Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 18
Es setzte einen erbitterten Kampf. Der junge Mensch begriff, daß er vor allem die Mutter unschädlich machen müsse. Schritt für Schritt, mit hartnäckiger Geduld verfolgte er einen Plan, dessen Einzelheiten er längst festgestellt hatte. Sein Vorgehen bestand darin, sich vor Adelaide als lebendiger Vorwurf aufzupflanzen. Er geriet nicht in Zorn, machte ihr keine Vorstellungen wegen ihres unordentlichen Lebenswandels; aber er hatte eine Art ersonnen, sie stumm anzuschauen, die der Ärmsten das Blut in den Adern erstarren machte. Wenn sie nach kurzem Verweilen bei Macquart wieder in ihrem Hause erschien, wagte sie nur zitternd zu ihm aufzublicken; sie fühlte seine Blicke kalt und scharf gleich stählernen Spitzen lang und unerbittlich auf sich haften. Die strenge und schweigsame Haltung Peters, dieses Kindes eines von ihr so schnell vergessenen Mannes, verwirrte seltsam ihr armes, krankes Hirn. Sie sagte sich, daß Rougon auferstanden sei, um sie für ihren unsittlichen Lebenswandel zu strafen. Sie bekam jetzt jede Woche einen jener Nervenanfälle, die sie niederwarfen. Man überließ sie ihren Krämpfen; wenn sie das Bewußtsein wiedererlangte, brachte sie ihre Kleider in Ordnung und schleppte sich schwächer als zuvor dahin. Oft brach sie nächtlicherweile in Schluchzen aus, drückte ihren Kopf in ihre Hände und nahm die Züchtigungen Peters als Strafen eines rächenden Gottes hin. Ein anderes Mal wieder verleugnete sie ihn; sie wollte das Blut ihres Herzens nicht wiedererkennen in diesem schwerfälligen Burschen, dessen Ruhe ihr fieberheißes Blut so schmerzlich erstarren machte. Tausendmal lieber wäre es ihr gewesen, Prügel zu bekommen, als in dieser Weise angeschaut zu werden. Diese unversöhnlichen Blicke, die sie überallhin verfolgten, marterten sie schließlich in einer so unerträglichen Weise, daß sie wiederholt den Entschluß faßte, mit ihrem Liebhaber zu brechen; allein sobald Macquart ankam, waren ihre Schwüre vergessen, und sie eilte zu ihm. Wenn sie dann heimkehrte, begann der stumme Kampf noch stummer, noch furchtbarer. Nach Verlauf einiger Monate war sie eine Beute ihres Sohnes. Sie benahm sich in seiner Gegenwart wie ein kleines Mädchen, das nicht sicher ist, ob es sich gut betragen habe, und die Zuchtrute verdient zu haben fürchtet. Als geschickter Bursche, der er war, hatte Peter sie an Händen und Füßen gefesselt, eine untertänige Magd aus ihr gemacht, ohne auch nur den Mund zu öffnen, ohne sich in schwierige und unangenehme Erklärungen einzulassen.
Als der junge Mensch seine Mutter in seiner Gewalt wußte; als er sah, daß er sie wie seine Sklavin behandeln könne, begann er die Schwächen ihres Gehirns und den wahnsinnigen Schrecken, den jeder seiner Blicke ihr einjagte, für seine Interessen auszubeuten. Sobald er Herr im Hause war, war es seine erste Sorge, den Gärtner zu entlassen und durch ein ihm ergebenes Geschöpf zu ersetzen. Er riß die Leitung des Hauses an sich, kaufte, verkaufte, führte die Kasse. Er bemühte sich übrigens nicht im mindesten, seine Mutter von ihrem regellosen Lebenswandel abzubringen oder Anton und Ursula von ihrer Trägheit zu heilen. Er kümmerte sich nicht viel darum, denn er hatte ja die Absicht, sich bei der ersten Gelegenheit all dieser Leute zu entledigen. Er begnügte sich, ihnen das Brot und das Wasser zuzumessen. Als er dann das ganze Vermögen in seinen Händen hatte, harrte er eines Ereignisses, das ihm gestattete, zu seinem Vorteil darüber zu verfügen.
Die Umstände sollten seine Pläne in ganz unerwarteter Weise fördern. Als ältester Sohn einer Witwe wurde er vom Militärdienst befreit; dagegen traf zwei Jahre später Anton das Los. Dieser nahm sich die Sache anfänglich nicht gar sehr zu Herzen, denn er dachte, seine Mutter werde einen Ersatzmann für ihn kaufen. Adelaide wollte ihn in der Tat vom Militärdienste retten, allein Peter, der den Säckel verwaltete, wollte hiervon nichts wissen. Der gezwungene Abgang seines Bruders war ein glückliches Ereignis, das seine Pläne vortrefflich förderte. Als seine Mutter ihm von dieser Sache sprach, schaute er sie in einer Weise an, daß sie ihre Rede nicht zu vollenden wagte. Sein Blick sagte: »Deinem Bastard zuliebe willst du mich zugrunde richten?« Sie überließ also Anton seinem Schicksale, weil sie vor allem Ruhe und Frieden haben wollte. Peter, der kein Freund gewaltsamer Mittel war und sich freute, seinen Bruder ohne Zank und Hader an die Luft setzen zu können, spielte jetzt den Trostlosen: das Jahr sei schlecht, es fehle an Geld im Hause, man müsse ein Stück Land verkaufen und dies sei der Anfang des Ruins. Dann gab er Anton sein Wort, ihn im nächsten Jahre loszukaufen, wenngleich er entschlossen war, nichts dergleichen zu tun. Anton ließ sich täuschen und rückte, halb und halb befriedigt, zum Militärdienst ein.
Noch leichter und unverhoffter entledigte er sich seiner Schwester Ursula. Ein Hutmachergehilfe der Vorstadt namens Mouret verliebte sich in das junge Mädchen, das so weiß und schmächtig war wie ein Fräulein aus dem Sankt-Markus-Viertel, und nahm sie zur Frau. Es war dies von seiner Seite eine Liebesheirat, ein unberechneter, leichtfertiger Schritt. Ursula willigte ein, um aus einem Hause fliehen zu können, wo ihr älterer Bruder ihr das Leben unerträglich machte. Ihre Mutter war völlig in ihrer zügellosen Genußsucht aufgegangen und wandte ihre letzte Widerstandkraft daran, sich selbst zu verteidigen. Alles andere war ihr völlig gleichgültig geworden. Sie war froh über Ursulas Scheiden, weil sie hoffte, daß Peter, der nunmehr keinen Gegenstand der Unzufriedenheit und Verfolgung hatte, sie in Frieden, nach ihrem Willen leben lassen werde. Kaum waren die jungen Leute verheiratet, so sah Mouret ein, daß er Plassans verlassen müsse, wenn er nicht Tag für Tag verdrießliche Dinge über seine Frau und seine Schwiegermutter hören wolle. Er zog mit Ursula nach Marseille, wo er sein Handwerk ausübte. Im übrigen hatte er keinen Pfennig Mitgift gefordert. Als Peter, betroffen von eo großer Uneigennützigkeit, einige Erklärungen stammeln wollte, schloß ihm Mouret den Mund: er ziehe es vor, seine Frau durch seiner Hände Arbeit zu ernähren. Der würdige Sohn des Bauern Rougon war darob ganz verblüfft; er witterte hinter diesem Benehmen irgendeine Falle.
Er hatte nunmehr noch mit Adelaide fertig zu werden. Um keinen Preis der Welt wollte Peter noch länger mit ihr zusammenwohnen. Sie gereichte ihm zur Schande. Am liebsten würde er mit ihr den Anfang gemacht haben. Allein er sah sich zwischen zwei sehr unangenehmen Möglichkeiten. Sie im Hause behalten, sich weiter mit ihrer Schande beladen, sich eine schwere Kugel an die Beine schmieden lassen, die ihn in dem kühnen Flug seines Ehrgeizes hindern werde: das war die eine Möglichkeit. Sie aus dem Hause jagen und mit Fingern auf sich als schlechten Sohn zeigen lassen, was alle seine Berechnungen eines scheinbaren Biedermannes über den Haufen geworfen hätte: das war die andere Möglichkeit. Da er fühlte, daß er alle brauchen werde, wollte er seinen Namen bei ganz Plassans in Gunst setzen. Es gab also nur das eine Mittel: Adelaide zu bewegen, daß sie freiwillig gehe. Peter verabsäumte nichts, um dieses Ziel zu erreichen. Er war der Überzeugung, daß alle seine Roheiten durch das regellose Leben seiner Mutter entschuldigt seien. Er strafte sie, wie man ein Kind straft. Die Rollen waren vertauscht. Das arme Weib beugte sich unter diese stets erhobene Peitsche. Sie war kaum zweiundvierzig Jahre alt und hatte das scheue Stammeln, die verstörten, unterwürfigen Mienen einer kindisch gewordenen Greisin. Ihr Sohn fuhr fort, sie mit seinen strengen Blicken zu martern, in der Hoffnung, daß sie fliehen werde, wenn eines Tages ihr Mut zu Ende war. Die Unglückliche litt furchtbar durch die Schande, durch ihre unterdrückten Begierden, durch die Demütigungen, die sie über sich ergehen ließ; unempfindlich