Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Laß mich weinen und leiden; meine Thränen können ebensowenig versiegen, als mein Fehltritt wieder gut zu machen ist, und die Zeit selbst, die Alles heilt, bietet mir nur neue Ursache zu Thränen. Aber du, der keine Gewaltthätigkeit zu fürchten hat, den die Schande nicht drückt, den nichts zwingt, sein Gefühl elend zu verstecken; du, der du nichts fühlst als den Stachel des Unglücks, und wenigstens aller deiner Tugenden genießest wie zuvor, wie kannst du dich so tief erniedrigen, daß du seufzest und jammerst wie ein Weib und auffährst wie ein Rasender? Ist es nicht genug an der Verachtung, die ich um dich auf mich geladen habe, daß du sie noch vergrößerst, indem du dich selbst verächtlich machst, und daß du zugleich meine Schmach und deine auf mich häufst? Rufe denn deine Festigkeit zurück, wisse das Unglück zu ertragen und sei Mann! Sei noch, daß ich es zu sagen wage, der Geliebte, den Julie erwählt hat. Ach! wenn ich nicht mehr würdig bin, deinen Muth anzufeuern, so gedenke wenigstens dessen, was ich einstmals war; verdiene, daß ich um deinetwillen aufgehört habe so zu sein; entehre mich nicht zum zweiten Male.

      Nein, mein achtungswürdiger Freund, nicht dich erkenne ich in dem weibischen Briefe, den ich auf immer vergessen will und den ich schon als von dir selbst verleugnet ansehe. Ich hoffe, gedemüthigt wie ich bin, verwirrt wie ich bin, wage zu hoffen, daß mein Andenken nicht so unwürdige Gefühle erweckt, daß mein Bild noch mehr mit Ruhm in einem Herzen wohnt, das ich entflammen konnte, und daß ich mir nicht außer meiner Schwachheit auch noch die Erbärmlichkeit Dessen, der ihre Ursache war, vorzuwerfen habe.

      Glücklich in deinem Unglücke, findest du die köstlichste Entschädigung, die ein gefühlvolles Herz kennt. Der Himmel giebt dir in deinem Mißgeschick einen Freund, und macht es zweifeltest, ob nicht, was er dir giebt, mehr werth ist, als was er dir nimmt. Bewundere und liebe den allzu großmüthigen Mann, der sich mit Aufopferung seiner Ruhe deines Lebens und deiner Vernunft annimmt. Wie würde es dich bewegen, wenn du Alles wüßtest, was er für dich hat thun wollen! Aber warum soll ich, um deine Erkenntlichkeit anzuspornen, deine Schmerzen bitterer machen? Du brauchst nicht zu wissen, wieweit seine Liebe zu dir geht, um seinen ganzen Werth zu erkennen, und du kannst ihn nicht nach Verdienst schätzen, ohne ihn zu lieben, wie du es ihm schuldig bist.

      Achter Brief.

       Von Clara.

       Inhaltsverzeichnis

      Sie besitzen mehr Liebe als Delicatesse, und verstehen es besser, Opfer zu bringen, als sie bei Anderen zu würdigen. Wie können Sie an Julie bei dem Zustande, worin sie sich befindet, im Tone des Vorwurfs schreiben? Und müssen Sie, weil Sie leiden, es gegen sie auslassen, die noch weit mehr leidet? Ich habe es tausend Mal gesagt, mir ist in meinem Leben noch kein so schmollsüchtiger Liebhaber vorgekommen wie Sie; immer gleich fertig, über Alles zu zanken, ist für Sie die Liebe nur ein Kriegszustand, oder, wenn Sie einmal folgsam sind, so thun Sie es nur, um sich hinterher zu beklagen, daß Sie es thaten. O, wie sind dergleichen Liebhaber zu fürchten, und wie glücklich schätze ich mich, daß ich immer nur solche gemocht habe, die man verabschieden kann, wenn man will, ohne daß es Jemanden eine Thräne kostet!

      Glauben Sie mir, Sie müssen Ihre Sprache gegen Julie ändern, wenn Sie sie am Leben erhalten wollen; es ist zu viel für sie, ihren eigenen Schmerz und Ihre Unzufriedenheit zugleich zu ertragen. Lernen Sie einmal dieses zu empfindliche Herz schonen; Sie sind ihr den liebreichsten Zuspruch schuldig; hüten Sie sich, die beiderseitigen Leiden durch Klagen zu vermehren, oder schütten Sie wenigstens Ihre Klagen nur gegen mich aus, die ich allein die Urheberin Ihrer Entfernung bin. Ja, mein Freund, Sie haben recht gerathen; ich habe ihr den Entschluß eingegeben, den ihre bedrohte Ehre erheischte, oder vielmehr ich habe sie gezwungen, ihn zu ergreifen, indem ich die Gefahr übertrieb; ich habe auch Sie überredet, und Jeder hat seine Schuldigkeit gethan. Ich habe noch mehr gethan, ich habe sie davon abgebracht, die Vorschläge Milord Eduards anzunehmen; ich habe mich Ihrem Glücke in den Weg gestellt, aber Juliens Glück ist mir mehr werth als das Ihrige; ich wußte, daß sie niemals glücklich werden könnte, nachdem sie ihre Eltern in Schande und Verzweiflung gestürzt hätte, und ich kann mir auch in Ihrer Seele nicht recht vorstellen, wie Sie sich ein Glück auf Kosten des ihrigen möglich denken.

      Wie dem nun sei, das ist meine Handlungsweise, das, was ich Ihnen zu Leide that, und da es Ihnen Vergnügen macht, die Leute, welche Sie lieb haben, auszuschelten, so haben Sie nun Grund und Ursache, sich an mich allein zu halten; wenn Sie damit nicht Ihrer Undankbarkeit ein Ende machen, doch wenigstens Ihrer Ungerechtigkeit. Ich für mein Theil, mögen Sie sich stellen, wie Sie wollen, werde gegen Sie stets dieselbe bleiben; Sie werden mir so theuer sein, als Julie Sie lieben wird, und ich würde sagen, mehr, wenn das möglich wäre. Ich bereue es nicht, daß ich Ihre Liebe weder aufgemuntert noch bekämpft habe. Der reine Eifer der Freundschaft rechtfertigt mich gleichermaßen in dem, was ich für, und in dem, was ich wider Sie gethan habe; und wenn ich bisweilen einen vielleicht lebhafteren Antheil an Ihrer Liebe nahm, als es mir zu ziemen schien, so genügt das Zeugniß meines Herzens, um mich darüber ruhig zu fühlen; ich werde mich nie der Dienste schämen, die ich meiner Freundin habe leisten können, und ich habe nichts zu bedauern, als daß sie nichts gefruchtet haben.

      Ich habe nicht vergessen, was Sie mir früher über die Standhaftigkeit des Weisen im Mißgeschick lehrten, und ich könnte Ihnen, wie mich dünkt, einige Maximen sehr zur Zeit ins Gedächtniß rufen; aber Juliens Beispiel belehrt mich, daß ein Mädchen in meinem Alter für einen Philosophen in dem Ihrigen ein eben so schlechter Lehrer als eine gefährliche Schülerin ist; und es würde mir ja nicht wohl anstehen, meinem Lehrer Unterricht zu geben.

      Neunter Brief.

       Milord Eduard an Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Sieg ist unser, reizende Julie; ein Irrthum hat unseren Freund zur Vernunft gebracht. Die Scham, einen Freund einen Augenblick verkannt zu haben, hat seine Wuth verscheucht und ihn so lenksam gemacht, daß wir nun mit ihm Alles werden machen können, was wir wollen. Ich sehe mit Vergnügen, daß die Schuld, welche er sich vorwirft, ihm mehr Bedauern als Kränkung hinterläßt, und daran, daß er in meiner Gegenwart demüthig und beschämt, nicht aber verlegen und gedrückt ist, erkenne ich, daß er mich liebt [Vergl, die Erfahrung, die Rousseau an sich selbst gemacht hat, „Bekenntnisse" Th. 3. S. 95.]. Er fühlt seine Ungerechtigkeit zu sehr, als daß ich sie ihm nachtragen könnte, und ein Unrecht, so erkannt, macht Dem mehr Ehre, der es wieder gut macht, als Dem, der es vergiebt.

      Ich habe diese Umwälzung und die Wirkung, welche sie hatte, benutzt, um mit ihm einige Abrede zu nehmen, die nothwendig war, bevor wir uns trennen; denn länger kann ich nun meine Abreise nicht aufschieben. Da ich nächsten Sommer zurückzukehren gedenke, so sind wir übereingekommen, daß er mich in Paris erwarten solle, und daß wir dann mit einander nach England gehen. London ist der einzig würdige Schauplatz für bedeutende Talente und wo sich ihnen die weiteste Laufbahn öffnet [Dieser Mann ist auf wunderliche Art für sein Vaterland eingenommen; denn ich habe nicht gehört, daß es ein Land auf der Welt giebt, wo im Allgemeinen Fremde weniger gut aufgenommen sind und größere Hindernisse finden, fortzukommen, als gerade England. Die Sinnesart der Nation ist ihnen in keiner Hinsicht günstig, die Regierungsform ist von der Art, daß sie zu nichts gelangen können. Man muß freilich auch sagen, daß der Engländer auswärts auf eine Gastlichkeit keinen Anspruch macht, die er daheim dem Fremden nicht gewährt: an welchem Hofe außer dem zu London sieht man diese stolzen Insulaner elend kriechen? in welchem Lande außer ihrem eigenen gehen sie darauf aus, sich zu bereichern? Sie sind hart, ja! aber diese Härte mißfällt mir nicht, wenn sie mit Gerechtigkeit Hand in Hand geht. Ich finde es ganz gut, daß sie blos Engländer sind, da sie kein Bedürfniß haben, Menschen zu sein.]. Die seinigen sind in vieler Hinsicht überlegen, und ich verzweifle nicht daran, ihn in kurzer Zeit mit Hülfe

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