Die Romantik. Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Romantik - Ricarda Huch страница 11
Es ist auffallend, wie das Fragment die für Friedrich geeignete Form zu sein scheint. Man kann sagen, die Fülle seiner Ideen sei zu schwer gewesen, oder seine Gestaltungskraft habe nicht ausgereicht, eine größere Masse zu formen. Denkfaul war er keineswegs; aber es war ihm bequem, sein bloßes Denken, roh, unverbunden, wieder zu geben, nebeneinander gestellte Steine, damit wer Lust habe, sich ein Haus daraus baue. Wegen dieses Hanges, sich fragmentarisch auszudrücken, liebte er den Vergleich mit Lessing; Lessing'sches Salz sollten seine Ideen sein gegen die geistige Fäulniß – Randglossen zum Texte des Zeitalters. Aber Lessing's Fragmente waren Splitter, die bei einer Riesenarbeit abfielen; Friedrich's Fragmente sind Schnitzeleien, auf die er sein höchstes Können verwendete. Das setzt freilich die Fragmente selbst nicht herab; als eigen gedachte Gedanken haben sie ihre Unsterblichkeit.
Von der umgebenden Welt ganz abgesondert und in sich selbst vollendet wie ein Igel sollten die Fragmente sein, sagte Friedrich und charakterisirte damit allerliebst seine berüchtigten Paradoxen. Man muß jedes als ein Reich für sich nehmen, voll Stacheln, aber inwendig schön ausgestattet, sauber und wohnlich. Wilhelm und Karoline gingen beim Frühstück die vielen Hunderte Friedrich'scher Ideen durch, die er ihnen zur Einsicht schickte, und hielten es für nöthig, wenn ihnen etwas gar zu paradox, stachelig oder schwerverdaulich schien, das Veto einzulegen, zu dem die beiden Gründer berechtigt waren. Er hat die Vetoscheu, sagten sie, als er bald darauf über Kranksein klagte. Bei aller Ehrlichkeit und Unerschrockenheit im Kampf hielt Wilhelm, als Professor in Jena, eine gewisse Vorsicht und Rücksicht doch für geboten; Karoline war ohnehin nie für das Extreme. Friedrich war empfindlich und entrüstet; wenn man eine Meinung habe, solle man sie unterdrücken, weil man nicht sicher sei, ob Goethe lächeln oder die Stirn runzeln werde? Indessen versprach er um des Gelingens Willen schließlich Alles: es sollte gewissenhaft vermieden werden, was »an Schiller grenzte«, nicht einmal über Agnes von Lilien, den Roman seiner Schwägerin, sollte ein Wort fallen. Dagegen mußte Karoline alle seine früheren Briefe durchlesen, um »sittliche Fragmente« zu suchen, woran es noch mangelte, ebenso ihre eigenen und die seines Bruders. Denn nichts lag Friedrich ferner, als etwa das Athenäum mit seinem Geist allein beherrschen zu wollen: es sollte eine große Symphonie verwandter Geister sein. Ob er selbst einsah, daß, wie Wilhelm und Karoline sagten, der Frédéric tout pur unverdaulich wäre, jedenfalls war er der erste, der auf esprit de Wilhelm, esprit de Karoline, esprit de Schleiermacher drang, damit jene Universalität entstehe, die er in jeder Erscheinung, auf jedem Gebiete suchte. Sein Freundschaftshunger hatte die Romantiker gesammelt; unermüdlich betonte er die Nothwendigkeit, daß die Gebildeten sich zusammenthun und eine unsichtbare Kirche bilden müßten, da der Einzelne nichts Großes ausrichten könne. Die Künstler, sagt er in den Fragmenten, sollen zusammentreten als Eidgenossen zum ewigen Bündniß; eine Hanse bilden wie die Kaufleute im Mittelalter. Ihm selber entwickelten sich die Gedanken vorzüglich im Gespräch und im Briefwechsel. Dessen war er sich bewußt; ohne die Freunde glaubte er nichts, mit ihnen Alles leisten zu können. Tieck, Novalis und Schleiermacher führte er seinem Bruder zu und warb sie zum Mitwirken am Athenäum an. Novalis sollte philosophische und chemische Beiträge geben, Karoline persönliche, Schleiermacher ethische, Wilhelm ästhetische. Und so ist denn das Athenäum wirklich ein Zusammenklang der verschiedensten Individuen geworden, die nur darin Eins waren, daß sie die Wahrheit suchten und an den Geist glaubten. Bald sehen uns die reinen, scharfen Augen Schleiermacher's daraus an, bald die zum Himmel schwärmenden des frommen Novalis. Von ihm sagte Friedrich, er dichte in Atomen. Seine Aussprüche schweben wie Leuchtkugeln auf in schönem Schwunge, eine sanfte Helligkeit über den dunkeln Himmel verbreitend und still ausathmend, ehe man sich ihrer deutlich bewußt geworden ist.
»Wir sind dem Aufwachen nahe, wenn wir träumen, daß wir träumen.«
»Der Tod ist eine Selbstbesiegung, die wie alle Selbstüberwindung, eine leichtere Existenz verschafft.«
Man ahnt einen unergründlichen Gehalt in den Worten und möchte ihn fassen; aber zugleich hauchen sie eine Musik aus, der man sich mit geschlossenen Augen hingeben möchte, ohne zu untersuchen.
Schärfer und bestimmter ist, was Schleiermacher giebt; fast Alles berührt das Psychologische, wie sein durchdringender Blick es zu Tage förderte. Man erfreut sich an der feinen Beobachtung, an der unbeugsamen Wahrheitsliebe, mit der er Folgerungen zieht und keinem Schlusse ausweicht; aber da ist keine zitternde Oberfläche, unter der unermeßliche Tiefe lockt, keine blaue Ferne, kein süßes Dunkel, das geheimnißvollen Urwald ankündigt. »Was oft Liebe genannt wird, ist nur eine eigene Art von Magnetismus. Es fängt an mit einem beschwerlich kitzelnden en rapport Setzen, besteht in einer Desorganisation und endigt mit einem ekelhaften Hellsehen und viel Ermattung. Gewöhnlich ist auch Einer dabei nüchtern.«
An ihrer zierlichen Geschliffenheit und der Weltlichkeit ihres Inhalts erkennt man Wilhelm's Zuthaten. Er bezieht sich niemals, wie die eigentlichen Romantiker zu thun pflegten, auf das Unendliche; sondern beschränkt sich auf ein bestimmtes Werk, irgend eine bestimmte Erscheinung, die er richtig und hübsch beleuchtet. Seine weltmännische Correktheit und Urbanität verhindert ihn, in Gesellschaft sich anders als allgemein verständlich und vermittelnd auszudrücken.
Friedrich's Geist ist im Athenäum der verbindende Goldgrund des farbigen Gemäldes. Jeden angedeuteten Gedanken verfolgt er bis in seine äußersten Folgen und sammelt alle zu Systemen oder wenigstens System-Projekten. Man erfährt hier die anregende Kraft, mit der er lebend so Viele an sich fesselte, und die vielleicht hauptsächlich darin besteht, daß sein gewaltiger Hang, sich über die Welt klar zu werden, uns wie ein langsam fließender, aber starker Strom ergreift und mitreißt; wie Schwärmereien sich epidemisch mitheilen, so entzündet seine philosophische Wuth seine Zuhörer zum Kreuzzuge nach dem heiligen Grabe des Welträthsels.
Ein majestätischer Idealismus ist die Weltanschauung, die das Athenäum proklamirt. An allem Aeußerlichen, das der Mehrzahl der Menschen wichtig dünkt und sie beschäftigt, wird mit großartiger Nachlässigkeit vorübergegangen, oder das innerliche Wesen wird daraus hervorgesucht und dadurch die Alltäglichkeit ihren Verehrern entfremdet und auf eine hohe Stufe gerückt. »Nicht in die politische Welt verschleudre du Glauben und Liebe, aber in die göttliche Welt der Wissenschaft und der Kunst opfere dein Innerstes in dem heiligen Feuerstrom einiger Bildung.«
Wissenschaft und Kunst werden von Friedrich einmal geradezu den Göttern und der Unsterblichkeit gleichgesetzt. Als der höchste Vorzug der Deutschen wird ihr Idealismus hingestellt. »Nicht Hermann und Wodan sind die Nationalgötter der Deutschen, sondern die Kunst und die Wissenschaft.« Was für ein hochschwellender vaterländischer Stolz liegt in diesem Bekenntniß; wie fern aber von eitler Ueberhebung; denn: »es giebt nur wenige Deutsche.« Aber der Charakter der großen deutschen Künstler aller Zeit sei rechtlich, treuherzig, gründlich, genau und tiefsinnig, dabei unschuldig und etwas ungeschickt; nur der Deutsche treibe die Kunst als eine Tugend und als Religion. Als die größten Vertreter deutscher Kunst und Wissenschaft zählt Friedrich auf: Kepler, Dürer, Luther, Jakob Böhme, Lessing, Winkelmann, Goethe und Fichte, alles Männer, die durch Geist und Charakter zugleich hervorragen. Auch wird absichtlich kein Unterschied gemacht zwischen Künstlern oder Denkern und großen Menschen; rauscht doch das Motto: Einheit und Ganzheit beständig dem marschirenden Heere voran wie eine Musik von Trompeten und Trommeln, ein heroisches Feldgeschrei.
»Universalität ist Wechselbethätigung aller Formen und Stoffe.« So wurde das Gemeinschaftliche in den verschiedenen Künsten gesucht, im Gegensatz zu Lessing, dessen sondernder Verstand ihre Grenzen feststellte. In der Dresdener Galerie hatten Wilhelm