Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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1) Die sogenannte Quantität der Urtheile entspringt aus dem Wesen der Begriffe als solcher, hat Ihren Grund also lediglich in der Vernunft, und hat mit dem Verstande und der anschaulichen Erkenntniß gar keinen unmittelbaren Zusammenhang. – Es ist nämlich, wie im ersten Buche ausgeführt, den Begriffen als solchen wesentlich, daß sie einen Umfang, eine Sphäre haben, und der weitere, unbestimmtere den engem, bestimmteren einschließt, welcher letztere daher auch ausgeschieden werden kann; und zwar kann dieses entweder so geschehn, daß man ihn nur als unbestimmten Theil des weitem Begriffes überhaupt bezeichnet, oder auch so, daß man ihn bestimmt und völlig aussondert, mittelst Beilegung eines besondern Namens. Das Urtheil, welches die Vollziehung dieser Operation ist, heißt im ersten Fall ein besonderes, im zweiten ein allgemeines; z.B. ein und der selbe Theil der Sphäre des Begriffes Baum kann durch ein besonderes und durch ein allgemeines Urtheil isolirt werden, nämlich: »Einige Bäume tragen Galläpfel«; oder so: »Alle Eichen tragen Galläpfel«. – Man sieht, daß die Verschiedenheit beider Operationen sehr gering ist, ja, daß die Möglichkeit derselben vom Wortreichthum der Sprache abhängt. Desungeachtet hat Kant erklärt, diese Verschiedenheit entschleiere zwei grundverschiedene Handlungen, Funktionen, Kategorien des reinen Verstandes, der eben durch dieselben a priori die Erfahrung bestimme.
Man kann endlich auch einen Begriff gebrauchen, um mittelst desselben zu einer bestimmten, einzelnen, anschaulichen Vorstellung, aus welcher, und zugleich aus vielen andern, er selbst abgezogen ist, zu gelangen: welches durch das einzelne Urtheil geschieht. Ein solches Urtheil bezeichnet nur die Gränze der abstrakten Erkenntniß zur anschaulichen, zu welcher unmittelbar von ihm übergegangen wird: »Dieser Baum hier trägt Galläpfel.« – Kant hat denn auch daraus eine besondere Kategorie gemacht.
Nach allem Vorhergehenden bedarf es hier weiter keiner Polemik.
2) Auf gleiche Weise liegt die Qualität der Urtheile ganz innerhalb des Gebietes der Vernunft, und ist nicht eine Abschaltung irgend eines Gesetzes des die Anschauung möglich machenden Verstandes, d.h. giebt nicht Anweisung darauf. Die Natur der abstrakten Begriffe, welche eben das objektiv aufgefaßte Wesen der Vernunft selbst ist, bringt, wie ebenfalls im ersten Buche ausgeführt, die Möglichkeit mit sich, ihre Sphären zu vereinigen und zu trennen, und auf dieser Möglichkeit, als ihrer Voraussetzung, beruhen die allgemeinen Denkgesetze der Identität und des Widerspruchs, welchen, weil sie rein aus der Vernunft entspringen und nicht ferner zu erklären sind, metalogische Wahrheit von mir beigelegt ist. Sie bestimmen, daß das Vereinigte vereinigt, das Getrennte getrennt bleiben muß, also das Gesetzte nicht zugleich wieder aufgehoben werden kann, setzen also die Möglichkeit des Verbindens und Trennens der Sphären, d. i. eben das Urtheilen, voraus. Dieses aber liegt, der Form nach, einzig und allein in der Vernunft, und diese Form ist nicht, so wie der Inhalt der Urtheile, aus der anschaulichen Erkenntniß des Verstandes mit hinübergenommen, in welcher daher auch kein Korrelat oder Analogen für sie zu suchen ist. Nachdem die Anschauung durch den Verstand und für den Verstand entstanden ist, steht sie vollendet da, keinem Zweifel noch Irrthum unterworfen, kennt demnach weder Bejahung noch Verneinung; denn sie spricht sich selbst aus, und hat nicht, wie die abstrakte Erkenntniß der Vernunft, ihren Werth und Gehalt in der bloßen Beziehung auf etwas außer ihr, nach dem Satz vom Grunde des Erkennens. Sie ist daher lauter Realität, alle Negation ist ihrem Wesen fremd: diese kann allein durch Reflexion hinzugedacht werden, bleibt aber eben deshalb immer auf dem Gebiet des abstrakten Denkens.
Zu den bejahenden und verneinenden Urtheilen fügt Kant, eine Grille der alten Scholastiker benutzend, noch die unendlichen, einen spitzfindig erdachten Lückenbüßer, was nicht ein Mal einer Auseinandersetzung bedarf, ein blindes Fenster, wie er zu Gunsten seiner symmetrischen Architektonik deren viele angebracht hat.
3) Unter den sehr weiten Begriff der Relation hat Kant drei ganz verschiedene Beschaffenheiten der Urtheile zusammengebracht, die wir daher, um ihren Ursprung zu erkennen, einzeln beleuchten müssen.
a) Das hypothetische Urtheil überhaupt ist der abstrakte Ausdruck jener allgemeinsten Form aller unserer Erkenntnisse, des Satzes vom Grunde. Daß dieser vier ganz verschiedene Bedeutungen habe, und in jeder von diesen aus einer andern Erkenntnißkraft urständet, wie auch eine andere Klasse von Vorstellungen betrifft, habe ich schon 1813 in meiner Abhandlung über denselben dargethan. Daraus ergiebt sich hinlänglich, daß der Ursprung des hypothetischen Urtheils überhaupt, dieser allgemeinen Denkform, nicht bloß, wie Kant will, der Verstand und dessen Kategorie der Kausalität seyn könne; sondern daß das Gesetz der Kausalität, welches, meiner Darstellung zufolge, die einzige Erkenntnißform des reinen Verstandes ist, nur eine der Gestaltungen des alle reine oder apriorische Erkenntniß umfassenden Satzes vom Grunde ist, welcher hingegen in jeder seiner Bedeutungen diese hypothetische Form des Urtheils zum Ausdruck hat. – Wir sehn hier nun aber recht deutlich, wie Erkenntnisse, die ihrem Ursprung und ihrer Bedeutung nach ganz verschieden sind, doch, wenn von der Vernunft in abstracto gedacht, in einer und der selben Form von Verbindung der Begriffe und Urtheile erscheinen und dann in dieser gar nicht mehr zu unterscheiden sind, sondern man, um sie zu unterscheiden, auf die anschauliche Erkenntniß zurückgehn muß, die abstrakte ganz verlassend. Daher war der von Kant eingeschlagene Weg, vom Standpunkt der abstrakten Erkenntniß aus, die Elemente und das Innerste Getriebe auch der intuitiven Erkenntniß zu finden, durchaus verkehrt. Uebrigens ist gewissermaaßen meine ganze einleitende Abhandlung »Ueber den Satz vom Grunde« nur als eine gründliche Erörterung der Bedeutung der hypothetischen Urtheilsform anzusehn; daher ich hier nicht weiter verweile.
b) Die Form des kategorischen Urtheils ist nichts Anderes, als die Form des Urtheils überhaupt im eigentlichsten Sinn. Denn, streng genommen, heißt Urtheilen nur die Verbindung, oder die Unvereinbarkeit der Sphären der Begriffe denken: daher sind die hypothetische und die disjunktive Verbindung eigentlich keine besondere Formen des Urtheils: denn sie werden nur auf schon fertige Urtheile angewandt, in denen die Verbindung der Begriffe unverändert die kategorische bleibt; sie aber verknüpfen wieder diese Urtheile, indem die hypothetische Form deren Abhängigkeit von einander, die disjunktive deren Unvereinbarkeit ausdrückt. Bloße Begriffe aber haben nur eine Art von Verhältnissen zu einander, nämlich die, welche im kategorischen Unheil ausgedrückt werden. Die nähere Bestimmung, oder die Unterarten dieses Verhältnisses sind das Ineinandergreifen und das völlige Getrenntseyn der Begriffssphären, d. i. also die Bejahung und Verneinung; woraus Kant besondere Kategorien, unter einem ganz andern Titel gemacht hat, dem der Qualität. Das Ineinandergreifen und Getrenntseyn hat wieder Unterarten, nämlich je nachdem die Sphären ganz, oder nur zum Theil ineinandergreifen, welche Bestimmung die Quantität der Urtheile ausmacht; woraus Kant wieder einen ganz besondern Kategorientitel gemacht hat. So trennte er das ganz nahe Verwandte, ja Identische, die leicht übersehbaren Modifikationen der einzig möglichen Verhältnisse von bloßen Begriffen zu einander, und vereinigte dagegen das sehr Verschiedene unter diesem Titel der Relation.
Kategorische Urtheile haben zum metalogischen Princip die Denkgesetze der Identität und des Widerspruchs. Aber der Grund zur Verknüpfung von Begriffssphären, welcher dem Urtheil, das eben nur diese Verknüpfung ist, die Wahrheit verleiht, kann sehr verschiedener Art seyn, und dieser