Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Das ganze darauf folgende Kapitel von der Amphibolie ist bloß eine Kritik der Leibnitzischen Philosophie und als solche im Ganzen richtig, obwohl der ganze Zuschnitt bloß der architektonischen Symmetrie zu Liebe gemacht ist, die auch hier den Leitfaden giebt. So wird, um die Analogie mit dem Aristotelischen Organen herauszubringen, eine transscendentale Topik aufgestellt, die darin besteht, daß man jeden Begriff nach vier Rücksichten überlegen soll, um erst auszumachen, vor welches Erkenntnißvermögen er gehöre. Jene vier Rücksichten aber sind ganz und gar beliebig angenommen, und mit gleichem Rechte ließen sich noch zehn andere hinzufügen: ihre Vierzahl entspricht aber den Kategorientiteln, daher werden unter sie die Leibnitzischen Hauptlehren vertheilt, so gut es gehn will. Auch wird durch diese Kritik gewissermaaßen zu natürlichen Irrthümern der Vernunft gestämpelt, was bloß falsche Abstraktionen Leibnitzens waren, der, statt von seinen großen philosophischen Zeltgenossen, Spinoza und Locke, zu lernen, lieber seine eigenen seltsamen Erfindungen auftischte. Im Kapitel von der Amphibolie der Reflexion wird zuletzt gesagt, es könne möglicherweise eine von der unserigen ganz verschiedene Art der Anschauung geben, auf dieselbe unsere Kategorien aber doch anwendbar seyn; daher die Objekte jener supponirten Anschauung die Noumena wären, Dinge, die sich von uns bloß denken ließen, aber da uns die Anschauung, welche jenem Denken Bedeutung gäbe, fehle, ja gar ganz problematisch sei, so wäre der Gegenstand jenes Denkens auch bloß eine ganz unbestimmte Möglichkeit. Ich habe oben durch angeführte Stellen gezeigt, daß Kant, im größten Widerspruch mit sich, die Kategorien bald als Bedingung der anschaulichen Vorstellung, bald als Funktion des bloß abstrakten Denkens aufstellt. Hier treten sie nun ausschließlich in letzterer Bedeutung auf, und es scheint ganz und gar, als wolle er ihnen bloß ein diskursives Denken zuschreiben. Ist aber dies wirklich seine Meinung, so hätte er doch nothwendig am Anfange der transscendentalen Logik, ehe er die verschiedenen Funktionen des Denkens so weitläuftig specificirte, das Denken überhaupt charakterisiren sollen, es folglich vom Anschauen unterscheiden, zeigen sollen, welche Erkenntniß das bloße Anschauen gebe und welche neue im Denken hinzu komme. Dann hätte man gewußt, wovon er eigentlich redet, oder vielmehr, dann würde er auch ganz anders geredet haben, nämlich ein Mal vom Anschauen und dann vom Denken, statt daß er jetzt es immer mit einem Mittelding von Beidem zu thun hat, welches ein Unding ist. Dann wäre auch nicht jene große Lücke zwischen der transscendentalen Aesthetik und der transscendentalen Logik, wo er, nach Darstellung der bloßen Form der Anschauung, ihren Inhalt, die ganze empirische Wahrnehmung, eben nur abfertigt mit dem »sie ist gegeben«, und nicht fragt, wie sie zu Stande kommt, ob mit, oder ohne Verstand; sondern mit einem Sprunge zum abstrakten Denken übergeht und nicht ein Mal zum Denken überhaupt, sondern gleich zu gewissen Denkformen, und kein Wort darüber sagt, was Denken sei, was Begriff, welches das Verhältniß des Abstrakten und Diskursiven zum Konkreten und Intuitiven, welches der Unterschied zwischen der Erkenntniß des Menschen und der des Thieres, und was die Vernunft sei.
Eben jener von Kant ganz übersehene Unterschied zwischen abstrakter und anschaulicher Erkenntniß war es aber, welchen die alten Philosophen durch phainomena und nooumena bezeichneten107 und deren Gegensatz und Inkommensurabilität ihnen so viel zu schaffen machte, in den Philosophemen der Eleaten, in Plato's Lehre von den Ideen, in der Dialektik der Megariker, und später den Scholastikern, im Streit zwischen Nominalismus und Realismus, zu welchem den sich spät entwickelnden Keim schon die entgegengesetzte Geistesrichtung des Plato und des Aristoteles enthielt. Kant aber, der, auf eine unverantwortliche Weise, die Sache gänzlich vernachlässigte, zu deren Bezeichnung jene Worte phainomena und nooumena bereits eingenommen waren, bemächtigt sich nun der Worte, als wären sie noch herrenlos, um seine Dinge an sich und seine Erscheinungen damit zu bezeichnen.
Nachdem ich Kants Lehre von den Kategorien eben so habe verwerfen müssen, wie er selbst die des Aristoteles verwarf, will ich doch hier auf einen dritten Weg zur Erreichung des Beabsichtigten vorschlagsweise hinzeigen. Was nämlich Beide unter dem Namen der Kategorien suchten, waren jedenfalls die allgemeinsten Begriffe, unter welche man alle noch so verschiedenen Dinge subsumiren müsse, durch welche daher alles Vorhandene zuletzt gedacht würde. Deshalb eben faßte sie Kant als die Formen alles Denkens auf.
Zur Logik verhält sich die Grammatik wie das Kleid zum Leibe. Sollten daher nicht diese allerobersten Begriffe, dieser Grundbaß der Vernunft, welcher die Unterlage alles speciellern Denkens ist, ohne dessen Anwendung daher gar kein Denken vor sich gehn kann, am Ende in den Begriffen liegen, welche eben wegen ihrer überschwänglichen Allgemeinheit (Transscendentalität) nicht an einzelnen Wörtern, sondern an ganzen Klassen von Wörtern ihren Ausdruck haben, indem bei jedem Worte, welches es auch sei, einer von ihnen schon mitgedacht ist; demgemäß man ihre Bezeichnung nicht im Lexikon, sondern in der Grammatik zu suchen hätte? Sollten es also nicht zuletzt jene Unterschiede der Begriffe seyn, vermöge welcher das sie ausdrückende Wort entweder ein Substantiv, oder ein Adjektiv, ein Verbum, oder ein Adverbium, ein Pronomen, eine Präposition, oder sonstige Partikel sei, kurz die partes orationis? Denn unstreitig bezeichnen diese die Formen, welche alles Denken zunächst annimmt und in denen es sich unmittelbar bewegt: deshalb eben sind sie die -wesentlichen Sprachformen, die Grundbestandtheile jeder Sprache, so daß wir uns keine Sprache denken können, die nicht wenigstens aus Substantiven, Adjektiven und Verben bestände. Diesen Grundformen wären dann diejenigen Gedankenformen unterzuordnen, welche durch die Flexionen jener, also durch Deklination und Konjugation ausgedrückt werden, wobei es in der Hauptsache unwesentlich ist, ob man zur Bezeichnung derselben den Artikel oder das Pronomen zu Hülfe nimmt. Wir wollen jedoch die Sache noch etwas näher prüfen und von Neuem die Frage aufwerfen: welches sind die Formen des Denkens?
1) Das Denken besteht durchweg aus Urtheilen: Urtheile sind die Fäden seines ganzen Gewebes. Denn ohne Gebrauch eines Verbi geht unser Denken nicht von der Stelle, und so oft wir ein Verbum gebrauchen, urtheilen wir.
2) Jedes Urtheil besteht im Erkennen des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat, die es trennt oder vereint mit mancherlei Restriktionen. Es vereint sie, vom Erkennen der wirklichen Identität Beider an, welche nur bei Wechselbegriffen Statt finden kann; dann im Erkennen, daß das Eine im Andern stets mitgedacht sei, wiewohl nicht umgekehrt, – im allgemein bejahenden Satz; bis zum Erkennen, daß das Eine bisweilen im Andern mitgedacht sei, im partikulär bejahenden Satz. Den umgekehrten Gang gehn die verneinenden Sätze. Demnach muß in jedem Urtheil Subjekt, Prädikat und Kopula, letztere affirmativ, oder negativ, zu finden seyn; wenn auch nicht Jedes von diesen durch ein eigenes Wort, wie jedoch meistens, bezeichnet ist. Oft bezeichnet ein Wort Prädikat und Kopula, wie: »Kajus altert«; bisweilen ein Wort alle Drei, wie: concurritur, d.h. »die Heere werden handgemein«.