Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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glücklichste Person in der Versammlung war Felicité. Endlich hatte sie Gesellschaft in ihrem Salon. Wohl schämte sie sich ein wenig ihrer alten Möbel mit gelbem Samt, allein sie tröstete sich mit dem Gedanken an das reiche Mobiliar, das sie anschaffen würde, wenn die große Sache gesiegt habe.

      Die Rougon trieben es so weit, daß sie schließlich ihre Königstreue ernst nahmen. Wenn Herr Rougon nicht da war, wagte Felicité sogar zu behaupten, daß nur die Julimonarchie daran schuld sei, wenn sie in ihrem Ölhandel keinen Reichtum erworben hatten. In dieser Weise gab sie ihrer Armut einen politischen Anstrich. Sie hatte Schmeicheleien für jedermann, selbst für Granoux, indem sie jeden Abend eine neue höfliche Art erfand, ihn aus dem Schlafe aufzurütteln, wenn die Versammlung zu Ende war.

      Der Salon, dieser Sammelplatz von Konservativen, die allen Parteien angehörten und von Tag zu Tag zahlreicher wurden, gewann alsbald großen Einfluß. Vermöge der Verschiedenheit der Mitglieder und hauptsächlich dank dem geheimen Antriebe, den jeder einzelne unter ihnen von dem Klerus erhielt, wurde der Salon jener reaktionäre Brennpunkt, der über ganz Plassans sein Licht ausstrahlen ließ. Die Taktik des Marquis, der sich im Hintergründe hielt, war die, den Peter Rougon als Oberhaupt der Partei hinzustellen. Die Versammlungen fanden bei Rougon statt. Dies genügte in den wenig scharfsichtigen Augen der Mehrzahl, um diesen an die Spitze der Gruppe zu stellen und die öffentliche Meinung auf ihn zu lenken. Ihm wurde das ganze Werk zugeschrieben; man hielt ihn für die hauptsächliche Triebfeder in dieser Bewegung, die alle, die gestern sich noch für die Republik begeisterten, allmählich der konservativen Partei zuführte. Es gibt gewisse Umstände, aus denen nur die abgewirtschafteten Leute Nutzen ziehen. Sie suchen da ihr Glück aufzubauen, wo besser bestellte und einflußreiche Leute nichts wagen würden. Sicherlich hätte man Roudier, Granoux und die anderen, da sie reiche und angesehene Leute waren, dem Peter Rougon als tätige Oberhäupter der konservativen Partei tausendmal vorziehen müssen. Allein keiner von ihnen würde eingewilligt haben, seinen Salon zu einem politischen Mittelpunkte zu machen, weil ihre politischen Überzeugungen nicht so weit gingen, sich offen bloßzustellen. Alles in allem waren dies nur Schreier, provinzielle Klatschmäuler, die bereit waren, gegen die Republik zu wettern, wenn sich ein Nachbar fand, der für ihr Treiben die Verantwortlichkeit übernahm. Die Rolle war gar zu gewagt und darum fanden sich unter der Bürgerschaft von Plassans nur die Rougon für dieselbe; diese Leute, die ihr großer, unersättlicher Ehrgeiz und ihre Begierden zu den kühnsten Entschlüssen drängten.

      Im April des Jahres 1849 verließ Eugen plötzlich Paris und kam nach Plassans, um zwei Wochen bei seinem Vater zuzubringen. Man hat den Zweck dieser Reise niemals erfahren; doch darf man annehmen, daß Eugen gekommen war, um seiner Geburtsstadt den Puls zu fühlen und um zu erfahren, ob er da mit Erfolg als Abgeordnetenkandidat für die gesetzgebende Versammlung, die in Bälde an Stelle der Konstituante treten sollte, auftreten könnte. Er war zu schlau, um einen Mißerfolg zu riskieren. Ohne Zweifel schien ihm die öffentliche Meinung wenig günstig, denn er enthielt sich jeden Versuches. Man wußte übrigens in Plassans nicht, was aus ihm geworden war und was er in Paris treibe. Als er in seiner Heimatsstadt eintraf, fand man ihn weniger dick, weniger schläfrig. Man umschwärmte ihn, man suchte ihn zum Sprechen zu bringen. Doch er spielte den Unwissenden und ließ sich nicht ausholen, suchte vielmehr die anderen auszuholen. Schlauere Köpfe würden unter seinem scheinbaren Müßiggange sein lebhaftes Interesse, die politischen Meinungen der Stadt zu erkunden, herausgefunden haben. Er schien den Boden mehr für eine Partei, als für seine eigene Rechnung erforschen zu wollen.

      Obgleich er auf jede persönliche Hoffnung verzichtet hatte, blieb er bis zum Schlüsse des Monats in Plassans und nahm während dieser Zeit lebhaften Anteil an den Versammlungen im gelben Salon. Sobald der erste Gast erschien, setzte er sich in eine Fensternische, möglichst weit von der Lampe. Da blieb er den ganzen Abend, das Kinn auf die rechte Hand gestützt und hörte aufmerksam zu. Die größten Dummheiten, die da gesprochen wurden, ließen ihn unempfindlich. Er nickte zu allem zustimmend mit dem Kopfe, selbst zu dem erschrockenen Grunzen des Herrn Granoux. Wenn man ihn nach seiner Ansicht fragte, wiederholte er höflich die Meinung der Mehrheit. Nichts vermochte seine Geduld zu erschöpfen, weder der eitle Traum des Marquis, der von den Bourbonen so redete, wie nach den Vorgängen des Jahres 1815, noch die spießbürgerlichen Auslassungen Roudiers, der mit Rührung von den vielen Strümpfen redete, die er ehemals dem Bürgerkönig geliefert hatte. Er schien sich im Gegenteil inmitten dieses Babel sehr wohl zu befinden. Manchmal, wenn alle diese Tölpel aus Leibeskräften auf die Republik einhieben, sah man seine Augen lachen, während sein Mund die Falte des ernsten Mannes beibehielt. Seine ruhige Art zuzuhören, seine unwandelbare Gefälligkeit hatten ihm alle Teilnahme gewonnen. Man hielt ihn für einen unbedeutenden, gutmütigen Menschen. Wenn es einem oder dem andern der früheren Mandel- und Ölhändler nicht gelingen wollte, inmitten dieses Tumultes auseinanderzusetzen, in welcher Weise er Frankreich retten würde, wenn er der Herr wäre, dann flüchtete er zu Eugen und schrie diesem seine wunderbaren Pläne ins Ohr. Eugen nickte sanft mit dem Kopfe, gleichsam entzückt von den erhabenen Dingen, die er hörte. Vuillet betrachtete ihn argwöhnisch. Dieser Buchhändler, in dem zugleich ein Küster und ein Journalist staken, redete weniger als die anderen, aber er beobachtete mehr. Er hatte bemerkt, daß der Advokat zuweilen im Winkel des Salons mit dem Major Sicardot sprach. Er nahm sich vor, sie zu beobachten, aber er konnte kein Wort von ihrem Gespräch erhaschen. Eugen winkte dem Major zu schweigen, sobald er den Buchhändler sich nähern sah. Seit dieser Zeit sprach Sicardot von den Napoleons nur mit einem geheimnisvollen Lächeln.

      Zwei Tage vor seiner Rückkehr nach Paris traf Eugen auf der Promenade Sauvaire seinen Bruder Aristides, der ihn eine Strecke begleitete mit der Beharrlichkeit eines Menschen, der einen Rat sucht. Aristides befand sich in arger Verlegenheit. Als man die Republik ausgerufen hatte, trug er eine sehr lebhafte Begeisterung für die neue Regierung zur Schau. Sein durch zwei Jahre Pariser Studium geschärfter Verstand sah weiter als die schwerfälligen Köpfe von Plassans, er erkannte die Ohnmacht der Legitimisten und Orleanisten, ohne klar bezeichnen zu können, wer der dritte Bube sei, der die Republik in die Tasche stecken werde. Auf gut Glück hatte er sich zu den Siegern geschlagen. Er hatte alle Beziehungen mit seinem Vater abgebrochen, nannte ihn öffentlich einen alten Schwachkopf, den der Adel »herumgekriegt« hat.

      Und doch ist meine Mutter eine gescheite Frau, pflegte er hinzuzufügen. Niemals hätte ich geglaubt, daß sie imstande sei, ihren Mann in eine Partei zu drängen, deren Hoffnungen durchaus eitel sind. Sie werden sich vollends zugrunde richten. Die Frauen verstehen eben nichts von Politik.

      Er, Aristides, wolle sich so teuer wie möglich verkaufen. Seine ganze Sorge war jetzt darauf gerichtet, die richtige Witterung zu bekommen, sich stets auf die Seite derer zu stellen, die im Falle ihres Sieges ihn herrlich belohnen könnten. Unglücklicherweise tappte er im Finstern. Er fühlte, daß er in diesem Provinzorte, ohne Führung, ohne Wegweiser verloren sei. Einstweilen, bis der Lauf der Begebenheiten ihm eine bestimmte Bahn vorzeichnen würde, bewahrte er die Haltung eines begeisterten Republikaners, die er gleich am ersten Tage eingenommen hatte. Dank dieser Haltung verblieb er in der Unterpräfektur; man hatte ihm daselbst sogar seine Bezüge vermehrt. Von dem Verlangen angetrieben, eine Rolle zu spielen, bestimmte er einen Buchhändler, einen Konkurrenten Vuillets, ein demokratisches Blatt zu gründen, bei dem er, Aristides, einer der eifrigsten Redakteure wurde. Der »Independant« (Der Unabhängige) führte unter seiner Leitung einen erbarmungslosen Krieg gegen die Reaktionären. Allein die Strömung trieb ihn allmählich weiter, als er gehen wollte; er schrieb manchmal Brandartikel, bei deren Durchlesen ihn selbst eine Gänsehaut überlief. Vielbemerkt wurde in Plassans eine Reihe von Angriffen, die der Sohn gegen die Personen richtete, die der Vater allabendlich in dem berühmten gelben Salon empfing. Der Reichtum Roudiers und Granoux' ärgerte Aristides in dem Maße, daß er alle Vorsicht außer acht ließ. Durch seine gierige Eifersucht angetrieben, hatte er sich die Bürgerschaft zum unversöhnlichen Feinde gemacht, als die Ankunft Eugens und die Art und Weise, wie dieser sich in Plassans benahm, ihn stutzig machten. Er maß seinem Bruder eine große Geschicklichkeit bei. Es war seine Meinung, daß dieser dicke, schläfrige Bursche nur mit einem Auge schlafe wie die Katzen, wenn sie vor einem Mäuseloch auf dem Anstande sind. Und nun verbrachte dieser Eugen ganze Abende in dem gelben

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