abgeleitet. Diese kennen wir aber nur aus der Form der kategorischen Urtheile, d. i. aus der Verbindung zweier Begriffe als Subjekt und Prädikat. Wie gewaltsam ist daher von dieser einfachen, rein logischen Form jener große metaphysische Grundsatz abhängig gemacht! Allein es ist auch nur pro forma und der Symmetrie wegen geschehn. Der Beweis, der hier für diesen Grundsatz gegeben wird, setzt dessen vermeintlichen Ursprung aus dem Verstande und aus der Kategorie ganz bei Seite, und ist aus der reinen Anschauung der Zeit geführt. Aber auch dieser Beweis ist ganz unrichtig. Es ist falsch, daß es in der bloßen Zeit eine Simultaneität und eine Dauer gebe: diese Vorstellungengehn allererst hervor aus der Vereinigung des Raumes mit der Zeit, wie ich bereits gezeigt habe in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 18, und noch weiter ausgeführt § 4 gegenwärtiger Schrift; beide Auseinandersetzungen muß ich zum Verständniß des Folgenden voraussetzen. Es ist falsch, daß bei allem Wechsel die Zeit selbst bleibe: vielmehr ist gerade sie selbst das fließende: eine bleibende Zeit ist ein Widerspruch. Kants Beweis ist unhaltbar, so sehr er ihn auch mit Sophismen gestützt hat: ja, er gerath dabei in den handgreiflichsten Widerspruch. Nachdem er nämlich (S. 177; v, 219) das Zugleichseyn fälschlich als einen Modus der Zeit aufgestellt hat, sagt er (S. 183; v, 226) ganz richtig: »Das Zugleichseyn ist nicht ein Modus der Zeit, als in welcher gar keine Theile zugleich sind, sondern alle nach einander.« – In Wahrheit ist im Zugleichseyn der Raum eben so sehr implicirt, wie die Zeit. Denn, sind zwei Dinge zugleich und doch nicht Eins, so sind sie durch den Raum verschieden; sind zwei Zustände eines Dinges zugleich (z.B. das Leuchten und die Hitze des Eisens), so sind sie zwei gleichzeitige Wirkungen eines Dinges, setzen daher die Materie und diese den Raum voraus. Streng genommen ist das Zugleich eine negative Bestimmung, die bloß enthält, daß zwei Dinge, oder Zustände, nicht durch die Zeit verschieden sind, ihr Unterschied also anderweitig zu suchen ist. – Allerdings aber muß unsere Erkenntniß von der Beharrlichkeit der Substanz, d. i. der Materie, auf einer Einsicht a priori beruhen; da sie über allen Zweifel erhaben ist, daher nicht aus der Erfahrung geschöpft seyn kann. Ich leite sie davon ab, daß das Princip alles Werdens und Vergehns, das Gesetz der Kausalität, dessen wir uns a priori bewußt sind, ganz wesentlich nur die Veränderungen, d.h. die successiven Zustände der Materie betrifft, also auf die Form beschränkt ist, die Materie aber unangetastet läßt, welche daher in unserm Bewußtseyn als die keinem Werden noch Vergehn unterworfene, mithin immer gewesene und immer bleibende Grundlage aller Dinge dasteht. Eine tiefere, aus der Analyse unserer anschaulichen Vorstellung der empirischen Welt überhaupt geschöpfte Begründung der Beharrlichkeit der Substanz findet man in unserm ersten Buch, § 4, als wo gezeigt worden, daß das Wesen der Materie in der gänzlichen Vereinigung von Raum und Zeit besteht, welche Vereinigung nur mittelst der Vorstellung der Kausalität möglich ist, folglich nur für den Verstand, der nichts, als das subjektive Korrelat der Kausalität ist, daher auch die Materie nie anders als wirkend, d.h. durch und durch als Kausalität erkannt wird, Seyn und Wirken bei ihr Eins ist, welches schon das Wort Wirklichkeit andeutet. Innige Vereinigung von Raum und Zeit, – Kausalität, Materie, Wirklichkeit, – sind also Eines, und das subjektive Korrelat dieses Einen ist der Verstand. Die Materie muß die sich widerstreitenden Eigenschaften der beiden Faktoren, aus denen sie hervorgeht, an sich tragen, und die Vorstellung der Kausalität ist es, die das Widersprechende beider aufhebt und ihr Zusammenbestehn faßlich macht dem Verstande, durch den und für den allein die Materie ist und dessen ganzes Vermögen im Erkennen von Ursache und Wirkung besteht: für ihn also vereinigt sich in der Materie der bestandlose Fluß der Zeit, als Wechsel der Accidenzien auftretend, mit der starren Unbeweglichkeit des Raumes, die sich darstellt als das Beharren der Substanz. Denn vergienge, wie die Accidenzien, so auch die Substanz; so würde die Erscheinung vom Räume ganz losgerissen und gehörte nur noch der bloßen Zeit an: die Welt der Erfahrung wäre aufgelöst, durch Vernichtung der Materie, Annihilation. – Aus dem Antheil also, den der Raum an der Materie, d. i. an allen Erscheinungen der Wirklichkeit hat, – indem er der Gegensatz und das Widerspiel der Zeit ist und daher, an sich und außer dem Verein mit jener, gar keinen Wechsel kennt, – mußte jener Grundsatz von der Beharrlichkeit der Substanz, den Jeder als a priori gewiß anerkennt, abgeleitet und erklärt werden, nicht aber aus der bloßen Zeit, welcher Kant zu diesem Zweck ganz widersinnig ein Bleiben angedichtet hat. –
Die Unrichtigkeit des jetzt folgenden Beweises der Apriorität und Nothwendigkeit des Gesetzes der Kausalität, aus der bloßen Zeitfolge der Begebenheiten, habe ich ausführlich dargethan in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 23; darf mich also hier nur darauf berufen106. Ganz eben so verhält es sich mit dem Beweise der Wechselwirkung, deren Begriff ich sogar oben als nichtig darstellen mußte. – Auch über die Modalität, von deren Grundsätzen nun die Ausführung folgt, ist schon das Nöthige gesagt. –
Ich hätte noch manche Einzelheiten in fernerem Verfolg der transscendentalen Analytik zu widerlegen, fürchte jedoch die Geduld des Lesers zu ermüden und überlasse dieselben daher seinem eigenen Nachdenken. Aber immer von Neuem tritt uns in der Kritik der reinen Vernunft jener Haupt- und Grundfehler Kants, welchen ich oben ausführlich gerügt habe, entgegen, die gänzliche Nichtunterscheidung der abstrakten, diskursiven Erkenntniß von der intuitiven. Diese ist es, welche eine beständige Dunkelheit über Kants ganze Theorie des Erkenntnißvermögens verbreitet, und den Leser nie wissen läßt, wovon jedesmal eigentlich die Rede ist; so daß er, statt zu verstehn, immer nur muthmaaßt, indem er das jedesmal Gesagte abwechselnd vom Denken und vom Anschauen zu verstehn versucht, und stets in der Schwebe bleibt. Jener unglaubliche Mangel an Besinnung über das Wesen der anschaulichen und der abstrakten Vorstellung bringt, wie ich sogleich näher erörtern werde, in dem Kapitel »Von der Unterscheidung aller Gegenstände in Phänomena und Noumena« Kanten zu der monströsen Behauptung, daß es ohne Denken, also ohne abstrakte Begriffe, gar keine Erkenntniß eines Gegenstandes gebe, und daß die Anschauung, weil sie kein Denken ist, auch gar kein Erkennen sei und überhaupt nichts, als eine bloße Affektion der Sinnlichkeit, bloße Empfindung! Ja noch mehr, daß Anschauung ohne Begriff ganz leer sei; Begriff ohne Anschauung aber immer noch etwas (S. 253; v, 309). Dies ist nun das gerade Gegentheil der Wahrheit: denn eben Begriffe erhalten alle Bedeutung, allen Inhalt, allein aus ihrer Beziehung auf anschauliche Vorstellungen, aus denen sie abstrahirt, abgezogen, d.h. durch Fallenlassen alles Unwesentlichen gebildet worden; daher, wenn ihnen die Unterlage der Anschauung entzogen wird, sie leer und nichtig sind. Anschauungen hingegen haben an sich selbst unmittelbare und sehr große Bedeutung (in ihnen ja objektivirt sich der Wille, das Ding an sich): sie vertreten sich selbst, sprechen sich selbst aus, haben nicht bloß entlehnten Inhalt, wie die Begriffe. Denn über sie herrscht der Satz vom Grunde nur als Gesetz der Kausalität, und bestimmt als solches nur ihre Stelle in Raum und Zeit; nicht aber bedingt er ihren Inhalt und ihre Bedeutsamkeit, wie es bei den Begriffen der Fall ist, wo er vom Grunde des Erkennens gilt. Uebrigens sieht es aus, als ob Kant gerade hier recht eigentlich darauf ausgehn wolle, die anschauliche und die abstrakte Vorstellung zu unterscheiden: er wirft Leibnitzen und Locken vor, jener hätte alles zu abstrakten, dieser zu anschaulichen Vorstellungen gemacht. Aber es kommt doch zu keiner Unterscheidung: und wenn gleich Locke und Leibnitz wirklich jene Fehler begiengen, so fällt Kanten selbst ein dritter, jene beiden umfassender Fehler zur Last, nämlich Anschauliches und Abstraktes dermaaßen vermischt zu haben, daß ein monströser Zwitter von Beiden entstand, ein Unding, von dem keine deutliche Vorstellung möglich ist und welches daher nur die Schüler verwirren, betäuben und in Streit versetzen mußte.
Allerdings nämlich treten mehr noch als irgendwo Denken und Anschauung aus einander in dem besagten Kapitel »Von der Unterscheidung aller Gegenstände in Phänomena und Noumena«: allein die Art dieser Unterscheidung ist hier eine grundfalsche. Es heißt nämlich, S. 253, v, 309: »Wenn ich alles Denken (durch Kategorien) aus einer empirischen Erkenntniß wegnehme; so bleibt gar keine Erkenntniß eines Gegenstandes übrig: denn durch bloße Anschauung wird gar nichts gedacht, und daß diese Affektion der Sinnlichkeit in mir ist, macht gar keine Beziehung von dergleichen Vorstellung auf irgend ein Objekt aus.« – Dieser Satz enthält gewissermaaßen alle Irrthümer Kants in einer Nuß; indem dadurch an den Tag kommt, daß er das Verhältniß zwischen Empfindung, Anschauung und Denken falsch gefaßt hat und demnach die Anschauung, deren Form denn