Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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c) Die disjunktiven Urtheile entspringen aus dem Denkgesetz des ausgeschlossenen Dritten, welches eine metalogische Wahrheit ist: sie sind daher ganz das Eigenthum der reinen Vernunft, und haben nicht im Verstande ihren Ursprung. Die Ableitung der Kategorie der Gemeinschaft oder Wechselwirkung aus ihnen ist nun aber ein recht grelles Beispiel von den Gewaltthätigkeiten, welche sich Kant bisweilen gegen die Wahrheit erlaubt, bloß um seine Lust an architektonischer Symmetrie zu befriedigen. Das Unstatthafte jener Ableitung ist schon öfter mit Recht gerügt und aus mehreren Gründen dargethan worden, besonders von G. E. Schulze in seiner »Kritik der theoretischen Philosophie« und von Berg in seiner »Epikritik der Philosophie«. – Welche wirkliche Analogie ist wohlzwischen der offengelassenen Bestimmung eines Begriffs durch einander ausschließende Prädikate, und dem Gedanken der Wechselwirkung? Beide sind sich sogar ganz entgegengesetzt, da im disjunktiven Unheil das wirkliche Setzen des einen der beiden Eintheilungsglieder zugleich ein nothwendiges Aufheben des andern ist; hingegen wenn man sich zwei Dinge im Verhältniß der Wechselwirkung denkt, das Setzen des einen eben ein nothwendiges Setzen auch des andern ist, und vice versa. Daher ist unstreitig das wirkliche logische Analogen der Wechselwirkung der circulus vitiosus, als in welchem, eben wie angeblich bei der Wechselwirkung, das Begründete auch wieder der Grund ist, und umgekehrt. Und eben so wie die Logik den circulus vitiosus verwirft, ist auch aus der Metaphysik der Begriff der Wechselwirkung zu verbannen. Denn ich bin ganz ernstlich gesonnen jetzt darzuthun, daß es gar keine Wechselwirkung im eigentlichen Sinne giebt, und dieser Begriff, so höchst beliebt auch, eben wegen der Unbestimmtheit des Gedankens, sein Gebrauch ist, doch, näher betrachtet, sich als leer, falsch und nichtig zeigt. Zuvörderst besinne man sich, was überhaupt Kausalität sei, und sehe zur Beihülfe meine Darstellung davon in der einleitenden Abhandlung, § 20, wie auch in meiner Preisschrift über die Freiheit des Willens, Kap. 3, S. 27 fg., endlich im vierten Kapitel unseres zweiten Bandes nach. Kausalität ist das Gesetz, nach welchem die eintretenden Zustände der Materie sich ihre Stellen in der Zeit bestimmen. Bloß von Zuständen, ja eigentlich bloß von Veränderungen ist bei der Kausalität die Rede, und weder von der Materie als solcher, noch vom Beharren ohne Veränderung. Die Materie als solche steht nicht unter dem Gesetz der Kausalität; da sie weder wird, noch vergeht: also auch nicht das ganze Ding, wie man gemeinhin spricht; sondern allein die Zustände der Materie. Ferner hat das Gesetz der Kausalität es nicht mit dem Beharren zu thun: denn wo sich nichts verändert, ist kein Wirken und keine Kausalität, sondern ein bleibender ruhender Zustand. Wird nun ein solcher verändert, so ist entweder der neu entstandene wieder beharrlich, oder er ist es nicht, sondern führt sogleich einen dritten Zustand herbei, und die Nothwendigkeit, mit der dies geschieht, ist eben das Gesetz der Kausalität, welches eine Gestaltung des Satzes vom Grunde ist und daher nicht weiter zu erklären; weil eben der Satz vom Grunde das Princip aller Erklärung und aller Nothwendigkeit ist. Hieraus ist klar, daß das Ursach- und Wirkungseyn in genauer Verbindung und nothwendiger Beziehung auf die Zeitfolge steht. Nur sofern der Zustand A in der Zeit dem Zustande B vorhergeht, ihre Succession aber eine nothwendige und keine zufällige, d.h. kein bloßes Folgen, sondern ein Erfolgen ist; – nur insofern ist der Zustand A Ursache und der Zustand B Wirkung. Der Begriff Wechselwirkung enthält aber Dies, daß beide Ursache und beide Wirkung von einander sind: dies heißt aber eben so viel, als daß jeder von beiden der frühere und aber auch der spätere ist: also ein Ungedanke. Denn daß beide Zustände zugleich seien, und zwar nothwendig zugleich, läßt sich nicht annehmen: weil sie als nothwendig zusammengehörend und zugleich seiend, nur einen Zustand ausmachen, zu dessen Beharren zwar die bleibende Anwesenheit aller seiner Bestimmungen erfordert wird, wo denn aber gar nicht mehr von Veränderung und Kausalität, sondern von Dauer und Ruhe die Rede ist und weiter nichts gesagt wird, als daß wenn eine Bestimmung des ganzen Zustandes geändert wird, der hiedurch entstandene neue Zustand nicht von Bestand seyn kann, sondern Ursache der Aenderung auch aller übrigen Bestimmungen des ersten Zustandes wird, wodurch eben wieder ein neuer, dritter Zustand eintritt; welches alles nur gemäß dem einfachen Gesetz der Kausalität geschieht und nicht ein neues, das der Wechselwirkung, begründet.
Auch behaupte ich schlechthin, daß der Begriff Wechselwirkung durch kein einziges Beispiel zu belegen ist. Alles was man dafür ausgeben möchte, ist entweder ein ruhender Zustand, auf den der Begriff der Kausalität, welcher nur bei Veränderungen Bedeutung hat, gar keine Anwendung findet, oder es ist eine abwechselnde Succession gleichnamiger, sich bedingender Zustände, zu deren Erklärung die einfache Kausalität vollkommen ausreicht. Ein Beispiel der erstem Art giebt die durch gleiche Gewichte in Ruhe gebrachte Waagschaale: hier ist gar kein Wirken, denn hier ist keine Veränderung: es ist ruhender Zustand: die Schwere strebt, gleichmäßig vertheilt, wie in jedem im Schwerpunkt unterstützten Körper, kann aber ihre Kraft durch keine Wirkung äußern. Daß die Wegnahme des einen Gewichtes einen zweiten Zustand giebt, der sogleich Ursache des dritten, des Sinkens der andern Schaale, wird, geschieht nach dem einfachen Gesetz der Ursache und Wirkung und bedarf keiner besondern Kategorie des Verstandes, auch nicht ein Mal einer besondern Benennung. Ein Beispiel der andern Art ist das Fortbrennen eines Feuers. Die Verbindung des Oxygens mit dem brennbaren Körper ist Ursache der Wärme, und diese ist wieder Ursache des erneuerten Eintritts jener chemischen Verbindung. Aber dieses ist nichts Anderes, als eine Kette von Ursachen und Wirkungen, deren Glieder jedoch abwechselnd gleichnamig sind: das Brennen A bewirkt freie Wärme B, diese ein neues Brennen C (d.h. eine neue Wirkung, die mit der Ursache A gleichnamig, nicht aber individuell die selbe ist), dies eine neue Wärme D (welche mit der Wirkung B nicht real identisch, sondern nur dem Begriffe nach die selbe, d.h. mit ihr gleichnamig ist) und so immer fort. Ein artiges Beispiel Dessen, was man im gemeinen Leben Wechselwirkung nennt, liefert eine von Humboldt (Ansichten der Natur, zweite Auflage, Bd. 2, S. 79) gegebene Theorie der Wüsten. Nämlich in Sandwüsten regnet es nicht, wohl aber auf den sie begrenzenden waldigen Bergen. Nicht die Anziehung der Berge auf die Wolken ist die Ursache; sondern die von der Sandebene aufsteigende Säule erhitzter Luft hindert die Dunstbläschen sich zu zersetzen und treibt die Wolken in die Höhe. Auf dem Gebirge ist der senkrecht steigende Luftstrohm schwächer, die Wolken senken sich und der Niederschlag erfolgt in der kühlem Luft.