesetzt, wenn sie ihm nichts Gutes sage, werde er die Hunde auf sie hetzen und ihr bei lebendigem Leibe den Kopf vom Rumpfe sägen lassen. Da habe ihn die Alte fest ins Auge gefaßt, mit einem weißen Stäblein sein Bein berührt – denn er habe zu Pferde gesessen – und langsam mit dünner, deutlicher Stimme gesagt: »Bruder, das nächste Glas Wein, das du leerst, wird dein letztes sein.« Der Herzog sei darauf aschenbleich geworden, als ob ihm ohnmächtig würde, so daß das Gefolge ihm beigesprungen wäre, und als man sich dann wieder nach der alten Hexe umgeblickt hätte, sei sie verschwunden gewesen. Von dem Tage an habe der Fürst mehrere Wochen still und eingezogen wie ein Einsiedler gelebt, so daß seine Gemahlin schon Hoffnung gefaßt hätte, er werde das Trinken ablegen; aber eines Morgens sei ein froher Mut über ihn gekommen, er habe sich festlich angekleidet und gerufen: »Möge kommen, was da wolle, es muß einmal wieder gesoffen sein!« habe Gesellschaft zu Tische bestellt und sich einen großen