Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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Wenn man in Paris sich schlägt, dann schläft man in Plassans. Allein mag die Oberfläche auch ruhig und gleichgültig erscheinen, es gibt doch im Grunde eine verborgene Arbeit, die sehr interessant zu beobachten ist. Wohl sind die Flintenschüsse nur selten in den Straßen, dagegen werden die Salons der Neustadt und des Sankt-Markus-Viertels von unaufhörlichen Ränken verzehrt. Bis zum Jahre 1830 zählte das Volk für nichts. Heute noch handelt man dort so, als ob es nicht da wäre. Alles wird zwischen der Geistlichkeit, dem Adel und der Bürgerschaft abgemacht. Die sehr zahlreichen Priester geben in der Politik der Stadt den Ton an. Es gibt da unterirdische Minen, Schläge im Dunkeln, eine scharfsinnige und vorsichtige Taktik, die kaum alle zehn Jahre einen Schritt vor oder zurück gestattet. Diese geheimen Kämpfe von Männern, die vor allem den Lärm vermeiden wollen, erheischen eine ganz besondere Schlauheit, eine Geschicklichkeit in der Handhabung der kleinen Dinge, eine Geduld von Leuten, die jeder Leidenschaft bar sind. Die provinziale Bedächtigkeit und Langsamkeit, über die man sich in Paris so gerne lustig macht, ist in Wirklichkeit voll Verräterei, geheimer Feindseligkeiten, stiller Siege und Niederlagen. Wenn diese wackeren Männer ihr Interesse auf dem Spiele wissen, töten sie fein säuberlich in den Zimmern mit Nasenstübern, wie wir in den Straßen der Hauptstadt mit Kanonenschüssen töten.

      Die politische Geschichte von Plassans bietet gleich der aller kleinen Städte der Provence eine interessante Eigentümlichkeit. Bis zum Jahre 1830 blieben die Einwohner fromme Katholiken und eifrige Königstreue; das Volk schwur bei Gott und seinem rechtmäßigen König. Hernach fand eine seltsame Wandlung statt; der Glaube schwand, die Arbeiter und Bürger ließen die Sache der Rechtmäßigkeit im Stich und folgten allmählich der großen demokratischen Bewegung unserer Zeit. Als die Revolution im Jahre 1848 ausbrach, wirkten nur die Geistlichkeit und der Adel für den Sieg der Sache Heinrichs V. Lange Zeit hatten sie die Herrschaft der Orléans als einen lächerlichen Versuch betrachtet, der früher oder später zur Wiederkehr der Bourbonen führen mußte. Obgleich ihre Hoffnungen arg erschüttert waren, nahmen sie dennoch den Kampf auf, entrüstet über die Niedertracht ihrer ehemaligen Getreuen und bemüht, sie wieder für sich zu gewinnen. Das Sankt-Markus-Viertel machte sich, unterstützt von allen Pfarren, ans Werk. Nach den Ereignissen in den Februartagen war die Freude der Bürgerschaft und besonders des Volkes groß. Diese Lehrlinge der Republik hatten es eilig, ihr revolutionäres Fieber auf den Markt zu tragen. Allein für die Rentiers der Neustadt hatte diese Begeisterung nur den Glanz und die Dauer eines Strohfeuers. Die kleinen Grundbesitzer, die Kaufleute im Ruhestande, alle jene, die unter der Monarchie gefaulenzt oder ein Vermögen erworben hatten, wurden alsbald von einem panischen Schrecken ergriffen; die Republik mit ihren Erschütterungen ließ sie für ihre Kasse und für ihr liebgewordenes selbstsüchtiges Dasein zittern. Als daher im Jahre 1849 die klerikale Reaktion kam, ging fast die gesamte Bürgerschaft von Plassans zur konservativen Partei über. Sie wurde hier mit offenen Armen aufgenommen. Noch niemals hatte die Neustadt so enge Beziehungen zum Sankt-Markus-Viertel. Manche Edelleute gingen so weit, einfachen Advokaten und ehemaligen Ölhändlern die Hand zu reichen. Diese unerwartete Vertraulichkeit entzückte die Neustadt, die von nun ab die republikanische Regierung wütend bekämpfte. Die Geistlichkeit mußte wahre Wunder an Geschicklichkeit und Geduld aufbieten, um auch ihrerseits eine ähnliche Annäherung herbeizuführen. Im Grunde befand sich der Adel von Plassans gleich einem Sterbenden in einem Zustande unüberwindlicher Starre; er behielt seinen Glauben, aber er war von dem Schlafe der Erde übermannt; er zog es vor, nichts zu tun und alles dem Himmel zu überlassen; gerne würde er durch sein bloßes Stillschweigen Verwahren gegen die Geschehnisse eingelegt haben, weil er vielleicht das unbestimmte Gefühl hatte, daß seine Götter tot seien und daß ihm nichts mehr übrig blieb, als sich zu jenen zu versammeln. Selbst in jener Zeit des Umsturzes, als die Katastrophe vom Jahre 1848 geeignet war, den Adel einen Augenblick an die Wiederkehr der Bourbonen glauben zu lassen, erwies er sich als gleichmütig, schläfrig; er sprach wohl davon, sich in das Getümmel zu stürzen, zog es aber vor, am warmen Kamin zu bleiben. Der Klerus bekämpfte ohne Unterlaß dieses Gefühl der Ohnmacht und Entsagung; die Geistlichkeit betrieb dieses Geschäft mit einer wahren Leidenschaft. Wenn ein Priester verzweifelt, so kämpft er nur um so erbitterter; die ganze Politik der Kirche besteht darin, gerade fortzugehen, allem zu trotzen und jahrhundertelang auf die Verwirklichung ihrer Entwürfe zu warten, wenn es notwendig ist; keine Stunde zu verlieren, in unausgesetzter Arbeit immer vorwärts zu streben. In Plassans war es also die Geistlichkeit, die die Reaktion anführte, der Adel lieh nur den Namen dazu her; die Geistlichkeit barg sich hinter dem Adel und leitete diesen; ja, sie vermochte ihm sogar ein gewisses Scheinleben einzuflößen. Als es ihr gelungen war, das Widerstreben des Adels in dem Maße zu besiegen, daß sie ihn bewog, gemeinsame Sache mit der Bürgerschaft zu machen, glaubte sie des Sieges sicher zu sein.

      Der Boden war wunderbar vorbereitet; diese alte königstreue Stadt, diese Bevölkerung von friedfertigen Bürgern und feigen Handelsleuten mußte kraft des Verhängnisses früher oder später zur Partei der Ordnung übergehen. Mit seiner geschickten Taktik beschleunigte der Klerus diese Bekehrung. Nachdem er die Haus- und Grundbesitzer der Neustadt gewonnen hatte, gelang es ihm, die Krämer des alten Stadtviertels zu überzeugen. Von da ab war die Reaktion Herrin der Stadt. In dieser Reaktion waren alle Meinungen vertreten. Noch nie hatte man ein solches Gemenge von unzufriedenen Liberalen, von Legitimisten, Orleanisten, Bonapartisten und Klerikalen gesehen. Aber das hatte einstweilen nichts zu bedeuten; es handelte sich vor allem darum, die Republik tot zu machen, und die Republik lag im Sterben. Ein Bruchteil des Volkes, etwa tausend Arbeiter von zehntausend Seelen der Stadt, grüßten noch den Freiheitsbaum, der in der Mitte des Präfekturplatzes errichtet war.

      Die feinsten Politiker von Plassans, jene, die die reaktionäre Bewegung leiteten, witterten nur sehr spät das Auftauchen des Kaiserreiches. Die Volkstümlichkeit des Prinzen Louis Napoleon schien ihnen ein vorübergehender Taumel der Menge, mit dem man leicht fertig werden könne. Die Person des Prinzen selbst flößte ihnen nur eine mäßige Bewunderung ein. Sie hielten ihn für einen unbedeutenden hohlen Träumer, der unfähig sei, die Hand auf Frankreich zu legen und im besonderen unfähig, sich in der Macht zu erhalten. Für sie war er nur ein Werkzeug, dessen sie sich zu bedienen gedachten, ein Werkzeug, der Säuberung, das sie von sich werfen würden, sobald die Stunde schlagen würde, da der wahre Prätendent auftreten sollte. Indessen verflossen die Monate, und sie wurden allmählich unruhig. Da erst tauchte die unbestimmte Erkenntnis in ihnen auf, daß sie betrogen wurden. Allein man ließ ihnen nicht die Zeit, irgendeinen Entschluß zu fassen; der Staatsstreich brach über ihren Köpfen los und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als »ja« zu sagen; die große Metze, die Republik, war eben erwürgt worden. Das war immerhin ein Sieg. Die Geistlichkeit und der Adel nahmen die Tatsache mit Ergebung hin und verschoben die Verwirklichung ihrer Hoffnungen auf später; einstweilen rächten sie sich für ihre Enttäuschung, indem sie sich mit den Bonapartisten verbanden, um die letzten Republikaner auszurotten.

      Diese Ereignisse begründeten das Glück der Rougon. In die verschiedenen Phasen dieser Krise mit verwickelt, wuchsen sie auf den Trümmern der Freiheit in die Höhe.

      Diese Banditen auf dem Anstände bestahlen die Republik. Nachdem man sie erwürgt hatte, halfen sie dieselbe plündern.

      Sogleich nach den Februartagen begriff Felicité, die die feinste Witterung in der Familie hatte, daß sie endlich auf der richtigen Spur seien. Sie begann ihren Mann zu umschwärmen und ihn anzuspornen, daß er sich rühre. Die erste Nachricht von der Revolution hatte Peter erschreckt. Als sein Weib ihm begreiflich machte, daß sie bei einem Umsturz wenig zu verlieren und alles zu gewinnen hätten, schloß er sich sehr rasch ihrer Meinung an.

      Ich weiß nicht genau, was du tun könntest, wiederholte Felicité, aber mir scheint, daß es etwas zu tun gäbe. Hat uns Herr von Carnavant neulich nicht gesagt, daß er reich würde, wenn Heinrich V. jemals zurückkäme? und daß dieser König alle, die für seine Rückkehr gearbeitet, herrlich belohnen würde? Da müssen wir vielleicht unser Glück suchen. Es wäre endlich an der Zeit, daß wir eine glückliche Hand haben.

      Der Marquis von Carnavant, dieser Edelmann, der nach der Skandalchronik der Stadt zu Felicités Mutter in vertrauten Beziehungen gestanden, kam in der Tat von Zeit zu Zeit zu den Rougonschen Eheleuten

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