Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Das Männchen allgemein mehr modificiert als das Weibchen. – Wenn die beiden Geschlechter von einander in der äußeren Erscheinung abweichen, so ist es durch das ganze Thierreich hindurch das Männchen, welches, mit seltenen Ausnahmen, hauptsächlich modificiert worden ist; denn allgemein bleibt das Weibchen den Jungen seiner eigenen Species und ebenso auch anderen erwachsenen Gliedern derselben Gruppe ähnlicher. Die Ursache hiervon scheint darin zu liegen, daß die Männchen beinahe aller Thiere stärkere Leidenschaften haben als die Weibchen. Daher sind es die Männchen, welche mit einander kämpfen und eifrig ihre Reize vor den Weibchen entfalten; und diejenigen, welche siegreich aus solchen Wettstreiten hervorgehen, überliefern ihre Superiorität ihren männlichen Nachkommen. Warum die Männchen ihre Merkmale nicht auf beide Geschlechter vererben, wird hernach betrachtet werden. Daß die Männchen aller Säugethiere begierig die Weibchen verfolgen, ist allgemein bekannt. Dasselbe gilt für die Vögel. Aber viele männliche Vögel verfolgen nicht sowohl die Weibchen, als entfalten auch ihr Gefieder, führen fremdartige Gesten auf und lassen ihren Gesang erschallen in Gegenwart der Weibchen. Bei den wenigen Fischen, welche beobachtet worden sind, scheint das Männchen viel eifriger zu sein als das Weibchen; und dasselbe ist bei Alligatoren und, wie es scheint, auch bei Batrachiern der Fall. Durch die ungeheure Classe der Insecten hindurch herrscht, wie Kirby bemerkt,451 »das Gesetz, daß das Männchen das Weibchen aufzusuchen hat«. Wie ich von zwei bedeutenden Autoritäten, Mr. Blackwall und Mr. C. Spence Bate, höre, sind unter den Spinnen und Crustaceen die Männchen lebendiger und in ihrer Lebensweise herumschweifender als die Weibchen. Wenn bei Insecten und Crustaceen die Sinnes- oder Locomotionsorgane in dem einen Geschlechte vorhanden sind, in dem andern dagegen fehlen, oder wenn sie, wie es häufig der Fall ist, in dem einen Geschlechte höher entwickelt sind als in dem andern, so ist es beinahe unabänderlich, soweit ich es nachweisen kann, das Männchen, welches derartige Organe behalten oder dieselben am meisten entwickelt hat, und dies zeigt, daß das Männchen während der Bewerbung der beiden Geschlechter der thätigere Theil ist.452
Das Weibchen ist andererseits mit sehr seltenen Ausnahmen weniger begierig als das Männchen. Wie der berühmte Hunter453 schon vor langer Zeit bemerkte, verlangt es im Allgemeinen geworben zu werden; es ist spröde, und man kann oft sehen, daß es eine Zeit lang den Versuch macht, dem Männchen zu entrinnen. Jeder, der nur die Lebensweise von Thieren aufmerksam beobachtet hat, wird im Stande sein, sich Beispiele dieser Art in's Gedächtnis zurückzurufen. Nach verschiedenen später mitzutheilenden Thatsachen zu urtheilen und nach den Wirkungen, welche getrost der geschlechtlichen Zuchtwahl zugeschrieben werden können, übt das Weibchen, wenn auch vergleichsweise passiv, allgemein eine gewisse Wahl aus und nimmt ein Männchen im Vorzug vor andern an. Oder wie die Erscheinungen uns zuweilen zu glauben veranlassen dürften: es nimmt nicht dasjenige Männchen, welches ihm das anziehendste war, sondern dasjenige, welches ihm am wenigsten zuwider war. Das Ausüben einer gewissen Wahl von Seiten des Weibchens scheint ein fast so allgemeines Gesetz wie die Begierde des Männchens zu sein.
Wir werden natürlich veranlaßt, zu untersuchen, warum das Männchen in so vielen und soweit von einander verschiedenen Classen gieriger als das Weibchen geworden ist, so daß es das Weibchen aufsucht und den thätigeren Theil bei der ganzen Bewerbung darstellt. Es würde kein Vortheil und sogar etwas Verlust an Kraft sein, wenn beide Geschlechter gegenseitig einander suchen sollten. Warum soll aber fast immer das Männchen der suchende Theil sein? Bei Pflanzen müssen die Ei'chen nach der Befruchtung eine Zeit lang ernährt werden, daher wird der Pollen nothwendig zu den weiblichen Organen hingebracht, er wird auf die Narbe entweder durch die Thätigkeit der Insecten oder des Windes oder durch die eigenen Bewegungen der Staubfäden gebracht. Bei den Algen und anderen Pflanzen geschieht dies sogar durch die locomotive Fähigkeit der Antherozoiden. Bei niedrig organisierten Thieren, welche beständig an einem und demselben Orte befestigt sind und getrennte Geschlechter haben, wird das männliche Element unabänderlich zum Weibchen gebracht, und wir können hiervon auch die Ursache einsehen; denn wenn die Eier selbst sich vor ihrer Befruchtung lösten und keiner späteren Ernährung oder Beschützung bedürften, so könnten sie wegen ihrer relativ bedeutenderen Größe weniger leicht transportiert werden als das männliche Element. Daher sind viele der niederen Thiere in dieser Beziehung den Pflanzen analog.454 Da die Männchen fest angehefteter und im Wasser lebender Thiere dadurch veranlaßt wurden, ihr befruchtendes Element auszustoßen, so ist es natürlich, daß diejenigen ihrer Nachkommen, welche sich in der Stufenleiter erhoben und die Fähigkeit der Ortsbewegung erlangten, dieselbe Gewohnheit beibehielten; sie werden sich den Weibchen so sehr als möglich nähern, um der Gefahr zu entgehen, daß das befruchtende Element während eines langen Weges durch das Wasser verloren geht. Bei einigen wenigen der niederen Thiere sind die Weibchen allein festgeheftet und in diesen Fällen müssen die Männchen der suchende Theil sein. In Bezug auf Formen, deren Urerzeuger ursprünglich freilebend waren, ist es aber schwer zu verstehen, warum unabänderlich die Männchen die Gewohnheit erlangt haben, sich den Weibchen zu nähern, anstatt von ihnen aufgesucht zu werden. In allen Fällen würde es indessen, damit die Männchen erfolgreich Suchende werden, nothwendig sein, daß sie mit starken Leidenschaften begabt würden; die Erlangung solcher Leidenschaften würde eine natürliche Folge davon sein, daß die begierigeren Männchen eine größere Zahl von Nachkommen hinterließen, als die weniger begierigen.
Die größere Begierde des Männchens hat somit indirect zu der viel häufigeren Entwicklung secundärer Sexualcharaktere bei Männchen als beim Weibchen geführt. Aber die Entwicklung solcher Charaktere wird auch, wie ich nach einem langen Studium der domesticierten Thiere schließe, noch dadurch bedeutend unterstützt, daß das Männchen viel häufiger variiert als das Weibchen. Nathusius, welcher eine sehr große Erfahrung hat, ist entschieden derselben Meinung.455 Einige gute Belege zu Gunsten dieser Schlußfolgerung kann man durch eine Vergleichung der beiden Geschlechter des Menschen erlangen. Während der Novara-Expedition456 wurde eine ungeheure Zahl von Messungen der verschiedenen Körpertheile bei verschiedenen Rassen angestellt; und dabei wurde gefunden, daß die Männer in beinahe allen Fällen eine größere Breite der Variation darboten als die Weiber. Ich werde aber auf diesen Gegenstand in einem späteren Capitel zurückzukommen haben. Mr. J. Wood,457 welcher die Abänderungen der Muskeln beim Menschen sorgfältig verfolgt hat, druckt die Schlußfolgerung gesperrt, daß »die größte Zahl von Abnormitäten an einem einzelnen Leichnam bei den Männern gefunden wird«. Er hatte vorher bemerkt, daß »im Ganzen unter hundertundzwei Leichnamen die Varietäten mit überzähligen Bildungen ein halb Mal häufiger bei Männern vorkommen als bei Frauen, was sehr auffallend gegen die größere Häufigkeit von Varietäten mit Fehlen gewisser Theile bei Weibern contrastiert, was vorhin besprochen wurde«. Professor Macalister bemerkt gleichfalls,458 daß Variationen in den Muskeln »wahrscheinlich bei Männern häufiger sind als bei Weibern« Gewisse Muskeln, welche normal beim Menschen nicht vorhanden sind, finden sich auch häufiger beim männlichen Geschlechte entwickelt als beim weiblichen, obgleich man annimmt, daß Ausnahmen von dieser Regel vorkommen. Dr. Burt Wilder459