Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Читать онлайн книгу Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer страница 126
Ich fordere Jeden, der mit mir die Verehrung gegen Kant theilt, auf, diese Widersprüche zu vereinigen, und zu zeigen, daß Kant bei seiner Lehre vom Objekt der Erfahrung und der Art, wie es durch die Thätigkeit des Verstandes und seiner zwölf Funktionen bestimmt wird, etwas ganz Deutliches und Bestimmtes gedacht habe. Ich bin überzeugt, daß der nachgewiesene Widerspruch, der sich durch die ganze transscendentale Logik zieht, der eigentliche Grund der großen Dunkelheit des Vertrags in derselben ist. Kant war sich nämlich des Widerspruchs dunkel bewußt, kämpfte innerlich damit, wollte oder konnte ihn dennoch nicht zum deutlichen Bewußtseyn bringen, verschleierte ihn daher für sich und für Andere, und umgieng ihn auf allerlei Schleichwegen. Davon ist es vielleicht auch abzuleiten, daß er aus dem Erkenntnißvermögen eine so seltsame, komplicirte Maschine machte, mit so vielen Rädern, als da sind die zwölf Kategorien, die transscendentale Synthesis der Einbildungskraft, des innern Sinnes, der transscendentalen Einheit der Apperception, ferner der Schematismus der reinen Verstandesbegriffe u.s.w. Und ungeachtet dieses großen Apparats wird zur Erklärung der Anschauung der Außenwelt, die denn doch wohl die Hauptsache in unserer Erkenntniß ist, auch nicht ein Mal ein Versuch gemacht; sondern diese sich aufdringende Anforderung wird recht ärmlich immer durch den nämlichen, nichtssagenden, bildlichen Ausdruck abgelehnt: »Die empirische Anschauung wird uns gegeben.« S. 145 der fünften Auflage erfahren wir noch, daß dieselbe durch das Objekt gegeben wird: mithin muß dieses etwas von der Anschauung Verschiedenes seyn.
Wenn wir nun Kants Innerste, von ihm selbst nicht deutlich ausgesprochene Meinung zu erforschen uns bemühen; so finden wir, daß wirklich ein solches, von der Anschauung verschiedenes Objekt, das aber auch keineswegs ein Begriff ist, ihm der eigentliche Gegenstand für den Verstand ist, ja, daß die sonderbare Voraussetzung eines solchen unvorstellbaren Gegenstandes es eigentlich seyn soll, wodurch allererst die Anschauung zur Erfahrung wird. Ich glaube, daß ein altes, eingewurzeltes, aller Untersuchung abgestorbenes Vorurtheil in Kant der letzte Grund ist von der Annahme eines solchen absoluten Objekts, welches an sich, d.h. auch ohne Subjekt, Objekt ist. Es ist durchaus nicht das angeschaute Objekt, sondern es wird durch den Begriff zur Anschauung hinzugedacht, als etwas derselben Entsprechendes, und nunmehr ist die Anschauung Erfahrung und hat Werth und Wahrheit, die sie folglich erst durch die Beziehung auf einen Begriff erhält (im diametralen Gegensatz gegen unsere Darstellung, nach welcher der Begriff allein von der Anschauung Werth und Wahrheit erhält). Das Hinzudenken dieses direkt nicht vorstellbaren Objekts zur Anschauung ist dann die eigentliche Funktion der Kategorien. »Nur durch Anschauung wird der Gegenstand gegeben, der hernach der Kategorie gemäß gedacht wird.« (Kritik der reinen Vernunft, erste Auflage, S. 399). Besonders deutlich wird dies aus einer Stelle, S. 125 der fünften Auflage: »Nun fragt es sich, ob nicht auch Begriffe a priori vorausgehn, als Bedingungen, unter denen allein etwas, wenn gleich nicht angeschaut, dennoch als Gegenstand überhaupt gedacht wird«, welches er bejaht. Hier zeigt sich deutlich die Quelle des Irrthums und der ihn umhüllenden Konfusion. Denn der Gegenstand als solcher ist alle mal nur für die Anschauung und in ihr da: sie mag nun durch die Sinne, oder, bei seiner Abwesenheit, durch die Einbildungskraft vollzogen werden. Was hingegen gedacht wird, ist allemal ein allgemeiner, nicht anschaulicher Begriff, der allenfalls der Begriff von einem Gegenstande überhaupt seyn kann; aber nur mittelbar, mittelst der Begriffe, bezieht sich das Denken auf Gegenstände, als welche selbst allezeit anschaulich sind und bleiben. Denn unser Denken dient nicht dazu, den Anschauungen Realität zu verleihen: diese haben sie, soweit sie ihrer fähig sind (empirische Realität) durch sich selbst; sondern es dient, das Gemeinsame und die Resultate der Anschauungen zusammenzufassen, um sie aufbewahren und leichter handhaben zu können. Kant aber schreibt die Gegenstände selbst dem Denken zu, um dadurch die Erfahrung und die objektive Welt vom Verstande abhängig zu machen, ohne jedoch diesen ein Vermögen der Anschauung seyn zu lassen. In dieser Beziehung unterscheidet er allerdings das Anschauen vom Denken, macht aber die einzelnen Dinge zum Gegenstand theils der Anschauung, theils des Denkens. Wirklich aber sind sie nur Ersteres: unsere empirische Anschauung ist sofort objektiv; eben weil sie vom Kausalnexus ausgeht. Ihr Gegenstand sind unmittelbar die Dinge, nicht von diesen verschiedene Vorstellungen. Die einzelnen Dinge werden als solche angeschaut im Verstande und durch die Sinne: der einseitige Eindruck auf diese wird dabei sofort durch die Einbildungskraft ergänzt. Sobald wir hingegen zum Denken übergehn, verlassen wir die einzelnen Dinge und haben es mit allgemeinen Begriffen ohne Anschaulichkeit zu thun; wenn wir gleich die Resultate unsers Denkens nachher auf die einzelnen Dinge anwenden. Wenn wir Dieses festhalten, so erhellt die Unzulässigkeit der Annahme, daß die Anschauung der Dinge erst durch das die zwölf Kategorien anwendende Denken eben dieser Dinge Realität erhalte und zur Erfahrung werde. Vielmehr ist in der Anschauung selbst schon die empirische Realität, mithin die Erfahrung, gegeben: allein die Anschauung kann auch nur zu Stande kommen mittelst Anwendung der Erkenntniß vom Kausalnexus, welche die einzige Funktion des Verstandes ist, auf die Sinnesempfindung. Die Anschauung ist demnach wirklich intellektual, was gerade Kant leugnet.
Die hier kritisirte Annahme Kants findet man, außer der angeführten Stelle, auch noch vorzüglich deutlich ausgesprochen in der »Kritik der Urtheilskraft«, § 36, gleich Anfangs; desgleichen in den »Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft«, in der Anmerkung zur ersten Erklärung der »Phänomenologie«. Aber mit einer Naivetät, deren Kant bei diesem mißlichen Punkte sich am wenigsten getraute, findet man sie aufs Deutlichste dargelegt im Buche eines Kantianers, nämlich in Kiesewetters »Grundriß einer allgemeinen Logik«, dritte Auflage,Th. I, S. 434 der Auseinandersetzung, und Th. II, § 52 und 53 der Auseinandersetzung; desgleichen in Tieftrunks »Denklehre in rein Deutschem Gewande« (1825). Da zeigt sich so recht, wie jedem Denker seine nicht selbstdenkenden Schüler zum Vergrößerungsspiegel seiner Fehler werden. Kant ist bei dieser Darstellung seiner ein Mal beschlossenen Kategorienlehre durchgängig leise aufgetreten, die Schüler hingegen ganz dreist, wodurch sie das Falsche der Sache bloßlegen.
Dem Gesagten zufolge ist bei Kant der Gegenstand der Kategorien zwar nicht das Ding an sich, aber doch dessen nächster Anverwandter: es ist das Objekt an sich, ist ein Objekt, das keines Subjekts bedarf, ist ein einzelnes Ding, und doch nicht In Zelt und Raum, weil nicht anschaulich, ist Gegenstand des Denkens, und doch nicht abstrakter Begriff. Demnach unterscheidet Kant eigentlich dreierlei: 1) die Vorstellung; 2) den Gegenstand der Vorstellung; 3) das Ding an sich. Erstere ist Sache der Sinnlichkeit, welche bei ihm, neben der Empfindung, auch die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit begreift. Das Zweite ist Sache des Verstandes, der es durch seine zwölf Kategorien hinzu denkt. Das Dritte liegt jenseit aller Erkennbarkeit. (Als Beleg hiezu sehe man S. 108 und 109 der ersten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft«.) Nun ist aber die Unterscheidung der Vorstellung und des Gegenstandes der Vorstellung ungegründet: dies hatte schon Berkeley bewiesen, und es geht hervor aus meiner ganzen Darstellung im ersten Buche, besonders Kapitel 1 der Ergänzungen,