Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Anhang: Über die proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter durch das ganze Thierreich. – Die Verhältniszahlen der beiden Geschlechter in Bezug auf natürliche Zuchtwahl.
Bei Thieren mit getrenntem Geschlechte weichen die Männchen nothwendig von den Weibchen in ihren Reproductionsorganen ab; diese bieten daher die primären Geschlechtscharaktere dar. Die Geschlechter weichen aber oft auch in dem ab, was Hunter secundäre Sexualcharaktere genannt hat, welche in keiner directen Verbindung mit dem Acte der Reproduction stehen. Es besitzen z. B. die Männchen gewisse Sinnesorgane oder Locomotionsorgane, welche den Weibchen völlig fehlen, oder sie haben dieselben höher entwickelt, damit sie die Weibchen leicht finden oder erreichen können; oder ferner es besitzt das Männchen besondere Greiforgane, um das Weibchen sicher halten zu können. Diese letzteren Organe von unendlich mannichfacher Art gehen allmählich in diejenigen über und können in manchen Fällen kaum von denselben unterschieden werden, welche gewöhnlich für primäre angesehen werden, so z. B. die complicierten Anhänge an der Spitze des Hinterleibs bei männlichen Insecten. In der That, wenn wir nicht den Ausdruck »primär« auf die Generationsdrüsen beschränken, ist es kaum möglich, wenigstens soweit die Greiforgane in Betracht kommen, zu entscheiden, welche derselben primär und welche secundär genannt werden sollen.
Das Weibchen weicht oft vom Männchen dadurch ab, daß es Organe zur Ernährung oder zum Schutze seiner Jungen besitzt, wie die Milchdrüsen der Säugethiere und die Abdominaltasche der Marsupialien. Auch die Männchen besitzen in einigen wenigen Fällen ähnliche Organe, welche den Weibchen fehlen, wie die Taschen zur Aufnahme der Eier, welche die Männchen gewisser Fische besitzen, und die temporär entwickelten Bruttaschen gewisser männlicher Frösche. Die Weibchen der meisten Bienen haben einen speciellen Apparat zum Sammeln und Eintragen des Pollen, und ihre Legeröhre ist zu einem Stachel für die Vertheidigung ihrer Larven und der ganzen Genossenschaft modificiert worden. Zahlreiche ähnliche Fälle könnten angeführt werden, doch berühren sie uns hier nicht. Es giebt indessen andere geschlechtliche Verschiedenheiten, die uns hier besonders angehen und welche mit den primären Organen in gar keinem Zusammenhange stehen, so die bedeutendere Größe, Stärke und Kampflust der Männchen, ihre Angriffswaffen oder Vertheidigungsmittel gegen Nebenbuhler, ihre auffallendere Färbung und verschiedene Ornamente, ihr Gesangsvermögen und andere derartige Charaktere.
Außer den vorgenannten primären und secundären geschlechtlichen Differenzen weichen die Männchen von den Weibchen zuweilen in Bildungen ab, welche zu verschiedenen Lebensgewohnheiten in Beziehung stehen und entweder gar nicht oder nur indirect auf die Reproductionsfunctionen Bezug haben. So sind die Weibchen gewisser Fliegen (Culicidae und Tabanidae) Blutsauger, während die Männchen von Blüthen leben und keine Kiefer an ihrer Mundöffnung haben.434 Nur die Männchen gewisser Schmetterlinge und einiger Crustaceen (z. B. Tanais) haben unvollkommene, geschlossene Mundöffnungen und können keine Nahrung aufnehmen. Die complementären Männchen gewisser Cirripeden leben wie epiphytische Pflanzen entweder auf der weiblichen oder der hermaphroditischen Form und entbehren einer Mundöffnung und der Greiffüsse. In diesen Fällen ist es das Männchen, welches modificiert worden ist und gewisse bedeutungsvolle Organe verloren hat, welche die Weibchen besitzen. In andern Fällen ist es das Weibchen, welches derartige Theile verloren hat. So ist z. B. der weibliche Leuchtkäfer ohne Flügel, wie es auch viele weibliche Schmetterlinge sind; von diesen verlassen einige niemals ihre Cocons. Viele weibliche parasitische Crustaceen haben ihre Schwimmfüsse verloren. Bei einigen Rüsselkäfern (Curculionidae) besteht eine bedeutende Verschiedenheit zwischen dem Männchen und Weibchen in der Länge des Rostrums oder des Rüssels.435 Doch ist die Bedeutung dieser und vieler anderer Verschiedenheiten durchaus nicht erklärt. Verschiedenheiten der Structur zwischen den beiden Geschlechtern, welche zu verschiedenen Lebensgewohnheiten in Beziehung stehen, sind meist auf die niederen Thiere beschränkt; aber auch bei einigen wenigen Vögeln weicht der Schnabel des Männchens von dem des Weibchens ab. Beim Huia von Neu-Seeland ist der Unterschied merkwürdig groß wir erfahren von Dr. Buller,436 daß das Männchen seinen starken Schnabel dazu benutzt, die Insectenlarven aus faulendem Holze auszumeiseln, während das Weibchen mit seinem weit längeren, bedeutend gekrümmten und biegsamen Schnabel die weicheren Theile sondiert; sie helfen sich auf diese Weise gegenseitig. In den meisten Fällen stehen die Verschiedenheiten im Bau in einer mehr oder weniger directen Beziehung zu der Fortpflanzung der Art. So wird ein Weibchen, welches eine Menge Eier zu ernähren hat, mehr Nahrung erfordern als das Männchen und wird in Folge dessen specieller Mittel bedürfen, sich dieselben zu verschaffen. Ein männliches Thier, welches nur eine sehr kurze Zeit lebt, kann ohne Schaden in Folge von Nichtgebrauch seine Organe zur Beschaffung von Nahrung verlieren, es wird aber seine locomotiven Organe in vollkommenem Zustande behalten, damit es das Weibchen erreichen kann. Andererseits kann das Weibchen getrost seine Organe zum Fliegen, Schwimmen oder Gehen verlieren, wenn es allmählich Gewohnheiten annimmt, welche ein derartiges Vermögen nutzlos machen.
Wir haben es indessen hier nur mit geschlechtlicher Zuchtwahl zu thun. Dieselbe hängt von dem Vortheile ab, welchen gewisse Individuen über andere Individuen desselben Geschlechts und derselben Species erlangen in ausschließlicher Beziehung auf die Reproduction. Wenn die beiden Geschlechter in ihrer Structur in Bezug auf die verschiedenen Lebensgewohnheiten, wie in den oben erwähnten Fällen, von einander abweichen, so sind sie ohne Zweifel durch natürliche Zuchtwahl modificiert worden in Verbindung mit einer auf ein und dasselbe Geschlecht beschränkten Vererbung. Es fallen ferner die primären Geschlechtsorgane und die Organe zur Ernährung und Beschützung der Jungen unter diese selbe Kategorie. Denn diejenigen Individuen, welche ihre Nachkommen am besten erzeugten oder ernährten, werden ceteris paribus die größte Anzahl hinterlassen, diese Superiorität zu erben, während diejenigen, welche ihre Nachkommen nur schlecht erzeugten oder ernährten, auch nur wenige hinterlassen werden, dieses ihr schwächeres Vermögen zu erben. Da das Männchen das Weibchen aufzusuchen hat, so braucht es für diesen Zweck Sinnes- und Locomotionsorgane. Wenn aber diese Organe für die anderen Zwecke des Lebens nothwendig sind, wie es meistens der Fall ist, so werden sie durch natürliche Zuchtwahl entwickelt worden sein. Hat das Männchen das Weibchen gefunden, so sind ihm zuweilen Greiforgane, um dasselbe fest zu halten, absolut nothwendig. So theilt mir Dr. Wallace mit, daß die Männchen gewisser Schmetterlinge sich nicht mit den Weibchen verbinden können, wenn ihre Tarsen oder Füße gebrochen sind. Die Männchen vieler oceanischer Crustaceen haben ihre Füße und Antennen in einer außerordentlichen Weise zum Ergreifen des Weibchens modificiert. Wir dürfen daher vermuthen, daß diese Thiere wegen des Umstandes, daß sie von den Wellen des offenen Meeres umhergeworfen werden, jene Organe absolut nöthig haben, um ihre Art fortpflanzen zu können; und wenn dies der Fall ist, so wird deren Entwicklung das Resultat der gewöhnlichen oder natürlichen Zuchtwahl sein. Einige in der ganzen Reihe äußerst niedrig stehende Thiere sind zu dem nämlichen Zwecke modificiert worden; so ist die untere Fläche des hinteren Endes ihres Körpers bei gewissen parasitischen Würmern in erwachsenem Zustande wie eine Raspel rauh geworden; damit winden sie sich um die Weibchen und halten sie beständig.437
Wenn die beiden Geschlechter genau denselben Lebensgewohnheiten folgen und das Männchen hat höher entwickelte Sinnes- oder Locomotionsorgane als das Weibchen, so kann es wohl sein, daß diese in ihrem vervollkommneten Zustand für das Männchen zum Finden des Weibchens unentbehrlich sind; aber in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle dienen sie nur dazu, dem einen Männchen eine Überlegenheit über ein anderes zu geben. Denn die weniger gut ausgerüsteten Männchen werden, wenn ihnen Zeit gelassen wird, auch noch dazu kommen, sich mit den Weibchen zu paaren, und sie werden in allen übrigen Beziehungen, nach der Structur